VOS setzt das Puzzle aus Terminen und Raeumen richtig zusammen Die Olympiapark GmbH steigt im Kernbereich in die DV ein

17.02.1995

CW-Bericht, Stefanie Schneider

Lange Zeit wurde das Kerngeschaeft der Olympiapark GmbH, die Veranstaltungsorganisation, ohne DV-Unterstuetzung bewaeltigt. 1989 entschied man sich fuer den Software-Einsatz. Doch das am Markt verfuegbare Angebot entsprach nicht den Anforderungen. Die Muenchner mussten eine eigene Loesung entwickeln. In diesem Jahr lief der Produktivbetrieb an.

Ende Oktober begeisterte die Spanische Hofreitschule aus Wien mit Lektionen der Hohen Schule die Zuschauer, knapp eineinhalb Wochen spaeter drehten Radprofis, begleitet von Live-Musik, ihre Runden, dazwischen trafen die weltbesten Tennisspieler aufeinander und Ende Dezember schliesslich stieg die Oper "Aida" mit 1000 Mitwirkenden. Schauplatz der Veranstaltungen ist immer die Olympiahalle, die dafuer wandlungsfaehig mit Dressurviereck, Radrennbahn oder Buehne ausgestattet wird. Alles ist bis ins Detail ausgekluegelt, nichts darf vergessen werden.

Ausgekluegelte Raumplanung

Die Olympiapark GmbH, die zu 100 Prozent der Stadt Muenchen gehoert, verfuegt ueber ein grosses Gelaende, auf dem an mehreren Orten Veranstaltungen stattfinden. Neben der grossen gehoeren dazu unter anderem die kleine Olympiahalle, das Eissportzentrum, das Olympiastadion, die Olympia-Schwimmhalle, der Olympiaturm, das Radstadion und das Leistungszentrum fuer Rudern und Kanu, das treuhaenderisch mitverwaltet wird. In den Gebaeuden befinden sich zirka 250 Raeume, die teilweise an Dauermieter, teilweise an Einzelveranstalter vermietet werden.

Steht eine Veranstaltung wie das Sechstagerennen an, werden zum Beispiel neben der grossen und kleinen Olympiahalle auch einige der anderen Raeume benoetigt, etwa als Garderobe, Lagerplatz oder fuer Pressekonferenzen. Im Rahmen der Veranstaltungsorganisation zaehlt die Raumplanung deshalb zu den vordringlichsten Aufgaben der Olympiapark-Mitarbeiter.

"Es muss darauf geachtet werden, dass zeitgleich keine konkurrierenden Veranstaltungen im Park stattfinden. Die vorhandenen Parkplaetze muessen zum Beispiel optimal ausgelastet werden, wenn eine grosse Veranstaltung in der Olympiahalle stattfindet. Entsprechend kann die Parkharfe nicht fuer ein Treffen der Autofreunde genutzt werden", nennt DV/Org.-Leiter Wolfgang Dykiert ein einfaches Beispiel fuer die Anforderungen an die Koordination.

"Wir haben in diesem Bereich jahrelang ohne DV-Unterstuetzung gearbeitet. Mit einem Kalender, der bis ins Jahr 2005 reicht, wurde ueber die Belegung jedes Orts und jedes Raums akribisch Buch gefuehrt", erklaert Dykiert. Jeder Mitarbeiter der Hauptabteilung Veranstaltungen hatte seinen eigenen Terminplan, in dem er Anfragen und Reservierungen festhielt.

1989 entschied man sich dann in der Veranstaltungsorganisation fuer den Einsatz einer Software. Der DV-Leiter fasst die Gruende zusammen: "Wir wollten die Gefahr der Doppelbelegung vermeiden sowie die Auslastung der Raeume und die hausinterne Kommunikation verbessern." So lassen sich zum Beispiel Raeume, die zu Beginn und am Ende einer Veranstaltung fuer Pressekonferenzen gebucht sind, zwischendurch fuer Meetings etc. vermieten. "Ziel war, den Ueberblick zu behalten - was ist vermietbar, wo sind Luecken, wo laesst sich ein Raum zwischen zwei Terminen noch zusaetzlich belegen", so Dykiert.

Am Markt war allerdings kein Programm vorhanden, das die komplexen Anforderungen abdeckte. Man entschied sich fuer eine Individualloesung.

Nach knapp fuenf Jahren Entwicklungsarbeit war es soweit. Heute arbeiten die Abteilungen mit der Software "VOS", die von der Olympiapark GmbH zusammen mit der Muenchner DAT Informationssysteme GmbH erstellt wurde. Zur Sicherheit wird allerdings vorerst noch parallel dazu manuell mit dem Kalender Buch gefuehrt.

Will zum Beispiel eine Konzertagentur in der Olympiahalle ein Popkonzert veranstalten, kann aber den Termin noch nicht definitiv zusagen, wird dieser von der Software als Option erfasst. Solange eine Veranstaltung den Optionsstatus besitzt, lassen sich zum gleichen Termin weitere Optionen vergeben. "Man bekommt den Hinweis, dass bereits eine Anfrage besteht", erklaert Dykiert. Zusaetzlich werden Stammdateninformationen wie der Name des Veranstalters, Telefon- und Faxnummer sowie der Ansprechpartner aus einer Informix-Datenbank angezeigt.

Eine Option gilt je nach Bedarf unterschiedlich lang. Die Grundeinstellung laesst pro Veranstaltungsart verschiedene Optionszeitraeume zu. Bevor die Frist ablaeuft, meldet sich das System und erinnert den Mitarbeiter daran, bei dem entsprechenden Veranstalter nachzufragen, ob die Option in eine Reservierung umgewandelt werden soll. Ist das der Fall, kann dieser Termin mit keiner anderen Reservierung oder Option mehr belegt werden.

"Wir wollten, dass der Sachbearbeiter auch in der Akquisephase unterstuetzt wird, damit uns moeglichst kein Veranstalter mehr verlorengeht, weil etwa ein Termin nicht beachtet oder ein frei verfuegbarer Raum uebersehen wurde", so der DV-Verantwortliche. Auch in der anschliessenden Vertragsphase fungiert VOS als Waechter der Termine und weist den Mitarbeiter per Wiedervorlage auf faellige Aktivitaeten hin.

Steht ein Veranstaltungstermin endgueltig fest, ist auch die technische Abteilung gefordert. Die Olympiapark GmbH beschaeftigt einen grossen Stab an Mitarbeitern wie Maurer, Elektriker, Nachrichten-, Starkstrom- und Tontechniker, Spengler etc., die mit den Mitarbeitern des Veranstalters zusammenarbeiten und das Ereignis vorbereiten.

Eine lernfaehige Matrize erleichtert die Planung

Sie sorgen fuer die gesamte technische Ausstattung, angefangen bei der Hallenbestuhlung, ueber den Buehnenaufbau, die Ton- und Lichttechnik, bis zur Verkehrsleitbeschilderung und zur Werbeanzeige in der Tagespresse.

Alle fuer eine Veranstaltung benoetigten Komponenten wie Material und Personal werden ebenfalls mittels VOS erfasst. Der zustaendige Mitarbeiter entscheidet sich fuer eine auf die Veranstaltungsart (Sport, Pop, Oper etc.) zugeschnittene Matrize. Dabei handelt es sich quasi um ein leeres Formular mit allen technischen und personellen Anforderungen - allerdings ohne Mengenvorgabe. Damit wird der Auf- und Abbau vorbereitet, und es werden die jeweiligen Zeiten, der Personaleinsatz sowie die individuelle Ausstattung festgehalten.

"Erfolgt zum Beispiel bei einem Popkonzert die Eingabe: Buehne rechts, Vorhang dahinter, Arena bestuhlt, dann stellt VOS die erforderliche Ausstattung zusammen", beschreibt der IT-Fachmann. Bei sich wiederholenden Aktivitaeten wie dem Sechstagerennen spuckt die Software gleich die beim letzten Mal verwendeten Positionen aus. Nicht mehr benoetigte Teile werden geloescht.

Weniger Abhaengigkeit von einzelnen Mitarbeitern

Das Besondere an der Matrize ist, dass sie mit jeder Veranstaltung dazulernt und die neuesten Informationen bei der naechsten, aehnlichen Veranstaltungsart als Sollvorgabe anbietet. Im Laufe der Zeit lasse sich die Matrize dadurch so verfeinern, dass man ohne zusaetzliche Eingaben auskommen koenne. Der technische Mitarbeiter kann anhand der Checkliste vorgehen und muss nur noch die genauen Ist-Zahlen eintragen. Damit ist sichergestellt, dass in der Vorbereitung nichts vergessen wird.

Die Planungssicherheit habe sich durch den DV-Einsatz verbessert, und man sei auch nicht mehr so abhaengig vom Personal. Dykiert: "Wir sind nicht mehr so zentral auf einzelne Koepfe angewiesen. Es passiert nicht mehr, dass Informationen nicht verfuegbar sind, weil ein Mitarbeiter in Urlaub ist, der seine Daten noch nicht vom eigenen Kalender in die Checkliste uebertragen hat. Es steht jetzt alles im System und laesst sich sofort abrufen."

Bisher erhalten die technischen Mitarbeiter die Liste der erforderlichen Gegenstaende und Arbeiten auf Papier. "Wir sind am Ueberlegen, ob es sinnvoll ist, diese Checkliste ueber Terminals oder PCs in die Werkstaetten zu bringen", erklaert der DV-Leiter.

Die Mitarbeiter der Fachabteilungen waren schon von Beginn an in das VOS-Projekt eingebunden - ebenso die Revision, die bei den Anwenderwuenschen Luxus von Notwendigkeit trennte. Fast ein Jahr dauerte die Analyse, weil man laut Dykiert die Komplexitaet des Problems anfangs unterschaetzt hatte. Man dachte, nur eine einfache Raum- und Terminplanung zu brauchen, erkannte dann aber, dass die Anforderungen doch wesentlich hoeher lagen. Anhand der Protokolle der Projektsitzungen erstellte DAT zuerst ein Grob- und dann ein Feinkonzept. Beide wurden von den DV-Fachleuten und Veranstaltungsspezialisten der Olympiapark GmbH immer wieder korrigiert.

Bis die Konzeption und die Komponentenspezifikationen feststanden, vergingen weitere eineinhalb Jahre. In dieser Zeit begannen die externen Programmierer, Bausteine zu entwickeln. Als die ersten funktionsfaehigen, zusammenhaengenden Masken fertiggestellt waren, wechselte Dykiert fuer ein Vierteljahr den Arbeitsplatz und ging zu DAT, um dort "quasi eine Art Qualitaetssicherung zu machen". Rund zwoelf Mannjahre nahm die Entwicklung in Anspruch. "Wir haben in Papierform angefangen und sind dann sukzessive ins Prototyping rein", so der Projektverantwortliche. "Ende letzten Jahres wurde das Prototyping in die Produktion uebernommen. Damit sind wir jetzt fertig."

Zwischenzeitlich waehnte sich das Team schon am Ziel. "1992 dachten wir: Jetzt geht's los", erinnert sich Dykiert. "Doch dann haben wir gemerkt, dass die Moeglichkeit der Raumkombination, also das Verzahnen von Raeumen in unterschiedlichen Objekten (Olympiahalle, Olympiastadion etc.), fehlte." Also interviewte man die Fachabteilung erneut und realisierte die fehlenden Funktionen in einem Sonderprojekt.

Die Software laeuft auf einem MX300-60i-Rechner von Siemens. Die Entscheidung fiel zugunsten der Sinix-Maschine, weil fuer die Buchhaltung bereits ein solches Modell eingesetzt wird. "Zudem war das System finanzierbar", bemerkte Dykiert. Ein zweiter Unix- Rechner war notwendig, da man die Finanzbuchhaltung aus Pruefungsgruenden und wegen der Funktionstrennung weiterhin als geschlossenes System betreiben wollte. Deshalb wurde auch die Verbindung mit der Finanzbuchhaltung zwar eingeplant, aber nicht realisiert.

"Das Aufgabengebiet der VOS-Software endet mit einer Gesamtauflistung der Leistungen, die im Rahmen einer Veranstaltung erbracht wurden, einschliesslich der Personaleinsatzplanung", erklaert der DV-Leiter.

Als Nachteil empfindet Dykiert heute die alphanumerische Oberflaeche. Damals sei Grafik noch kein Thema gewesen, und PCs ausserdem noch zu teuer. "Vielleicht portieren wir das Ganze in Zusammenarbeit mit unserem Softwarehaus DAT mittels Gupta- Werkzeugen auf Windows. Das beansprucht etwa vier bis sechs Mannmonate Arbeit", ueberlegt der IT-Spezialist. Denn mittlerweile sind im Unternehmen genuegend PCs im Einsatz.

"Der Wechsel ist noch nicht konkret geplant. Wir liebaeugeln jedoch damit, um mit Ausnahme der Buchhaltung fuer alle Anwender eine einheitliche Oberflaeche zu bekommen - auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir die Anwendung verkaufen wollen." Der DV- Verantwortliche betrachtet die Entwicklung der Software noch laengst nicht als abgeschlossen. Ziel ist, die Anwendung entsprechend dem Client-Server-Prinzip auf die PCs am Arbeitsplatz zu verlagern. Dykiert: "Jetzt werden wir erst einmal ein Jahr Erfahrung sammeln, um dann Verbesserungen einzuleiten."

DV-Umgebung der Olympiapark GmbH

- Ein MX-System fuer die Buchhaltungssoftware, eine Standardloesung von PDS, Bremen,

- ein MX-System fuer die Veranstaltungsorganisation,

- 45 PC-Arbeitsplaetze, 486er Rechner von Olivetti mit 15-Zoll- Farbmonitoren,

- Oberflaeche: Comfodesk von Siemens,

- PC-Anwendungen: Word, Excel, E-Mail sowie

- PC-Server unter Windows NT,

- Vernetzung: Glasfaser und Ethernet.