Spekulationen um IP-Adressen

Wagt Nordkorea den Schritt ins Web?

18.06.2010
Von Martyn  Williams
Das totalitäre Regime hat überraschend reservierte IP-Adressen aktiviert. Doch niemand weiß, was es damit vorhat.

Auf der Weltkarte des Internets und der Informationstechnik ist Nordkorea der letzte weiße Fleck. Nun hat der totalitäre Staat anscheinend einen ersten Schritt in Richtung World Wide Web gemacht: Ein Block mit 1024 IP-Adressen, der bereits seit Jahren für das Land reserviert ist, wurde nun dem Unternehmen Star Joint Venture übertragen. Die Firma, ansässig in der Hauptstadt Pjöngjang, gehört zum Teil der thailändischen Loxley Pacific Ltd. Die wiederum hat bereits Erfahrungen in Hightech-Projekten in Nordkorea gesammelt. Beispielsweise hat Loxley Pacific im Jahr 2002 das erste Mobilfunknetz (Sunnet) des Landes gebaut.

Der Schritt kommt in einer Zeit, in der Nordkorea unter starkem internationalem Druck steht. Das ohnehin weitgehend isolierte Land hat sich noch weiter ins Abseits manövriert, seit es Ende März ein südkoreanisches Kriegsschiff versenkt hat. Bei dem Angriff starben mehrere Seeleute. Ein internationales Ermittlerteam stellte fest, dass das Schiff von einem nordkoreanischen Torpedo getroffen worden war. Daraufhin verschärften sich die Spannungen mit Südkorea. Bei einer möglichen Verurteilung durch die UN und den Weltsicherheitsrat drohte die Staatsführung jüngst mit Krieg.

Was das Regime mit den IP-Adressen vorhat, ist unklar. Selbst Experten, die das Land seit Jahren beobachten, sind ratlos. "Es gibt keinen Platz für das Internet in der heutigen Demokratischen Volksrepublik Korea", schüttelt etwa Leonid A. Petrov, ein Dozent für koreanische Studien an der Universität von Sydney, den Kopf. "Hätten die Nordkoreaner einen offenen Zugang zum World Wide Web, würden sie die Wahrheit erfahren, die ihnen die Staatsführung seit mehr als sechs Dekaden verheimlicht." Solange der aktuelle Staatschef Kim Jong-il oder sein Nachfolger keine Lust auf politischen Selbstmord hätten, würden sie das Internet sowie sämtliche anderen freien Medien im Land verbieten, so der Hochschullehrer. Die thailändische Loxley bestätigte Projekte mit Pjöngjang, äußerte sich jedoch nicht zu Plänen mit den IP-Adressen. "Sie sind Teil des Geschäfts. Dazu werden wir keine Informationen veröffentlichen", sagte Sahayod Chiradejsakulwong, Manager bei Loxley.