Mangelnde Transparenz

Wahlcomputer vor Gericht - Rückkehr zu Papier und Bleistift?

02.03.2009
An diesem Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob Wahlcomputer vereinbar mit dem Grundgesetz sind. Die Technik steht unter Druck.

Hessen hat bereits vorgesorgt. Bei den Landtagswahlen im Januar 2008 waren dort noch Wahlcomputer im Einsatz - doch beim jüngsten Urnengang Anfang dieses Jahres waren die elektronischen Wahlhelfer verschwunden. Denn an diesem Dienstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht, ob der Einsatz der Wahlcomputer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Und da die Skepsis der Karlsruher Richter an der Zuverlässigkeit der Computer bereits bei der Anhörung im Oktober unüberhörbar war, wollten die wahlgeplagten Hessen kein Risiko eingehen.

In einem Wahlcomputer steckt der Wurm.
In einem Wahlcomputer steckt der Wurm.
Foto: Chaos Computer Club

Geklagt hatten zwei Bürger mit einschlägigen Kenntnissen: Der gelernte Physiker Ulrich Wiesner, Angestellter eines Software-Unternehmens, und sein Vater Joachim Wiesner, ein Politikwissenschaftler mit Erfahrungen als Wahlbeobachter im Ausland. Sollten sie Erfolg haben, würde im Wahljahr 2009 - mit Bundestags- und Europawahl, vier weiteren Landtags- und acht Kommunalwahlen - wohl wieder technikfrei gewählt: "Wir richten uns auf eine Papierwahl ein", heißt es aus dem Büro des Wahlleiters in Brandenburg, wo noch im September die Kommunalwahl mit elektronischer Unterstützung abgehalten worden war.

Rund zwei Millionen Bundesbürger hatten bei der Bundestagswahl 2005 an mehr als 1.800 Wahlgeräten der niederländischen Firma Nedap ihre Stimme abgegeben. Veraltete Technik, behauptet Ulrich Wiesner. Das Vertrauen in ihre Sicherheit hat gelitten - spätestens, seit eine Hackergruppe im holländischen Fernsehen vorgeführt hat, wie sich bei Nedap-Wahlmaschinen in fünf Minuten eine Software zum Stimmenklau einbauen lässt. Solche Manipulationen können große Folgen haben: Im Jahr 2002, als rund 1,3 Millionen Deutsche elektronisch abstimmten, lag die SPD nur 6000 Stimmen vor der Union - ein kleiner Zählfehler hätte Gerhard Schröder womöglich die Kanzlerschaft gekostet.

Weit mehr als die Zuverlässigkeit der Technik schien die Richter des Zweiten Senats bei der Anhörung jedoch eine andere Frage zu beschäftigen: Sollte ein Computer tatsächlich ein falsches Ergebnis auswerfen - ließe sich das überhaupt nachprüfen? Wahlzettel kann man erneut auszählen, doch beim Computer seien die Wähler auf "blindes Vertrauen" angewiesen, kritisierte der Bonner Professor Wolfgang Löwer: "Wir haben es mit einem Kontroll-Vakuum nach der Stimmabgabe zu tun."

Es geht also um Transparenz. Nie findet Demokratie unmittelbarer statt als bei der Wahl - weshalb für den Wähler nachprüfbar sein muss, was mit seiner Stimme geschieht. Bei der Urnenwahl kann er im Wahllokal anwesend sein, wenn die Stimmzettel ausgezählt werden. Was dagegen die Software aus einer Tastatureingabe macht, ob in der "elektronischen Urne" tatsächlich der Wählerwille ankommt - das bleibt im Dunkeln.

So dürfte Karlsruhe auf die Beteuerungen des Wahlprüfungsausschusses, bisher seien noch nie Manipulationen bekanntgeworden, nicht viel geben. Schon deshalb, weil Defekte lange unentdeckt bleiben können: Bei den Vorwahlen im US-Bundesstaat Ohio fiel ein Software-Fehler auf, der seit zehn Jahren im System steckte - in Wahlgeräten, die in 34 Bundesstaaten eingesetzt wurden.

Wird Karlsruhe also die Rückkehr zu Papier und Bleistift anordnen? Dies hatte - nach der öffentlichen Hacker-Vorführung - beispielsweise im Mai 2008 der Ministerrat in den Niederlanden beschlossen. Auch in Irland kam eine Expertenkommission zum Ergebnis, vorerst sei die Wahl mit Stimmzettel und Urne den elektronischen Systemen überlegen.

Dass die Richter den Einsatz von Wahlcomputern gänzlich verbieten, gilt gleichwohl als unwahrscheinlich. Die Fragen von Richter Rudolf Mellinghoff, als "Berichterstatter" federführend in dem Verfahren, deuteten eher auf höchstrichterliche Vorgaben für einen transparenteren Gebrauch der Technik hin. Er erkundigte sich nach der Möglichkeit, die Computerwahl durch ausgedruckte Wahlzettel nachvollziehbarer zu machen. (dpa/ajf)