Warum Enterprise 2.0 mehr Chance als Herausforderung ist

12.07.2010
Muss ein Business-Manager sich mit Wiki-Software auskennen? Was tun, wenn ein Mitarbeiter kurzerhand die Unternehmensleitlinien ändert? Die Neuerscheinung "Web 2.0 im Unternehmen" gibt Antworten.

Über Web 2.0 spricht jeder. Von Wikis und Blogs ist die Rede, von Social Networks und Collaboration. Die entsprechenden Werkzeuge zu benutzen ist aber nur die eine Seite der Medaille. Unternehmen, die von diesen Trends profitieren wollen, müssen mehr tun. Es geht um offene Kommunikation, das Zurückstellen von Eitelkeiten, das Teilen von Wissen und den Abbau von Hierarchien.

Theorie und Praxis

Die Computerwoche gibt die Neuerscheinung "Web 2.0 im Unternehmen" von Manfred Leisenberg, Professor für Wirtschaftsinformatik in Bielefeld, und Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender der ebenfalls in Bielefeld ansässigen Synaxon AG, heraus. Darin werden nicht nur die Werkzeuge des Web 2.0 ausführlich vorgestellt. Die Autoren beschreiben anhand von Beispielen praxisnah, was in einem Unternehmen wirklich geschieht, wenn es die Geheimniskrämerei abschafft und Mauern einreißt.

Angesprochen sind Führungskräfte, die verstehen wollen, wie Enterprise 2.0 ihr Unternehmen verändert. Entsprechend geißeln die Experten in ihrem "Kursbuch für Führungskräfte" all jene Manager, die noch immer meinen, sich mit Technik nicht befassen zu müssen. So schreibt Roebers:

"Ich habe einige Unternehmen kennen gelernt, bei denen die Einführung eines Wikis bis zu dem Zeitpunkt, in dem man das erste Dokument einfügen konnte, länger als zwölf Monate gedauert hat. Meiner Meinung nach hat das auch damit zu tun, dass es bei Führungskräften bis heute als hinnehmbar gilt, über keinerlei technische Kompetenz zu verfügen. Oft und gern wird damit sogar kokettiert. Dies führt dazu, dass auch der offensichtlichste Blödsinn des technischen Personals widerspruchslos hingenommen wird."

Durchgängig Social Software

Roebers, der diese Zeilen geschrieben hat, weiß als Vorstandsvorsitzender der Synaxon AG, wovon er spricht. Sein Unternehmen ist mit 2800 Anschlussbetrieben und einem Außenumsatz von drei Milliarden Euro Europas größte IT-Verbundgruppe – unter anderem gehört die Handelskette PC-Spezialist zum Konzern. Bei Synaxon hat Roebers durchgängig Social Software eingeführt und damit die Unternehmenskultur entscheidend verändert. Das Unternehmen entschied sich für die quelloffene MediaWiki-Software, die auch Wikipedia zugrunde liegt. Allein die Wahl dieser Software löste heftige Diskussionen aus: "

Unsere ITler rieten dringend davon ab, MediaWiki zu installieren. Sie empfahlen, erst einmal eine saubere Anforderung in ein Pflichtenheft zu schreiben, dann alle existierenden Wikis zu evaluieren und anschließend zu entscheiden, ob man ein bestehendes Wiki nimmt oder lieber ein neues schreibt. (...) Ich bin mir sicher, wären wir diesen Weg gegangen, hätten wir bis heute kein laufendes Wiki."

Die Offenheit und Ehrlichkeit der Autoren bereitet viel Lesevergnügen. Die Startphase der Wiki-Einführung, so gesteht Roebers, verlief äußerst zäh. Weil sie den Sinn der Plattform nicht erkannten oder Angst davor hatten, für ihre Kommentare sanktioniert zu werden, machten die Mitarbeiter zunächst kaum mit. Doch dann kam es zum großen Testfall:

Ein Mitarbeiter erdreistete sich, das vom Chef formulierte Unternehmensleitbild zu ändern. "Nachdem sich langsam meine Schnappatmung etwas beruhigt hatte, beschloss ich, erst einmal nichts zu tun. Ich wollte mindestens eine Nacht darüber schlafen, bevor ich die Änderung wieder zurücknahm. Am nächsten Tag habe ich mich mit meinen beiden Vorstandskollegen beraten. Wir kamen sehr schnell zu dem Entschluss, gar nichts zu tun. Es war uns klar, das gesamte Unternehmen würde diesen Vorgang genau beobachten."

"Web 2.0 im Unternehmen" will kein wissenschaftliches Werk sein. Den Autoren geht es darum, Führungskräften und anderen Interessierten weiterzuhelfen, wenn Social Software eingeführt werden soll. "Stay hungry, stay foolish!" schließen Leisenberg und Roebers ihr lesenwertes Buch mit den Worten von Steve Jobs. Dass die Autoren nach diesem Motto leben, ist in jeder Zeile zu spüren. (hv)