Spitzenmanager - kritisch betrachtet

Warum "Alpha-Tiere" in Firmen oft scheitern

16.05.2013
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Leitwölfe wollen gefordert werden

Eine solche Biografie ist aber kein Garant für einen Auftrag. Sie sorgt nur dafür, dass das Alpha-Tier an der Unternehmensspitze‚ "dem Berater fünf oder zehn Minuten Aufmerksamkeit schenkt", betont Peter Schreiber, Inhaber der Vertriebsberatung Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld (D). "In dieser Zeit muss der Consultant dem Top-Entscheider das Gefühl vermitteln: Ich ticke ähnlich wie Sie. Ich spreche Ihre Sprache und bin ein ähnlich ‚tougher guy’ - ähnlich schnell im Denken, aktiv und output-orientiert."

Dies gelingt Beratern nicht, indem sie dem Manager nach dem Mund reden. Im Gegenteil, konstatiert Dierke. "Top-Entscheider wollen spüren: Mir steht eine Person mit Haltung gegenüber; zudem ein Mensch mit Rückgrat, der wie ich bereit ist, Risiken einzugehen - selbst auf die Gefahr hin, das Mandat zu verlieren." Denn nur dann entstehe bei ihnen das Gefühl: Dieser Berater kann mich und meine Kollegen fordern. Und nur wenn ein CEO diesen Eindruck hat, schenkt er einem Berater mehr als fünf Minuten seiner wertvollen Zeit.

Denn: "Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren beraten werden", betont Dierke. Nur Menschen mit einer solchen Ausstrahlung akzeptieren sie als Sparringspartner. Und tun sie das, dann messen sie deren Aussagen auch Bedeutung bei. Denn Alpha-Tiere wollen etwas bewegen und Spuren hinterlassen. Deshalb sind sie an einer klaren Rückmeldung, wie sie ihre Wirksamkeit erhöhen könnten, interessiert.

Ziel: die Wirksamkeit in der Organisation erhöhen

Klar sollte externen Beratern laut Elisabeth Heinemann, Professorin für Schlüsselqualifikationen an der Fachhochschule Worms, jedoch sein: "Beim Coachen von oberen Führungskräften geht es nicht darum, individuelle Schwächen zu beseitigen. Denn als Individuen sind die Top Executives bereits spitze - sonst hätten sie ihre Position nicht erreicht." Das Ziel lautet vielmehr: ihre Wirksamkeit (in der Organisation) erhöhen. Und dies ist nur möglich, wenn klar ist: Wie wirkt der betreffende Top-Manager beziehungsweise sein Verhalten auf sein Umfeld? Und: Welche Verhaltensweisen schmälern seine Wirksamkeit?

Deshalb sollte, wenn es darum geht, die Wirksamkeit eines Top Executives zu erhöhen, stets auch das Feedback seiner Kooperationspartner eingeholt werden. Darüber sind sich alle befragten Experten einig. Doch nicht nur dies. Den Partnern sollte auch mitgeteilt werden, was die ermittelten "Knackpunkte" sind und an welchen Punkten sowie mit welchem Ziel die betreffende Person ihr Verhalten ändern möchte. Denn nichts verunsichert Kollegen und Mitarbeiter so sehr, wie wenn ein CEO plötzlich scheinbar unmotiviert sein Verhalten ändert. Hierdurch wird er für sie unberechenbar.

Ähnlich verhält es sich, wenn die Wirksamkeit eines Führungsteams erhöht werden soll. Auch dann ist laut Kai W. Dierke "eine übertriebene Geheimhaltung kontraproduktiv". Den Teammitgliedern müsse vielmehr rasch vermittelt werden: Dies ist keine Spaßveranstaltung. Im Gegenteil! Hier geht es darum, die Wirksamkeit ihres Teams so zu erhöhen, dass zum Beispiel der anstehende Turnaround konsequent und ohne Bereichsegoismen gemanagt wird.