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Jährliche Gebühren belasten IT-Budgets erheblich

Wartungsverträge ärgern viele Anwender

18.07.2003
Neue Software will sich derzeit kaum ein Unternehmen leisten, doch auch die installierten Systeme verursachen Kosten. Anwender suchen nach Wegen, die Gebühren zu drücken.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Neue Software will sich derzeit kaum ein Unternehmen leisten, doch auch die installierten Systeme verursachen Kosten. Wartungsgebühren zwischen 15 und 25 Prozent vom Anschaffungspreis müssen Firmen pro Jahr für Updates und Support entrichten. Anwender suchen nach Wegen, die Gebühren zu drücken.

Im Rahmen ihrer Wartungsverträge erhalten die Kunden je nach Vereinbarung Updates, Patches und Support. Insbesondere bei großen ERP-Installationen fallen so jedes Jahr enorme Kosten an: Bei 20 Prozent Wartungsgebühr hat der Anwender die Software nach fünfjährigem Betrieb ein zweites Mal bezahlt.

Zu den Leistungen zählen insbesondere kontinuierliche Updates. Hinzu kommen etwa in Personal-Management-Modulen oder Finanzbuchhaltungssystemen vom Gesetzgeber vorgeschriebene Änderungen. Je nach Vertrag sind auch Supportleistungen enthalten, etwa eine Telefon-Hotline, Beratung und Unterstützung bei Release-Wechseln. So decken SAPs Konditionen zum Beispiel die Fernwartung von Systemen ab, um Störungen beim Kunden zu beheben. Bei Oracle wählt der Kunde, ob er nur Software-Updates oder auch den Support möchte.

Wartungseinnahmen machen mittlerweile einen Großteil des Umsatzes von Softwarehäusern aus. ERP-Marktführer SAP erzielte im ersten Quartal 2003 einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro, davon entfielen auf Wartungserlöse 608 Millionen Euro, während der Softwareumsatz, also der Verkauf von Benutzerlizenzen, 352 Millionen Euro umfasste. Bei anderen Herstellern ist die Differenz zwischen Wartungs- und Lizenzumsatz noch größer. Für das Fiskaljahr 2002 wies Peoplesoft 530 Millionen Dollar an Lizenzerlösen aus. Dem stehen 1,4 Milliarden Dollar an Einnahmen aus Services gegenüber. "In Zeiten schwacher Konjunktur und zurückgehender Neukundengeschäfte sind die Einahmen aus Wartungsgebühren für die Anbieter überlebenswichtig", urteilt Thorsten Lücke, Bereichsleiter Produktions-Management am Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) in Aachen.

Da auch die Anwenderunternehmen schwierige Zeiten durchleben, fragen sie sich vermehrt, ob sie für ihre Zahlungen einen angemessenen Gegenwert erhalten. Zwar stellen Firmen den Sinn und Zweck der Wartung nicht grundsätzlich in Frage, doch der Kostendruck verleitet sie dazu, sich über die Höhe der Aufwendungen Gedanken zu machen. "Es gab schon immer Bestrebungen seitens der Anwender, die Wartungsgebühren zu drücken, doch in letzter Zeit verstärkt sich der Trend", hat Rüdiger Spies, Vice President Enterprise Applications bei der Meta Group in Ismaning, festgestellt. Anlass dazu gibt es offenbar: "Die Wartungsverträge bewegen sich an der oberen Grenze dessen, was im Rahmen eines Kosten-Nutzen-Verhältnisses akzeptabel ist", kritisiert Elmar Alhäuser, Abteilungsleiter Finanzen und Organisation beim Deutschen Wetterdienst in Frankfurt am Main. Die Meteorologen nutzen Datenbanken sowie die das ERP-Paket "E-Business-Suite" von Oracle. Andere werden noch

deutlicher: "Die Anwender befinden sich in einem Gefängnis, und der Wärter hat den Schlüssel verloren, sie kommen da nicht mehr raus", umschreibt Peter Mischok die Situation. Er ist Geschäftsführer des Papiergroßhändlers Igepa Papertec und zugleich Vorsitzender der J.D. Edwards German User Group in Münster. "Der Mittelstand kann die hohen Wartungsgebühren nicht mehr zahlen." Zudem reichen nach Mischoks Ansicht die Gegenleistungen nicht aus.

Leistungen sind kaum vergleichbar

Bei SAP beträgt die jährliche Wartungsgebühr 17 Prozent der Kaufsumme. Peoplesoft verlangt 20 Prozent, für Oracles Maintenance-Leistungen zahlen Kunden bis zu 22 Prozent, Siebels Forderungen pendeln sich zwischen 15 und 22 Prozent ein. Allerdings lassen sich die Wartungsdienste der Hersteller nur schwer miteinander vergleichen. Der Prozentsatz allein sagt wenig über die angebotenen Dienste sowie deren Qualität aus. Was zum Beispiel Oracle-Kunden mehr stört als die Wartungskosten, ist der schlechte Support. Anwender müssen sich bei Problemen mit dem wenig transparenten Web-Support-System "Metalink" auseinander setzen.

Die Deutsche Oracle Anwendergruppe (DOAG) hat dieses Problem des Öfteren angesprochen - offenbar mit Erfolg: "Der Hersteller hat zumindest für Deutschland Besserung gelobt", bemerkt der DOAG-Vorsitzende Fried Saacke. Seiner Ansicht nach liegen die von Oracle geforderten Wartungsgebühren für Datenbanksoftware im branchenüblichen Rahmen. Zudem habe der Hersteller in den letzten Jahren die Gebühren nicht erhöht. "In diesem Punkt ist Oracle ausnahmsweise mal beständig", so Saacke. Das Unternehmen bietet zwei unterschiedliche Wartungspakete an. Der Kunde kann wählen, ob er nur die Upgrades für die Datenbanksoftware möchte oder zusätzlich auch den Support. Andere Anbieter offerieren Upgrades und Support nur gemeinsam.

Die meisten Softwarehäuser lassen nicht mit sich reden, wenn es um die Höhe der Wartungsgebühren geht. Während sie bei den Lizenzkosten Zugeständnisse machen, gibt es für Maintenance-Verträge kaum Spielraum. "Wartungsverträge sind eine heilige Kuh, über die Höhe lässt sich nicht verhandeln", so Frank Schäfer, Geschäftsführer der IWKA Informationssysteme, der IT-Dienstleistungsgesellschaft im Industriekonzern IWKA mit Sitz in Stutensee. Die Anbieter seien eher bereit, den Kunden Zusatzleistungen wie etwa Schulungen zu spendieren, als den Prozentsatz der Wartungskosten zu senken.

Trotzdem gibt es Möglichkeiten, auch an Wartungskosten zu sparen. Die amerikanische CW-Schwesterpublikation "CIO" befragte IT-Vorstände, welche Möglichkeiten sich bieten, um mit Herstellern zu verhandeln. Ihre Empfehlungen: Zunächst sollten die Anwender die Wartungsverträge auf der Grundlage des verhandelten Kaufpreises und nicht des Listenpreises der Software abschließen. Manche CIOs brüsten sich damit, auf diese Weise bis zu 40 Prozent gespart zu haben. Zudem seien die IT-Manager gut beraten, die Wartungsgebühr auf mehrere Jahre vertraglich festzuschreiben, vergleichbar mit der Zinsbindung eines Bankkredits. Wie die Geldinstitute neigen auch Softwarefirmen dazu, ihre Forderungen der wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Auf einen weiteren Spartipp weist Lücke vom FIR hin: Anwender sollten darauf achten, keine Wartungsverpflichtung für den Installationszeitraum einzugehen und erst nach der Inbetriebnahme der Software zu zahlen.

Ein zusätzliches Kostenrisiko in Sachen Maintenance ergibt sich aus der Anzahl der erworbenen Lizenzen. Ob diese im Einsatz sind oder nicht: Auf jeden Fall zahlt der Kunde für jede Lizenz Wartungsgebühren. Unternehmen sollten also die Software, die sie gekauft haben, möglichst vollständig nutzen und gegebenenfalls nachkaufen. Die Praxis sieht aber anders aus: Bei Einführung einer Business-Software erwerben Unternehmen üblicherweise eine bestimmte Anzahl Benutzerlizenzen, die später aber nicht alle gebraucht werden. Laut Alexa Bona, Research Director beim Beratungshaus Gartner, lagern manchmal bis zu 40 Prozent der Benutzerlizenzen ungenutzt im Schrank. Prinzipiell können Unternehmen versuchen, ihre Wartungskosten durch Abzug der nicht genutzten Lizenzen zu kürzen, doch darauf sind die Softwareanbieter vorbereitet.

Kenner können pokern

Wer beispielsweise mit SAP einen Wartungsvertrag abschließen möchte, der nur die genutzten R/3-Lizenzen betrifft, wird möglicherweise auf ein anderes Lizenzmodell verpflichtet. "Der Anwender muss in diesem Fall einen mySAP-Vertrag eingehen, der besagt, dass für mindestens 25 Prozent der Mitarbeiter eine SAP-Benutzerlizenz anzuschaffen ist", erklärt Helmuth Gümbel, Managing Partner beim Beratungshaus Strategy Partners International in Scuol, Schweiz. Damit sei unter Umständen der erwartete Preisvorteil dahin.

Üblicherweise verhandeln Hersteller und Kunde über den gesamten Preis der Lösung, also Lizenzen und Wartung. "Das erste Angebot des Softwarelieferanten ist meistens schlichtweg indiskutabel", kritisiert Alhäuser vom Deutschen Wetterdienst. Nur durch hartes Verhandeln konnten er und sein Team akzeptable Wartungsgebühren für Oracles Datenbanksoftware und ERP-Lösung vereinbaren. "Das setzt eine sehr gute Kenntnis der Lösungen und Verträge des Herstellers voraus, denn auf der Gegenseite sitzen Experten, die täglich Vertragsverhandlungen führen." Zur beliebten Taktik der Softwarehäuser zähle es, dem Kunden Nachlässe bei Lizenzkäufen zu gewähren, diese aber dann über die Wartung wieder hereinzuholen.

Beim Wartungspoker ist Fachwissen gefragt, da die Verträge der Anbieter oft alles andere als klar verständlich sind. Bei SAP richtet sich die Höhe der Wartungsgebühr unter anderem nach der Größe des Wertkontrakts. Ab einer Lizenzsumme von 1,5 Millionen Euro verpflichtet sich der Anwender, ein Customer Competence Center im eigenen Haus einzurichten, das unter anderem den First-Level-Support für die Benutzer übernimmt. Im Gegenzug zieht SAP als Berechnungsgrundlage der Wartungskosten den ausgehandelten Lizenzpreis und nicht, wie sonst üblich, den Listenpreis heran. Gartner-Expertin Bona glaubt jedoch nicht an einen Vorteil für SAP-Kunden: "Andere Anbieter berechnen die Gebühr für die Softwarepflege auch nur auf der Grundlage des ausgehandelten Kaufpreises, wenn der Anwender geschickt verhandelt, ohne dass der dafür ein Competence Center einrichten muss."

So schmerzhaft die Maintenance-Kosten auch sind, grundsätzliche Zweifel an der Notwendigkeit von Wartungsverträgen gibt es kaum. "Dies ist im Interesse der Kunden, ich sehe da keinen Verstoß gegen die derzeitigen Industriegepflogenheiten", bemerkt Meta-Group-Experte Spies. "Die Wartung von Standardsoftware ist eine Versicherung für den Anwender", meint auch Gümbel von Strategy Partners. Mit den Gebühren stelle der Kunde sicher, dass die Software gepflegt wird und er Support dafür erhält.

Trotzdem bleiben viele offene Fragen, etwa die nach der Flexibilität von Wartungsverträgen. Vor allem bei der Erstinstallation oder bei Release-Wechseln benötigen Anwender Unterstützung, sie zahlen jedoch auch in der Zwischenzeit den vollen Betrag für Wartung. Die Hersteller vertreten die Ansicht, dass ihre Kunden trotzdem auf ihre Kosten kommen. "Die über die Wartung bereitgestellten Funktionserweiterungen könnte ein Kunde niemals zum gleichen Preis selbst programmieren", argumentiert beispielsweise Claus Heinrich, Entwicklungsvorstand der SAP.

Sicher ist jedoch auch, dass Maintenance den Anbietern einen kontinuierlichen Umsatzfluss garantiert, der von Konjunkturkrisen nicht unterbrochen wird. Die Softwareschmieden verwenden die Wartungsgebühren nicht nur dazu, die beim Kunden installierte Software zu verbessern, sondern sie finanzieren damit auch die Entwicklung neuer Produkte. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Marktforschungsunternehmens AMR Research aus dem Jahr 2002 wandern 20 bis 50 Prozent der Wartungseinnahmen in neue Software.

Kunden brauchen keine Kosmetik

Für die Kunden ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits wünschen sie sich, dass ihre Produkte weiterentwickelt werden, andererseits können sie auf kosmetische Anpassungen verzichten - erst recht, wenn diese mit einem Release-Wechsel und hohen Kosten verbunden sind. Die Anbieter lassen ihnen jedoch keine Wahl. Oracle beispielsweise wird den Support für die Version 8 seiner Datenbank zum Jahresende beenden und zwingt Firmen so, auf das Release 9 zu migrieren. Auch SAP-Anwender der R/3-Releases 3.1I, 4.0B, 4.5B und 4.6B stehen unter Zugzwang: Der Wartungszeitraum dieser Produkte ist auf Ende 2003 befristet. Danach muss sich der Kunde, will er nicht auf 4.6c oder R/3 Enterprise upgraden, um eine einjährige Verlängerung der Wartung bewerben. Stimmen die Walldorfer dem Antrag zu, zahlt der Kunde statt 17 Prozent dann 19 Prozent der Kaufsumme für die Pflege seiner Altsysteme. SAP behält sich das Recht vor, über jede Verlängerung eines Wartungsvertrags

selbst zu entscheiden. Exotische Installationen oder wenig verbreitete Länderversionen haben nach Expertenmeinung geringe Chancen. Die Softwarehäuser wollen ältere Releases nicht mehr pflegen, weil die Kosten mit der Vielfahlt der zu unterstützenden Versionen steigen. Zudem können sie aus technischen Gründen oft nur Kunden mit aktuellen Versionen neu entwickelte Produkte anbieten.

Die Menge der Softwareerweitungen, die Kunden über die Wartung erhalten, ist begrenzt. Einige Anbieter deklarieren neue Funktionen für Kunden unerwartet als lizenzpflichtig. Andere unterscheiden zuweilen zwischen Maintenance-(Wartungs-)Releases und Major Releases. Erstere bezieht der Kunde im Rahmen seines Wartungskontrakts, für Zweiteres bittet ihn sein Lieferant zusätzlich zur Kasse. Manchmal ändert sich die Konstellation sogar von Version zu Version: Großen Unmut verursachte zum Beispiel Oracles Preispolitik in puncto Clustering. Wer eine Datenbank mit Cluster-Option ("Oracle Parallel Server") unter Version 8 betrieben hatte, muss für das mit Version 9 eingeführte "9i Real Application Cluster" (RAC) trotz Wartungsvertrags extra zahlen.

Vertragsänderungen on the fly

Auch Peoplesoft hat schon Kunden vor den Kopf gestoßen. So mussten laut Gartner-Analystin Bona manche Anwender älterer Programmversionen für eine Migration auf das Release 8 praktisch die Software erneut kaufen, da sich in der Zwischenzeit sowohl die Lizenz- als auch die Wartungsverträge geändert hatten. Anpassungen in den Vertragsbedingungen sind für Bona keine Seltenheit. So komme es vor, dass Hersteller die Anzahl der Benutzer, welche die Support-Hotline anrufen dürfen, einschränken.

Viele Firmen fürchten, ihre Lieferanten könnten ob des flauen Absatzes neuer Lizenzen an der Wartungsschraube drehen. Zwar würden Hersteller vermutlich liebend gern die Gebühren weiter erhöhen, doch Experten halten das zumindest im Augenblick für unwahrscheinlich. "Die derzeitige Situation in der Softwareindustrie lässt höhere Wartungsgebühren einfach nicht zu", glaubt Meta-Group-Experte Spies. "Dies zeigt sich auch darin, dass Unternehmen, die aufgrund besonderer Lizenzvereinbarungen bis zu 50 Prozent Wartungsgebühr verlangen, wie beispielsweise SAS Institute, es sehr schwer haben, dieses Geschäftsgebaren aufrechtzuerhalten." Der Druck der Kunden sei zu groß.

Microsoft scheint das nicht zu beeindrucken. In Sachen Wartungskosten hat der Konzern in letzter Zeit die Gemüter am stärksten erhitzt. Das seit August 2002 geltende Lizenzmodell "Licence 6" sieht im Rahmen der "Software Assurance" jährliche Gebühren von 29 Prozent für Desktop- und 25 Prozent für Server-Produkte vor. Mit Software Assurance stellt der Konzern das bisherige Verfahren des Versions-Upgrades zugunsten eines Wartungsmodells ein. Wer die Assurance nicht will, muss für einen Release-Wechsel eine Vollversion kaufen. Mittlerweile hat Microsoft Fehler eingeräumt, hält aber an der Höhe der Forderungen fest. Zur Besänftigung der Kunden bietet die Firma kostenlose Zusatzdienste an, etwa Web- oder Telefonsupport und Gutscheine für Schulungen. (fn)