DV Nachwuchsprobleme:

Warten auf den Klapperstorch?

18.07.1980

Die Schuld an der DV-Ausbildungsmisere (guter Nachwuchs ist rar) gibt Michael Sigesmund von Etienne Aigner in München den öffentlichen Bildungsträgern: "Was nützt der erkennbare Ansatz einer Verbesserung dieser Situation", fragt der Org/DV-Chef, "wenn noch immer in den Haupt- und Realschulen sogar der Taschenrechner verpönt ist, in den Gymnasien Datenverarbeitung einseitig in Richtung Informatik ausgelegt wird und die an einigen Hochschulen teilweise hervorragend ausgebildeten Informatiker für die Praxis ungeeignet sind?" Hauptverantwortlich für den Nachwuchs-Gap sind dagegen nach Meinung von Konrad Siemon, Org/DV-Leiter bei der Accumulatorenfabrik Sonnenschein, die Massenmedien. Tagespresse, Funk und Fernsehen würden den Computer entweder verteufeln oder zum Heilsbringer und Alleskönner hochjubeln. Der Jugendliche, der unmittelbar vor seiner Berufswahl stehe, sei deshalb völlig verunsichert. Geradezu ketzerisch mag indessen die Frage von Org/DV-Chef Michael Schmidt erscheinen: "Gibt es heute wirklich zu wenig DV-Nachwuchs, oder ist nicht eher aus einer EDV-Euphorie heraus und dem damit einhergehenden Ehrgeiz entstanden?" ha

Wasyl Hasyn, Leiter der Abteilung ORG/EDV, Batscheider Knäckebrotfabrik Lieken & Batscheider GmbH & Co. KG, Deisenhofen (Honeywell Bull 64/20, GCOS)

Für junge Menschen, die kurz vor ihrer Berufswahl stehen, darf ein Basis-EDV-Wissen heute kein Minus mehr sein. In den meisten Fällen wird der Mensch in seinem Berufsleben wenn auch mittelbar - mit der EDV konfrontiert. Der Bund und die Kultusministerien haben dieses Zeichen der Zeit zwar erkannt wissen aber offensichtlich nicht recht, diese Wissenslücke zu schließen.

1969 wurde der "Datenverarbeitungskaufmann" aus der Taufe gehoben. Dieser Beruf hat sich jedoch nicht etablieren können, da 1973 für kaufmännisch orientierte Lehrberufe die Vermittlung von EDV-Grundkenntnissen während der Ausbildung vorgeschrieben wurde.

An den Berufsschulen gibt es zwar das Fach "Datenverarbeitung". Doch mit welchem Effekt?

Allgemeine Begriffe wie "Hardware", "Software" kennen die Auszubildenden nicht. Statt dessen wissen sie, daß der Computer nur "0" und "1" kennt und haben im Dualsystem alle vier Rechenarten geübt. Diese vorsintflutliche und praxisfremde Art der Wissensvermittlung kann kaum dazu beitragen, junge Menschen für einen EDV-Beruf zu begeistern.

Ziel sollte es doch sein, den Computer zu "entmystifizieren" und den Berufsschülern ein unkompliziertes Verhältnis zur EDV zu ermöglichen. Dies wäre ein guter Ansatz zur Förderung des EDV-Nachwuchses .

Doch wie sieht es heute mit einer spezifischen EDV-Ausbildung aus?

Soweit man nicht das Glück hat, betriebsintern über Schulungszentren der Hersteller ausgebildet zu werden, ist man auf öffentliche Institutionen angewiesen. Die DV-Bildungszentren des Staates verzeichnen in den letzten Jahren ständig sinkende Einschreibquoten und verlieren damit immer mehr an Bedeutung.

Ein Grund hierfür ist sicherlich die mangelnde praktische Ausbildung, und gerade diese wird heute auch von "EDV-Newcomern" erwartet. EDV-Verantwortliche verlassen sich daher lieber auf die Schulungszentren der Hersteller. Wie sonst ist es zu erklären, daß eben diese Schulungszentren in zunehmendem Maße auch von Privatschülern besucht werden und stets ausgebucht sind.

Daneben gibt es eine Reihe von privaten DV-Schulen, deren Absolventen - DV-Organisatoren - eine relativ geringe Chance haben, in der Datenverarbeitung Fuß zu fassen.

Gute Aussichten haben aufgrund ihres umfangreichen Praxis-Wissens die Informatiker. Mit diesem relativ neuen Berufsbild versucht der Staat, dem gestiegenen Anforderungsprofil an EDV-Berufen gerecht zu werden. Doch sind bereits Kritiken bezüglich einer zu praxisfremden Ausbildung laut geworden. Produziert der Staat etwa an der Ausbildung von qualifizierten EDV-Kräften vorbei? Nun die Ausbildungspläne der Kultusministerien sowie die staatlichen Maßnahmen tragen wohl momentan kaum dazu bei, den EDV-Nachwuchs zu fördern.

Viele Unternehmen - und dies sind nicht nur Klein- und Mittelbetriebe - bilden ihren EDV-Nachwuchs nach wie vor auf eigene Kosten aus, nach dem Motto: "Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach."

Friedhelm Holtz

Leiter der Organisation und Betriebswirtschaft, AHC-Oberflächentechnik, Friebe & Reininghaus GmbH & Co. KG, Kerpen/Erft (IBM /34, /32)

Wer heute als EDV-Verantwortlicher vor einer Personalinvestition steht dem wird, obwohl der Gesamtpersonalmarkt von einer hohen Arbeitslosenquote gekennzeichnet ist, der Weg nicht leicht gemacht. Ausschlaggebend für dieses Beschaffungsprobleme dürfte einerseits des geringe Arbeitskraftpotential sein (die Arbeitsquote ist beim EDV-Personal wesentlich geringer, als in den übrigen Sparten); andererseits halte ich den Rückgang der Mitte der 60er bis Anfang der 70er Jahre bestehenden hohen Fluktuationsraten für verantwortlich.

Verschärfende Wirkung brachte die Nichtbeachtung der Personalbedarfsprognosen (Bundesministerium für Wissenschaft; Diebold-Statistik) und die unzureichenden Personalinvestitionen während der volkswirtschaftlich rezessiven Jahre von 1973 bis 1976. Gleichzeitig vollzog sich die Kompensation der Arbeitsplatzrationalisierungen zu Lasten der EDV, wobei vor der EDV zunehmend Unterstützung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit gefordert wurde. Den Abschluß dieser Ursachenkette bildet das in den letzten Jahren verbesserte Angebot an Anwendungs- und Softwaretechnologien (Distributed Processing, Bildschirmanwendungen, DBs), deren Einsatz vor allen Dingen hochwertiges Personal erfordert.

Das Fazit dieser Kausalbetrachtung läßt die heute gegebene Personalsituation verdeutlichen: Der hohen Nachfrage steht kein qualifiziertes Personalangebot gegenüber. Dementsprechend ist das Verhalten der Unternehmen ausgerichtet, nämlich:

1. Das Sichern des vorhandenen qualifizierten Personals um (fast) jeden Preis.

2. Der Versuch, auf dem Weg der Abwerbung qualifiziertes Personal zu bekommen

Spätestens hier stellt sich die Frage, welchen Stellenwert die Nachwuchsausbildung beziehungsweise die Nachwuchsförderung besitzt.

Zunächst muß man voraussetzen, daß der Newcomer auf dem EDV-Sektor nur dann eine Chance hat sich zu profilieren, wenn die Qualität der Ausbildung hoch genug ist und stark praxisorientiert beziehungsweise durch einen praktischen Ausbildungsabschnitt untermauert ist.

Diese Voraussetzungen sind jedoch noch kein Freibrief für den Einstieg in die EDV. Entscheidend hierfür ist der Nachweis einer praktischen Tätigkeit in einer EDV-Abteilung, die in der Regel mit zwei Jahren bemessen ist. Betrachtet man die Ausbildungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik, so gibt es

1. die betriebsinterne Aus- und Weiterbildung

2. die Lehrberufsausbildung zum DV-Kaufmann oder Organisationsprogrammierer,

3. die Fachschulausbildung

4. die Ausbildung an Privatinstituten (DGB) einschließlich Fernlehrgängen oder herstellerorientierte Ausbildung (CD-lnstitut, Nixdorf)

5. die Fachhochschul-/Hochschulausbildung.

Die Auszubildenden haben nur eine reale Einstiegschance, wenn ihnen Punkt 1 oder 2 ermöglicht wird. Diese Möglichkeiten werden jedoch ausschließlich von Großunternehmen angeboten, unter der Restriktion daß nur der eigene Personalbedarf gedeckt wird. Die Zahl der Auszubildenden dürfte nach meinen Erfahrungen mit fünf Kandidaten pro Jahr und Unternehmen der Regelfall sein.

Wesentlich schwieriger sind die Einstiegschancen bei den verbleibenden Ausbildungsmöglichkeiten. Für DV-lnteressenten, die aus eigenem Entschluß eine Ausbildung an einer Fachschule oder einem Privatinstitut begonnen und abgeschlossen haben, tun sich in der Praxis nur minimale Chancen auf. Vermutlich sind diese Personen unter den Arbeitslosen zu finden oder entgegen ihrer Berufsausbildung in verwandten oder anderen Sparten tätig. Nicht viel anders ergeht es den Fachhochschul- und Hochschulabsolventen, die ihre Chance nur durch vereinzelte Nachwuchsausbildungs- oder Traineeprogramme der Großunternehmen geboten bekommen. Hier stellt sich die Frage, woran die Neulinge in der EDV-Branche scheitern. Entscheidend dürfte das Fehlen der praktischen Erfahrung und mögliche qualitative Mängel in der Ausbildung sein. Die Ablehnung dieser Kandidaten ist aus der Sicht der EDV-Leiter wie folgt zu begründen:

- Die Fundamentalausbildung muß unter hohen Kosten den betrieblichen Erfordernissen angepaßt werden.

- Diese Ausbildung ist mit etwa zwei Jahren relativ langwierig. In dieser Zeit ist der Mitarbeiter nur bedingt einsetzbar und in seiner Tätigkeit wenig effizient - und daß, obwohl die Zielkonstellation die sofortige Mitarbeit erfordert.

- Die in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Anforderungen (komplexere Betriebssysteme neue Programmier- und Anwendungstechniken) lassen sich nur mit Profis realisieren.

- Mangelhafte Fundamentalausbildung.

- Unzureichende (oder gar keine) Auslesemöglichkeiten auf Seiten der EDV-Leiter.

Das Problem liegt weniger darin, daß der Markt nicht genug Personal bereitstellen kann, sondern ist vielmehr begründet durch die unzureichende Ausbildungsqualität des Personalangebotes in puncto Praxisbezug. Andererseits scheuen die EDV-Leiter den zeitaufwendigen und kostenintensiven Sekundarausbildungsweg im Unternehmen.

Langfristig sehe ich nur dann Möglichkeiten dieses Dilemma zu beenden, wenn die Qualität der Fundamentalausbildung des Personalangebotes verbessert wird und ein praktischer Ausbildungsweg in Form einer Kooperation "Ausbildungsstätte - Arbeitgeber" möglich ist. Denkbar sind Praktika oder befristete Anstellungsverträge während der Ausbildungszeit.

Auch das Risiko der Fehlinvestition auf Unternehmerseite muß gemindert werden, sei es in Form längerer - aber arbeitsrechtlich bedenklicher- Bindung des Auszubildenden an das Unternehmen oder in der Art, daß der Auszubildende an den Ausbildungskosten beteiligt wird. Gleichzeitig sollte eine wirksamere Personalbedarfsplanung auf Unternehmerseite betrieben werden.

Ohne diese Maßnahmen wird sich am Status der qualifizierten Datenverarbeiter (rar und teuer) wenig ändern. Vielmehr ist zu vermuten, daß aufgrund weiterentwickelter Techniken und dadurch bedingter erhöhter Anforderungen an das Personal, diese Situation noch verschärft wird.

Konrad Siemon, Leiter der Organisation und Datenverarbeitung Accumulatorenfabrik Sonnenschein GmbH, Büdingen

Hinter dieser Fragestellung versteckt sich zuerst eine Behauptung, die Behauptung - die wir aus unserer Erfahrung nachdrücklich bestätigen daß es zu wenig Software-Macher und erhebliche Probleme bei der Beschaffung neuer Mitarbeiter gibt.

Dies wird allgemein und im Kollegenkreis bestätigt, es wird sogar über Ursachen einer DV-Personalkrise diskutiert.

Grob vereinfacht ist zuerst die Antwort auf zwei Fragen zu suchen:

- Werden jetzt (und in Zukunft) mehr Programmierer gebraucht als vor fünf Jahren? Und das trotz verbesserter Methoden, trotz interaktiver Programmierung trotz benutzerfreundlicher Datei-Abfragesprache etc.?

- Werden weniger Nachwuchskräfte ausgebildet als noch vor fünf Jahren, auch "nur" relativ weniger?

Eine weitere Personallücke ist doch - bei gleichem Ausbildungsvolumen - schon heute zu prognostizieren. Schauen wir uns das Altersprofil der DV-Arbeiter an! Die meisten der "alten Hasen" sind im "besten Mannesalter", nämlich zwischen 40 und 50 Jahren.

Da der verstärkte natürliche Abgang also frühestens Anfang der 90er Jahre einsetzt, ist eine weitere Verknappung am DV-Personal-Markt zu erwarten, wenn die Ausbildung des Nachwuchses nicht gezielt verstärkt wird.

Wodurch und wie können also junge Menschen motiviert werden, sich für einen DV-Beruf zu entscheiden, und warum fehlt diese Motivation heute.?

Ganz sicher spielen auch Fragen der soziopolitischen Situation eine nicht zu unterschätzende Rolle:

- die Angst vor einer technisierten Welt,

- vor Georg Orwell und Aldous Huxley,

- vor Atomkraftwerken und Entsorgungslagern.

Die Arbeit mit dem Computer läßt sicher keine soziale Zielbestimmung erkennen, zumindest nicht bei der ersten Begegnung und der ersten Begegnung kommt eine entscheidende Bedeutung für die Berufswahl zu.

Die erste "Computer-Begegnung" haben Jugendliche in überwältigender Mehrheit durch Fernsehen, Zeitungen, Illustrierte - und eben nicht durch Fachzeitschriften. In diesen Medien aber werden primär politische Aspekte geschildert - oder es wird geschwätzige PR gemacht.

Die Arbeit mit dem Computer wird entweder verteufelt oder er wird als Wunderheiler und Alleskönner geschildert. Den Redakteuren der Allgemein- (nicht einmal Regenbogen-) Presse kann ob ihrer schlichten Unwissenheit oder dem Mangel an sorgfältigen Recherchen, ein Vorwurf nicht erspart werden.

Gleichgültig, ob der Computer von den Gewerkschaften als Job-Killer, der Bildschirm als gesundheitsschädigendes, inhumanes Arbeitsmittel, oder die BKA-Rasterfahndung geschildert wird die Schuld an diesen Ereignissen wird dem Computer angelastet, es wird ein negatives Image aufgebaut.

Der Bekanntheitsgrad des Arbeits- und Aufgabeninhalts "Programmierer" ist zu gering. Die Aufgaben eines Einkäufers, Verkäufers oder Buchhalters sind einfacher zu beschreiben und leichter zu begreifen. Die intelligente Leistung eines Programmierers einem Nichtfachmann zu erklären ist fast so schwer, wie einem Blinden eine Farbe zu beschreiben.

Den sicher redlichen Bemühungen der Fachlehrer an den Berufsschulen ist Mangel an realem Wissenstand entgegenzuhalten. Bit md Byte erklären nicht den Sinn und Inhalt von Informationsströmen und Organisationsstrukturen.

Die Ausbildung in den Unternehmen läßt vielfach zu wünschen übrig. Ein normaler 6wöchiger Durchlauf reicht nicht aus, um Auszubildende die Arbeitsinhalte zu verdeutlichen - außerdem gibt es ja immer viel wichtigeres zu tun. (Hier ist ein deutliches mea culpa anzumerken!)

Wir haben also Akzeptanzprobleme, die sich jedoch verbessern werden, da zunehmend die Leistung des Computers zum Arbeitsplatz gebracht wird. Zwangsläufig wird der Bekanntheitsgrad verbessert.

Ein weiteres Problem dürfte beim Top-Management zu finden sein, es fehlt häufig die Management-Attention - die Akzeptanz ist vorhanden - und das ist schon fast ein Phänomen, ein Phänomen jedoch, das eine typische Karriereleiter in der Regel vereitelt.

Die Ursache dafür liegt vermutlich in der überwiegend taktisch orientierten Denkweise des Top-Managements, geleitet von einem Jahresplan- und Budgetdenken geleitet von einem vorwiegend quantitativen Rationalisierungsdenken.

Über Controlling oder Vertrieb ist eine Karriere-Planung erheblich leichter und einfacher möglich. Und des ist sicher ebenfalls kein Grund, einen DV-Beruf zu ergreifen.

Ist also noch zu fragen, was denn an Motivation übrig bleibt. Nun, ich denke, das ist einfach der Spaß an der Sache! Machen wir das also den Nachwuchskräften klar.

Michael Sigesmund, Leiter Logistik, Organisation/DV, Etienne Aigner GmbH + Co. Leathergoods KG, München (IBM 4331, DOS/VSE)

Die Hauptgründe für fehlenden breitgefächerten DV-Nachwuchs liegen meiner Meinung nach bei den öffentlichen Bildungsträgern, die sich noch immer nicht dem "Computer-Zeitalter" angepaßt haben.

In den Haupt- und Realschulen beginnt die Fehlerkette. Zwar sind in den Stoffplänen gute Ansätze (zum Beispiel Zahlensysteme, Schalt-Algebra) zu finden aber was nützen die, wenn an den meisten Schulen sogar der Einsatz von Taschenrechnern verpönt ist. Dabei wäre ein Fach "Datenverarbeitung", das in der Oberstufe Cobol- oder Fortran-Programmierung über den schuleigenen Computer beinhaltet, durchaus zeitgemäß.

An den Gymnasien wird der Begriff Datenverarbeitung schon zu einseitig in Richtung Informatik ausgelegt. Dabei könnten gerade dort konkrete Probleme aus naturwissenschaftlich-technischen Fächern abgeleitet, mit Hilfe des Computers gelöst werden, was heute nur den Universitäten vorbehalten bleibt.

Erfreulicherweise werden an einigen Hochschulen hervorragende Informatiker ausgebildet die jedoch für die Datenverarbeitungs-Praxis ohne Umschulung nicht brauchbar sind.

Auf den tatsächlichen Bedarf bezogen, ist der Lehrberuf DV-Kaufmann. Nach Abschluß der dreijährigen Lehre ist er universell einsetzbar, mit besten Entwicklungschancen. Schade nur, daß es zu wenig davon gibt. Denn einerseits müssen die ausbildungsinteressierten Betriebe über Mindestvoraussetzungen verfügen (Größe der Hardware, DV-Abteilung etc.),-andererseits können noch nicht alle Berufsschulen die für die Ausbildung erforderlichen Gegebenheiten bieten.

Kritisch ist anzumerken, daß auf die derzeitige und zukünftige Personalbedarfs-Situation bezogen, der DV-Kaufmann als Lehrberuf allein nicht ausreicht. Es ist erforderlich, weiter zu differenzieren. So müßten längst etablierte Berufe wie Operator, Programmierer, DV-Organisator und Systemprogrammierer gemäß Berufsbildungsgesetz definiert werden.

Doch die Mängel in der Bildungspolitik sind nicht allein ausschlaggebend für die DV-Nachwuchsmisere.

Da ist die Anti-Bildschirmkampagne im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeits-/Rationalisierungs-Problematik zu erwähnen, die dem Image der DV-Berufe sicherlich nicht zuträglich ist.

Da wird mit dem gleichen Effekt aufgrund mangelnder Sachkenntnis zum Thema Datenverarbeitung publiziert, zum Beispiel ausgerechnet vom Fernsehen, ARD-Sendung 21. 04. 80 "Schöne neue Arbeitswelt/Die Invasion der Bildschirme".

So bleibt noch zu klären, ob die Jugend selbst an Datenverarbeitung beziehungsweise den sicherlich nicht bequemen DV-Berufen interessiert ist. Nach all dem Schulstreß ist die Frage berechtigt, ob die Aussicht auf erneutes, wahrscheinlich permanentes Lernen und hochqualifizierte Arbeitsanforderung bei variabler Arbeitszeit, die sicher im Durchschnitt mehr als 40 Stunden pro Woche beträgt, trotz der hohen Gehaltsaussichten attraktiv genug ist.

Nun, eben diese Attraktivität wird durch die zahlreichen privaten beziehungsweise halb-öffentlichen Lehrinstitute bestätigt, die heute einen großen Teil des DV-Nachwuchses stellen.

Was ist also zu tun, wenn DV-Nachwuchs gewünscht wird? An den Klapperstorch glauben? Oder wie bisher interessierte junge Menschen in Mittel- und Großbetrieben auf eigene Kosten praxisgerecht ausbilden, auch auf die Gefahr hin, daß sie danach das Unternehmen verlassen?

Michael Schmidt, Leiter ORG/DV, Außenwerbungskontor GmbH, Koblenz (Siemens 7.738, BS2000)

Der Personalmarkt für EDV-Fachkräfte unterliegt wie, jeder freie Markt, den, Gesetzen von Angebot und Nachfrage. "Wenig EDV-Nachwuchs" kann also zwei Ursachen haben:

- Kleines Angebot oder

- große Nachfrage

Gründe für geringes Angebot:

- An den weiterführenden Schulen werden zuwenig Informationen über EDV-Berufe vermittelt.

- Es gibt keine einheitlichen Berufsbilder für EDV-Berufe

- Das Ausbildungsangebot der EDV-Fachschulen ist unübersichtlich und uneinheitlich.

- Studiengänge an den Hochschulen sind zu undifferenziert.

- Die Ausbildung beim Hersteller steht nur eigenen Mitarbeitern und Kunden offen.

- Es bestehen bei den möglichen Nachwuchs-Aspiranten keine klaren Vorstellungen über Aufstiegsmöglichkeiten in EDV-Berufen.

Gründe für große Nachfrage:

- Ein großer Teil der vorhandenen Manpower wird durch die Wartung veralteter Anwendungen gebunden.

- Viele Anwendungen werden von Batch auf Online umgestellt

- Bei den Anwendern ist ein großer Entwicklungsrückstand vorhanden.

- Die Integration von Datenverarbeitung, Textverarbeitung und Büroautomation stellt viele neue Anforderungen.

Somit sollte man sich zum Schluß einmal kritisch fragen, ob es wirklich zuwenig EDV-Nachwuchs gibt oder ob nicht auch heute noch aus einer EDV-Euphone und dem Ehrgeiz zu eigenen Entwicklungen heraus eine nicht gerechtfertigte große Nachfrage entsteht.