Wang: Verzicht auf Wettbewerb

28.06.1991

Wettbewerb findet dort statt, wo die Aussicht besteht, daß man gewinnen kann. Daß sich der verlustgeplagte US-Hersteller Wang entschließt, als Nachfolge- und Ablösemaschinen für die eigenen VS-Rechner ab sofort IBM-Systeme (PS/2, AS/400, RS/6000) zu verkaufen (Seite 1), bedeutet also keineswegs, wie Wang-Chef Richard W. Miller weismachen will, eine Verbesserung der Marktchancen des auf Büroautomation spezialisierten Nischenanbieters, sondern in Wahrheit Verzicht auf Wettbewerb -zugunsten des Mainframe-Giganten. Im Klartext: Wang wird zum gehobenen IBM-VAR (Value Added Reseller) degradiert. So ist die Millersche Aussage, Wang bleibe unabhängig, als unmaßgeblicher Wunsch zu werten, wirken die PR-Sprüche über die "strategische Allianz" wie blanker Hohn.

Tatsache ist: Die installierte Wang-VS-Basis soll auf IBM umgepolt werden, eine Business Opportunity, die sich Big Blue nicht entgehen lassen wird. Verlierer sind IBM-Mitbewerber wie DEC oder Unisys, die durch den OEM-Vertrag ausgeschaltet wurden, ferner überzeugte VS-Kunden, die sich vom "Wang way" etwas versprochen hatten. Ob IBM aber auch der alleinige Gewinner ist?

Den Zahlen nach schon: Wang-Kenner schätzen, daß der Replacement-Wert der VS-Basis (weltweit an die 60 000 Installationen) bei rund drei Milliarden Dollar liegt. Das jetzt unterzeichnete "Marketing"-Abkommen sieht vorerst eine IBM-Beteiligung in Höhe von 100 Millionen Dollar vor - not so bad, werden Wallstreet-Astrologen sagen. Geht man freilich davon aus, daß der Wang-Park - IBM-Einstieg oder nicht - über kurz oder lang sowieso Big Blue in den Schoß gefallen wäre, dann erscheint das Engagement der Armonker in einem anderen Licht: Handelt es sich demnach um eine blindwütige Aktion der IBM, die ihre Felle im Open-Systems-Markt davonschwimmen sieht? Den Wang-Kunden, die zu IBM wechseln können, aber nicht müssen, dürfte es egal sein.

Bleibt nachzutragen, daß Wang geradezu als Fallbeispiel für Mißmanagement in der DV-Industrie dienen könnte. Der 1990 verstorbene Firmengründer An Wang, der "Doktor", wie er respektvoll genannt wurde, wollte den Trend zu offenen Systemen wohl nicht zur Kenntnis nehmen. "The Unix way is not the Wang way", sagte er noch 1989, als es längst Anzeichen einer katastrophalen Geschäftsentwicklung gab. Seine Nachfolger in der Wang-Unternehmensführung sind den Nachweis schuldig geblieben, etwas von dem gewiß schwierigen Computergeschäft zu verstehen - zuletzt waren eben keine wettbewerbsfähigen Produkte da.

Den Ausverkauf von Wang an Big Blue haben Miller & Co. immerhin mit Bravour bewältigt. Die von dem Deal betroffenen Mitarbeiter wird das nicht trösten.