Spitzenmanager - kritisch betrachtet

Warum "Alpha-Tiere" in Firmen oft scheitern

16.05.2013
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

CEO-Aufgaben sind nur bedingt "managebar"

Eine Ursache hierfür ist die Globalisierung der Wirtschaft und Internationalisierung der Kapitalmärkte. Durch sie wurden die Aufgaben der CEOs so komplex, dass sie nur noch bedingt "gemanagt" werden können. Das zeigt bereits die Unterschiedlichkeit der Anlässe, die in den vergangenen Jahren zum Aus von Top-Managern führten. Vielfach können die CEOs nur noch eine Risikominimierung betreiben, bei der sie die Dilemmata, vor denen sie bei ihrer Arbeit stehen, stets neu ausbalancieren. Dasselbe gilt für die oft widersprüchlichen Interessen der Stakeholder wie Anteilseigner und Banken, Kunden und Mitarbeiter.

Hierfür müssen die CEOs nicht nur sicherstellen, dass in ihrer Organisation die richtigen Leute in den richtigen Führungspositionen sitzen. "Vor allem müssen sie mit ihren Vorstandskollegen sowie den Leitern der Unternehmenseinheiten ein Hochleistungsteam bilden." Davon ist Dr. Kai W. Dierke, geschäftsführender Gesellschafter der Top-Managementberatung Dierke Houben AG, Zürich-Engelberg (CH), überzeugt. "Denn als heroische Einzelkämpfer können sie die Erwartungen der Stakeholder nicht erfüllen."

Und hier beginnt das Problem. In die Top-Etagen der Unternehmen, zumindest der großen Kapitalgesellschaften, gelangen in der Regel nur "Alpha-Tiere" - Menschen also, die aktiv die Führungsverantwortung suchen. Und in eine solche "Leitwolf"-Position steigen sie mit der Zeit auch auf. Denn auf ihrem Weg nach oben beweisen sie immer wieder, dass sie Organisationen erfolgreicher führen können als ihre Konkurrenten - aufgrund ihrer analytischen Intelligenz, ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie ihrer Durchsetzungsstärke.

Das prägt ihr Selbstbild und ihre Sicht auf Menschen, Situationen und Konstellationen - zudem ihr Verhalten. "Alpha-Männer und -Frauen lieben Zahlen, Daten und Fakten", betont Dierke. Die "weichen Faktoren" im Management hingegen sind meist nicht ihre Welt. Und als brillante Analytiker haben sie oft schon ihre Lösung parat, wenn ihre Gesprächspartner noch versuchen, das Problem zu verstehen. Entsprechend ungeduldig und unduldsam reagieren sie zuweilen. Und entsprechend dominant, ja einschüchternd ist oft ihr Auftritt.

CEOs müssen wirkungsvolle Leader sein

Doch dann sind sie an der Spitze. Und plötzlich sind ihre engsten Mitstreiter ebenfalls "Alpha-Tiere". Und mit diesen müssen sie kooperieren und ein High-Performance-Team bilden. Das erfordert von den Top Executives teils andere Fähigkeiten als diejenigen, die sie auf dem Weg nach oben bewiesen haben, betont Dr. Georg Kraus, geschäftsführender Gesellschafter der Change-Management-Beratung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (D). Denn bisher bestand ihre Aufgabe weitgehend darin, dafür zu sorgen, dass die aus dem Tagesgeschäft sich ergebenden Aufgaben erfüllt werden; zudem überwachten sie das Erreichen der operativen Ziele.

"Nun müssen sie andere Menschen inspirieren und dazu motivieren, sofern nötig, gewohnte Pfade zu verlassen." Das haben die CEOs zuvor zwar auch getan - zum Beispiel als Leiter einer Unternehmenseinheit. Doch nun ist dies eine ihrer Kernaufgaben. Und ihre Gegenüber sind wie sie "Alpha-Tiere". Entsprechend vielfältig sind die Reibungspunkte auf der Top-Ebene von Unternehmen - "auch weil sich deren Mitglieder meist ähnlich misstrauisch beäugen wie konkurrierende Rüden in einem Wolfsrudel". Trotzdem müssen sie kooperieren, "obwohl die meisten Alpha-Tiere eher Einzelkämpfer als Teamplayer sind", so Kraus.