Collaboration ist mehr als E-Mail

Warum arbeiten wir so wenig zusammen?

09.06.2008
Weil Unternehmen die Ellbogenmentalität ihrer Mitarbeiter fördern, sind sie nicht wirklich bereit, Informationen auszutauschen. Das muss sich dringend ändern.

Gute Frage, weil sie sicher zu den großen ungeklärten Phänomenen im Geschäftsleben gehört. Schlechte Frage, weil sie nur "weich" zu beantworten ist und weil zumindest in der IT niemand mehr Zusammenarbeit sagt, sondern nur noch "Collaboration". Mit dieser Bezeichnung hat man das Thema nicht nur um mindestens eine Dimension verkleinert, sondern die Industrie kann auch gleich Lösungen anbieten. Nach dem Motto: "Stimmt doch gar nicht, da gibts doch jede Menge Tools dafür", würde spätestens jetzt jeder IT-Experte Werkzeuge aufzählen - angefangen bei Microsoft und IBM über Oracle und Novell, Bea und EMC bis hin zu Google und quelloffenen Lösungen. Diese Produkte bilden praktisch jede Form der elektronischen Zusammenarbeit ab.

Christoph Witte, Herausgeber der COMPUTERWOCHE.
Christoph Witte, Herausgeber der COMPUTERWOCHE.
Foto: Christoph Witte

Komisch nur, dass E-Mail immer noch die einzige Form der elektronischen Zusammenarbeit ist, die sich wirklich durchgesetzt hat. Okay, das ist vielleicht übertrieben: Statt dauernd auf Achse zu sein, setzen wir jetzt auch schon mal eine Telefon- oder sogar Web-Konferenz an. Und einige benutzen Instant Messaging oder ein Web-Tool, um Dokumente gemeinsam zu bearbeiten. Aber Hand aufs Herz: Erstens fällt uns das schon schwer, und zweitens nutzen wir die erwähnten Tools in aller Regel ohne den Segen der IT-Abteilung. Die zentrale IT aktiviert meist nicht einmal die in den Mail-Systemen mitgelieferten Instant-Messaging-Funktionen (wird häufig mit Sicherheitsaspekten begründet). Die einzige Ausnahme bildet bisher der Sharepoint Server von Microsoft. Er erfreut sich in seiner aktuellen Version sogar hier in Deutschland größter Nachfrage. Allerdings wird auch seine Funktionalität bei weitem nicht ausgenutzt. Die Anwender beschränken sich darauf, ihn für Document-Sharing und Projektverwaltung einzusetzen. Funktionen wie den Aufbau von Wikis lassen die meisten links liegen. Wieso?

Wir - oder besser die Unternehmen, in denen wir arbeiten - wollen das im Grunde nicht. Die meisten begünstigen Konkurrenzkulturen. Der einzelne Mitarbeiter muss besser sein, mehr leisten, mehr Ideen haben und mehr Umsatz generieren als sein Kollege. Nur so kann er sich für den nächsten Karriereschritt empfehlen. Zusammengearbeitet wird in solchen Kulturen nur, wenn ein persönlicher Vorteil winkt. Aber den gibt es im Umgang mit Collaboration-Tools nicht - zumindest nicht sofort. Das Unternehmen hätte dagegen viel von besserer Zusammenarbeit: bessere Leistung, mehr Abstimmung, engere Beziehungen zu Kunden, kurz: mehr Effizienz. Dazu müsste es jedoch das Miteinander fördern und nicht das Gegeneinander. Wenn das nicht gelingt, können noch so viele Collaboration-Tools das Licht der Welt erblicken. Es werden weiterhin nur E-Mails verschickt.

Weitere Meinungsbeiträge und kurze Analysen finden Sie im Blog des Autors unter: www.wittes-welt.eu.