Die "Große Mauer" beginnt sich zu öffnen:

VR China kooperiert mit dem Westen

23.11.1984

MÜNCHEN (kul) - Auf der internationalen Geschäftsbühne meldet sich seit einiger Zeit ein neuer Darsteller zu Wort: Die Volksrepublik China. Dabei beschränken sich die Aktivitäten der Söhne des "Reichs der Mitte" nicht ausschließlich auf den außenpolitischen Sektor im engeren Sinn. Großes Gewicht wird vielmehr auch den Bereichen Industie und Handel beigemessen.

Die Elektronikindustrie in der Volksrepublik China kann inzwischen auf eine etwa 35jährige Geschichte zurückblicken. Der Westen allerdings hat erst in jüngster Zeit in die Entwicklung Einblick bekommen, die hinter der "Großen Mauer" abläuft. Genau hier will die China Import & Export Corporation (CEIEC) Pionierarbeit leisten. Deshalb stellt sich die Organisation auf der "electronica" als einziger offizieller Repräsentant des chinesischen Industrie- und Handelsministeriums vor. Inzwischen, so war auf einer Pressekonferenz zu hören, sind die CEIEC-Niederlassungen über die ganze Volksrepublik verteilt. So befindet sich die Zentrale in Peking, Zweigstellen wurden bisher in Shenzen, Guangzhou, Tianjin, Schanghai, Jiangsu, Fujian und Guangdong eröffnet.

Um den deutschsprachigen Raum zu betreuen, soll Anfang nächsten Jahres ein Büro in Frankfurt eröffnet werden. Es ist als erste Anlaufstelle für potentielle Handelspartner gedacht und wird auch die Kontakte zu chinesischen Unternehmen beziehungsweise Geschäftsleuten herstellen.

Einen Aufschwung der Zusammenarbeit mit ausländischen Elektronikanbietern versprechen sich die offiziellen Stellen in Peking auch vom Engagement chinesischer Unternehmen auf der "electronica". Besonders Joint-ventures und der Austausch von Know-how mit hiesigen Herstellern liegen den Chinesen am Herzen. Kommentierte CEIEC-Vizepräsident Zhang Zhi Dong: "Wir hoffen, mit Hilfe unserer ausländischer Partner die technologische Entwicklung in der Volksrepublik China zu forcieren und neue Märkte für unsere Produkte zu erschließen."

Als zeitliche Begrenzung für Joint-venture-Vorhaben nannte der CEIEC-Vizepräsident eine Vertragsdauer von zehn bis 30 Jahren. In besonderen Fällen, beispielsweise bei Projekten mit einer sehr langen Entwicklungszeit, könnten jedoch abweichende Regelungen getroffen werden.

Inzwischen, so Zhang Zhi Dong weiter, habe sich die Elektronikindustrie in der Volksrepublik China zum Hauptwachstumszweig entwickelt. Da es jedoch angesichts des großen Markts im Inland nicht genügend Produktionskapazitäten gebe und oft auch das notwendige Know-how fehle, sei China vorläufig in großem Maße auf Importe angewiesen. Nicht ganz glücklich scheinen die CEIEC-Vertreter allerdings über bestimmte Paragraphen des chinesischen Handelsgesetzes zu sein: Viele Joint-venture-Unternehmen müßten sich einer Verordnung beugen, ihre Produkte ausschließlich für den Export herzustellen. Demgegenüber könnten andere Betriebe ihren Bedarf nicht auf dem inländischen Markt decken und hätten keine andere Wahl als zu importieren.

Rationalisierungsgedanken gibt es jenseits der "Großen Mauer" offenbar auch. Waren vor zwei Jahren noch 18 Minister für den Bereich Elektronik in Amt und Würden, so hat sich die Zahl inzwischen auf vier reduziert. Genauer gesagt handelt es sich dabei um einen Minister, der als Supervisor und Koordinator fungiert und drei Vizeminister. Einer von ihnen ist für den Bereich Produktion zuständig, einer für Forschung und Entwicklung sowie Außenhandel und der dritte schließlich für die finanziellen Aspekte.