Microsofts weltweite Partnerkonferenz 2013

Warum Ballmer enttäuschte

11.07.2013
Von 
Alexander Roth leitet als Geschäftsführer die Geschicke und die Redaktion von Evernine. Der mit Prädikatsdiplom ausgestattete Volkswirt wechselte 2004 in die Medienbranche, wo er zuerst beim Wirtschafts- und Polittalksender Air America Radio in New York City in der Recherche tätig war und in einem weiteren Schritt, wieder zurück in Deutschland, eine zweijährige Festanstellung beim Medienhaus IDG (u.a. PC Welt, Computerwoche, ChannelPartner) inklusive Volontariat absolvierte. Auch ein Besuch der Akademie der Bayerischen Presse (ABP) gehörte zu seiner Ausbildung. 2007 gründete der Münchner (geb. 1977) das Redaktionsbüro Alexander Roth, das er zwischen 2010 und 2011 in die Evernine GmbH umwandelte.
Auch wenn es bisher nur Gerüchte sind: Microsofts Ankündigungen und Verhalten auf der weltweite Partnerkonferenz (WPC) weisen immer stärker auf eine klare Neuaufstellung hin, die auch das weltweite Partnernetz betreffen werden.

Jetzt ist es klar: Microsoft Weltpartnerkonferenz 2013 ist verstrichen, ohne dass die eigentlichen Hersteller-News die versammelte Partnergemeinde von knapp 15.000 Teilnehmern offiziell erreichten. Wenn sich nicht die gesamte IT-Experten-Gemeinde mit ihren Voraussagen irrt, wird Konzernchef Steve Ballmer seinen Konzern schon bald grundlegend umstellen. Die wichtigsten Änderungen, die vor allem Managementwechsel und Spartenrochaden beinhalten sollen - teilweise auch regional - werden wohl noch im Juli 2013 veröffentlicht, und zwar von Ballmer selbst, wie es heißt.

Die Partner-Community wurde in Texas dennoch nicht nur enttäuscht: Neben klaren strategischen Aussagen, Bekenntnissen zum Channel und News zum Partnerprogramm, gab Microsoft zudem vermutlich noch mehr von sich Preis als erwünscht.

Warum Ballmer enttäuschte

"Ich war von der Ballmers Keynote ziemlich enttäuscht", so lautete eine der häufigsten Aussagen, die sich unsere Partnerpublikation ChannelPartner am zweiten Konferenztag auf der deutschen Party vor den Toren Houstons einholte. In diesem Fall beschwerte sich der Chef eines Berliner Systemhauses, das rund 50 Mitarbeiter beschäftigt und sich in den Feldern Security, IT-Management, SharePoint und Office bewegt. Der Microsoft-Partner kam nach Texas, um "neue Stoßrichtungen des Konzerns in Erfahrung zu bringen." Warum war der Kollege enttäuscht? Weil Ballmer in diesem Jahr nicht bei seiner Rede auf den Tisch haute, wie er es so oft in den letzten Jahren getan hatte, um den neuen Kurs seines Unternehmens zu rechtfertigen. Auch fehlte aus Sicht vieler Partner "die Musik" in den Keynotes.

Nein, Ballmer präsentierte dagegen gemeinsam mit seinem Management, unter anderen Partnerchef Jon Roskill und COO Kevin Turner, sehr trocken die Markterfolge seines Konzerns aus dem Jahr 2013, etwa in den Bereichen Office 365, Windows Phone und Azure. Ein Beispiel: Microsoft zufolge erreicht Office 365 weltweit mittlerweile einen kumulierten Jahresumsatz von einer Milliarde Dollar, es sei die sich am schnellsten verkaufende Office-Suite aller Zeiten. Ballmer und Co zeigten zudem die Felder auf, die neben dem Office 365 und -Windows 8 Geschäft für Microsoft künftig kriegsentscheidend sind: Namentlich die Felder Mobility, Apps, Entertainment sowie Azure, Virtualisierung und CloudOS, gemeint sind offene und hybride Cloud-Architekturen, die von den Partnern kräftig mit Services versehen werden sollen. Flankierend zu diesen Themen fiel immer wieder der Satz: Wir sind auf dem Weg, eine "Services und Device-Company" zu werden.

Ein richtiges Highlight gab es denn doch: Windows 8.1., der Nachfolger von Windows 8, soll bereits im August 2013 fertig entwickelt sein und dann unmittelbar an die Hardware-Partner ausgeliefert werden: Der Channel werde bereits zum Jahresendendgeschäft Tablets, die mit dem neuen OS ausgeliefert sind, verkaufen. Man habe es auch verstanden, auf den Markt zu hören, so Ballmer. Schließlich stellt Microsoft eine Reihe von Initiativen und Incentives vor, die das Geschäft in den genannten Bereichen, vor allem im Umfeld des Microsoft Partner Network (MPN), ankurbeln sollen. Diese finden Sie zusammengefasst im Anschluss an diesen Artikel.

Managementwechsel auch in Deutschland

Doch was hielt Ballmer zurück, weitere Knaller auszupacken oder auf den Tisch zu hauen? Möglicherweise liegt der Grund ganz einfach darin, dass genau das erst nach Konferenz passieren soll. Wie immer mehr US-Branchenbeobachter und Blogger berichten, plant Steve Ballmer grundlegende Umstrukturierungen in seinem Haus. Daraufhin weist auch, dass bereits in den letzten Wochen einige prominente Microsoft-Manager ihren Ausstieg meldeten, ob freiwillig und nicht, sei jeweils dahingestellt.

Nun sind Management-Wechsel und -Ausstiege, insbesondere auf solchen Positionen, die schon seit längerem gleich besetzt sind, eigentlich nichts ungewöhnliches, doch überrascht die Dichte, in der weltweit in den vergangenen Monaten von "Sabbaticals" und Ausschieden zu lesen war. Deutsches Beispiel: Martin Berchtenbreiter, der als Direktor Mittelstand und Partner seit 2009 viele große Partner und Systemhäuser betreute, verlässt das Unternehmen. Das passierte zwar im Guten - Berchtenbreiter, der auf eine sehr erfolgreiche Zeit bei Microsoft zurückblickt, ließ es sich etwa nicht nehmen, persönlich auf der Konferenz seinen Nachfolger Floris van Heijst vorzustellen - doch waren auch im deutschen Lager einige Stimmen zu hören, die ChannlPartner zuflüsterten, bei dieser einen Personalie werde es nicht bleiben.

Es scheint klar: Wenn sich neue strategische Stoßrichtungen ankündigen, dann lockern sich Strukturen. Doch auch die Vertreter größerer Systemhäuser, mit denen unsere Publikation sprach, konnten keine Auskunft darüber geben, was sich bei Microsoft Deutschland in den kommenden Wochen und Monaten tun wird.

Interessenskonflikte im Konzern

Wie sehen nun Ballmers Stoßrichtungen aus? Für viele Marktbeobachter und Partner des Konzerns liegt es auf der Hand: Es gilt für Microsoft, Innovationskraft wiederzufinden und diese dauerhaft zu sichern. Microsoft hat sich zwar mit vielen interessanten, offenen und modernen Lösungen in beeindruckend vielen Bereichen wieder den Stempel "State Of The Art" oder zumindest "modern" gesichert, nachdem man einige Trends um einige Jahre verschlafen hatte. Doch jetzt scheinen die Strukturen zu fehlen, um dieses Portfolio schnell zu zusammenzuführen und in einem zweiten Schritt dann auch reaktiv und innovativ zu halten.

Alle Bereiche, in denen der Herstellerriese hinterhergehinkte, und die zu lange Zeit von Ballmer nur belächelt wurden, scheinen nun gut besetzt: So bietet Microsoft jetzt ein gutes mobiles touchfähiges Betriebssystem, mit Surface gar ein eigenes Tablet, mit Office365 eine immer beliebtere Cloud-Business-Suite, dazu kommen eine erfolgreiche Spielekonsole, ein mobiles Betriebssystem, eine Suchmaschine, sowie mit Azure und der neuen Vision des Visual Studios eine interessante Grundlage für Partner, moderne mobile Anwendungen und Cloud-Architekturen zu erschaffen, auch in Verbindung mit SQL-Datenbanken, das alles inzwischen sogar recht schnittstellenstark und offen, wie auch die jüngst bekannt gegebene Kooperation mit Wettbewerber Oracle belegt. Auch im Wachstumsbereich Social Business hat der Konzern aufgeholt, nachdem man sich für sehr teures Geld Yammer, das "Facebook für Firmen", wie es Marktbeobachter nennen, ins Haus holte und dank dessen Schnittstellenstärke jetzt auch Lösungen wie SharePoint und Dynamics mit modernen Social-Business-Funktionen ausgestattet sind.

Im Gegensatz zu dieser - so scheint es: fast allumfassenden - Welt, vom Rechenzentrum bis zur Spielekonsole, die Microsoft immer mehr aus einem Guss gestalten will, steht die aufgesplittete Konzernstruktur des Hauses, in der jeder Bereich eigene Interessen und finanziellen Ziele verfolgt, die sich an manchen Stellen gar gegenseitig zu blockieren, wie zumindest viele Insider-Experten immer wieder berichten. Welche Personalrochaden nun auch immer erfolgen werden, und welche Business-Units neu erschaffen beziehungsweise zusammengelegt werden, bleibt Spekulation. Laut US-Medien sind nur wenige Personen in Ballmers Pläne eingeweiht, nicht einmal die Top-Manager des Konzerns wissen offenbar, was Ihnen blüht. Sogar von Kevin Turner heißt es, es sei nicht sicher, wie lange er noch bleibt. Doch das ist, wie gesagt, Spekulation.

Fakt ist: Ballmer möchte mit neuen Strukturen Innovationsfähigkeit wiedergewinnen, sich zudem nicht stets für die Ergebnisse einzelne Konzernbereiche rechtfertigen müssen sowie den neuen Herausforderungen als "Service- und Device-Company" gerecht werden. Zweifelsfrei scheint zudem zu sein, dass Ballmer, so schwer sich Microsoft an mancher Stelle auch tut, unbedingt seine Partner weiter als zentrales Vertriebselement auf diese Reise mitnehmen will. Daran ließen Ballmer und sein Konzern in Houston auf der Hausmesse keine Zweifel.