Anpassung der Seitenbeschreibungssprache an die Web-Realität

W3C veröffentlicht ersten Entwurf von HTML 5

23.01.2008
Es tut sich was für Web-Entwickler: Das World Wide Web Consortium (W3C) hat den ersten Draft von HTML 5 veröffentlicht. Bis 2010 soll der neue Standard fertig sein, bis dahin unterstützen ihn dann hoffentlich auch die gängigen Browser.

An der Weiterentwicklung von HTML arbeiten gegenwärtig fast 500 Menschen, darunter Vertreter von Apple, Google, IBM, Microsoft, Mozilla, Nokia sowie Opera. "HTML ist natürlich ein sehr wichtiger Standard", sagt Tim Berners-Lee, Autor der ersten Version von HTML und W3C-Director. "Ich freue mich, dass die Entwicklergemeinde inklusive der Browserhersteller gemeinsam am besten möglichen Weg für das Web arbeitet. Es ist eine harte Arbeit, den Input so vieler Leute zu integrieren und eine Balance zwischen Stabilität und Innovation sowie Pragmatismus und Idealismus zu finden."

Der letzte offizielle HTML-Standard HTML 4 war im Dezember 2007 erschienen. Seither hat sich aber im Web eine Menge getan: An die Stelle statischer Seitensammlungen sind multimediale Communities getreten, die partizipatorisch funktionieren und sich dynamisch den Bedürfnissen ihrer Nutzer anpassen. Ajax (Asynchronous Javascript and XML) und ähnliche Neuerungen schreien geradezu nach einem neuen Standard, mit dem sich Web-Anwendungen erstellen lassen, die auch über Desktop- und mobile Plattformen hinweg arbeiten.

Im März vergangenen Jahres hatte das W3C daher erstmals angekündigt, das zehn Jahre alte HTML 4 weiterentwickeln zu wollen (und damit indirekt auch das Scheitern seiner Bemühungen mit XHTML eingestanden). Dabei sollen Grundregeln wie die Unterstützung existierender Inhalte, die Kodifizierung weit verbreiteter Praxis, die Trennung von Markup und Darstellung sowie Unterstützung von Universal Access im Mittelpunkt stehen.

HTML 5: Was ist neu?

Zu den von der HTML Working Group des W3C vorgeschlagenen Neuerungen in HTML 5 gehören APIs (Programmierschnittstellen) zum Zeichnen zweidimensionaler Grafiken, das Einbetten und Steuern von Audio und Video, der Erhalt client-seitiger Datenspeicherung sowie die Möglichkeit für Nutzer, Dokumente oder Teile von Dokumenten interaktiv zu editieren.

Außerdem sind neue Tags vorgesehen, beispielsweise für gängige Seitenelemente (<section>, <footer>), Navigation (<nav>) oder Unterschriften für Fotos und andere eingebettete Inhalte (<figure>). Autoren können dabei dem Entwurf zufolge je nach Anforderung ihrer Applikation mit einer "klassischen" HTML- oder einer XML-Syntax arbeiten. Interessierte finden beim W3C auch eine komplette Liste der Änderungen gegenüber dem aktuellen HTML 4.

Die Spezifikation soll aus Sicht des W3C die Interoperabilität verbessern und die Kosten für Software senken, indem sie nicht nur präzise Regeln für die Behandlung aller korrekten HTML-Dokumente liefert, sondern auch den Umgang mit Fehlern festlegt.

Last, but not least wird HTML 5 die erste Version der Web-Seitenbeschreibungssprache, die unter die Royalty-Free Patent Policy des W3C gestellt wird und Nutzern damit eine möglichst große Rechtssicherheit bieten soll.

Noch viel zu tun

Mit HTML 5 will das W3C nach Angaben von Dan Conolly, Co-Vorsitzender der HTML Working Group, primär zwei Ziele erreichen: Zum einen soll die Lücke zwischen der aktuellen Programmierpraxis und den theoretischen Vorgaben geschlossen werden, zum anderen sollen neue Features unterstützt werden. "Wir haben seit dem letzten Upgrade eine Menge Dinge gemacht", sagt Conolly. "Aber generell ist das Web extrem gewachsen, und unsere Bemühungen konnten bislang nicht in gleichem Maße Schritt halten."

Der Forrester-Analyst Jeffrey Hammond weist auf die Notwendigkeit hin, dass die großen Browser-Anbieter das kommende HTML 5 unterstützen. "Entwickler wollen HTML schreiben, damit mit so vielen Browsern und Endgeräten wie möglich funktioniert", appelliert der Experte.

Mozilla ist bereits aktiv mit von der Partie. "Firefox 3 unterstützt viele Teile des vorgeschlagenen Standards, darunter DOM Storage, Offline-Anwendungen, den HTML Canvas und viele kleinere Features", erklärte Infrastrucuralist Vlad Vukicevic. Es gebe aber auch andere Teile des vollständigen HTML-5-Entwurfs, die noch umstritten seien.

Forrester-Mann Hammond ist vor allem gespannt, was passiert, wenn bislang über multimediale Plug-ins wie Flash oder Silverlight bereitgestellte Fähigkeiten nativ in HTML Einzug halten: "Ich bin gespannt, wie sich das auf den Markt für Rich Internet Development auswirkt. Viele Plug-in-Möglichkeiten werden nicht auf allen Plattformen unterstützt; als Entwickler könnte ich da mehr am Schreiben von HTML 5 interessiert sein."

Die Finalisierung der HTML-5-Spezifikation wird jedenfalls noch eine Weile dauern. Bis Mitte 2009 soll es vom W3C eine Preliminary Candiate Recommendation geben. Die formale und endgültige Empfehlung wird laut Conolly für September 2010 angepeilt. Dieser Prozess dauere so lange, weil es genügend Zeit brauche, um die Technik so weit zu bringen, dass Web-Autoren sich darauf verlassen könnten, sagt der W3C-Mann: "Es bleibt aber natürlich jedem Einzelnen überlassen, wann er die neuen Features implementiert." (tc)