PC-basierte Abteilungsrechner mit Akzeptanzproblem

Vorurteile verhindern schnellen Marktdurchbruch von Superservern

30.04.1993

Anbieter wie die Tricord Systems Inc., die Netframe Systems Inc. oder die Parallan Computer Inc. muessen sich unter anderem mit dem Problem herumschlagen, dem Kaeufer zu vermitteln, dass er scheinbar schlichte PC-Technologie zu einem Preis erstehen soll, der weit ueber dem von Tischgeraeten her gewohnten Kostenspektrum angesiedelt ist.

Etwas anders sieht es bei der Compaq Computer Corp. aus. Deren seit dem Herbst 1989 vermarktete Systempro-Linie verkauft sich offensichtlich recht gut. Gemaess einer Studie des Marktforschungsinstitutes International Data Corp. (IDCvon Mitte 1992 betrug Compaqs Marktanteil weltweit ausgelieferter Superserver-Systeme 1991 71,9 Prozent. Weit abgeschlagen folgen Tricord (6,8 Prozent), Netframe (6,5 Prozent),

ALR (4,8 Prozent), DEC (4,5 Prozent), sowie NCR/AT&T (3,9 Prozent).

Anwender, so argumentiert US-Analyst Walter Johnson, erwarten von den Herstellern der Server-Boliden gegenueber Emporkoemmlingen aus der PC-Welt wie etwa den Acer-, AST- oder Dell-Rechnern etc. aber eindeutige Differenzierungsmerkmale. "DV-Manager," erklaert der Mitarbeiter der New Science Associates Inc. in Palo Alto, Kalifornien, ausserdem, "zoegern gemeinhin ein wenig, wenn es darum geht, neue Hersteller als Lieferanten fuer Rechnersysteme zu akzeptieren." Dies gelte insbesondere, wenn es sich bei dem Anbieter um ein vergleichsweise kleines Unternehmen wie Tricord handle.

Dabei stellen beispielsweise die Powerframe-Server von Tricord durchaus ernstzunehmende Alternativen zumindest zu kleinen Mainframe-Modellen dar: Die zwischen 78 200 und rund 920 000 Dollar teuren Server koennen in einer Maximalkonfiguration mit bis zu sechs Intel-CPUs und 1 GB Arbeitsspeicher ausgestattet werden und unterstuetzen bis zu 290 GB an Massenspeichern.

Hier etwa koennen Compaqs Systempro-Systeme nur mit maximal zwei Prozessoren aufwarten. Da die Texaner sich als Netzsystem der Wahl bislang auf Netware versteiften, so die Erklaerung der Edelclone- Anbieter, habe man bislang auch keinen Anlass fuer die Unterstuetzung von mehr als zwei CPUs

gesehen. Denn auch die aktuelle Version von Netware 4.0 unterstuetzt noch keine Multiprozessor-Systeme. Dies duerfte sich mit Windows NT auf Compaq-Rechnern allerdings aendern.

Andere Probleme hatte Tricord: Urspruenglich plante die US-Mutter, unter Mithilfe der Koelner Computer Partner Team GmbH (CPT) eine Tricord GmbH zu gruenden, die den Superservern auch hierzulande zum Durchbruch verhelfen sollte. Hieraus wurde allerdings nichts. Seit dem 1. Januar 1993 vertreibt nun Memorex Telex die Tricord- Systeme, wobei die CPT als Haendler von Memorex fungiert.

Wie ein CPT-Sprecher mitteilte, verkaufte man in Deutschland 1992 20 Tricord-Systeme, deren Wert zwischen 80 000 und 120 000 Mark lag. Konkurrent Netframe habe ueber seinen europaeischen OEM Olivetti im gleichen Zeitraum 17 bis 18 Rechner abgesetzt. Im laufenden Jahr konnte CPT erst drei Tricord-Computer an den Mann bringen, "dabei hat sich die Unsicherheit beim Anwender darueber, wer in Zukunft federfuehrend die Tricord-Systeme vertreiben wird, etwas unguenstig auf die Verkaeufe ausgewirkt", so der CPT-Informant weiter.

Parallan hat sich beim Vertrieb seiner Superserver an die breite Schulter der IBM angelehnt. Big Blue kuendigte gerade erst eine abgespeckte Version der Server-295-Linie, das Modell 195, an, das als fehlertoleranter Server einen preiswerten Einstieg in das Abteilungsrechner-Niveau bietet und unter 20 000 Dollar kosten soll. Allerdings weisen seine technischen Spezifika ihn als erheblich weniger leistungsfaehig aus als die Tricord-Systeme.

Dennoch sieht IBMs Direktor der Server-Division, Dave Saxby, den zwischen dem grossen 295-Bruder und IBMs eigenem PS/2-Modell 95 angesiedelten Server 195 als bestens geeignet fuer Client-Server- Umgebungen. Hierfuer spricht nicht zuletzt die Unterstuetzung verschiedener Betriebssysteme: Neben Netware steht Anwendern OS/2 auf dem Server 195 zur Verfuegung. Zu Unix gebe es zwar noch keine Ankuendigung, man denke aber, so Saxby, darueber nach. Vor allem die Skalierbarkeit verschiedener Systemkomponenten wie Prozessorleistung, Speicher etc. spreche fuer den Einsatz als Server fuer die mittlere Geschaeftsebene. Das PS/2-Modell 95 hingegen sei mehr auf traditionelle LAN-Umgebungen ausgerichtet.

Die Unterstuetzung mehrerer Betriebssysteme scheint fuer Anwender ein Schluesselkriterium zu sein: Das wesentliche Argument, welches in der Vergangenheit gegen Parallan sprach - so in einer Studie des Marktforschungsinstitutes Forrester Research ausgedrueckt -, war die Beschraenkung auf OS/2. Diese Einaeugigkeit hat man mittlerweile aufgegeben.

Tricord bedient demgegenueber eine ganze Palette von Netzsystemen: Neben SCOs Unix-Derivat koennen die Powerframe-Rechner auch gut mit "Netware", dem "LAN Manager" von Microsoft, Banyans "Vines"- Betriebssystem und Univels "Unixware" leben.

Netframe hat sich einen technologischen Kniff ausgedacht, um die Systemsoftware-Variabilitaet zu wahren: Ueber spezielle Application- Processor-Karten koennen parallel OS/2- und Netware-Applikationen aus einem Rechner bedient werden.

Compaq hingegen wird sich offensichtlich stark auf Windows NT von Microsoft konzentrieren. Die Eckhard-Pfeiffer-Company bedient mit ihren Servern zwar auch SCO Unix, Netware sowie Vines von Banyan. Die Bedeutung der Zusammenarbeit mit William H. Gates III unterstreicht man aber nicht nur durch die Unterstuetzung von Microsofts LAN Manager, sondern auch durch die erst juengst getroffene gemeinsame Ankuendigung: In dieser wurden noch einmal die engen Bande zwischen Redmond und Houston betont und eine inhaltlich allerdings etwas vage formulierte Frontline- Partnership-Vereinbarung geschlossen. Derzufolge gedenken die Partner unter anderem in Zukunft die Software von Microsoft optimal an die Hardware von Compaq anzupassen.

Die Weiterentwicklung von Netzwerk-Features etwa bei Vermittlungs- und Netzverwaltungs-Funktionen tut ein uebriges, Superserver fuer an Downsizing-Projekten interessierte Anwender attraktiver werden zu lassen. Eine grosse US-amerikanische Lebensversicherung hat sich aufgrund der Fortschritte in der Hub- Technologie von einem zumindest teilweisen Abbau ihrer 3090- Mainframe-Struktur ueberzeugen lassen.

Die American General Life Insurance aus Syracus im Bundesstaat New York uebertrug 13 Millionen Datensaetze von dem IBM-Grossrechner und einem /36-Minicomputer auf die DV-Topologie zweier "ES5000"-Superserver von Tricord, ein aelteres Powerframe-30-System und rund 150 nachgeordnete PCs von Dell.

Moeglich war diese Transition allerdings nur, meint Manager Gerald Osborne, weil sich die Ethernet-basierte Hubtechnologie in den vergangenen Jahren erheblich verbessert habe. Nur so konnten die durch den massiven Datenverkehr entstehenden erheblichen Anforderungen an die I/O-Leistungen des Gesamtsystems erfuellt werden.

American General erwartet, durch den Einsatz der als Mainframe- Alternative gedachten Superserver in der kommenden Dekade ueber 14 Millionen Dollar an Kosten fuer Mainframe-Software und durch Personalreduzierungen einzusparen.

Abb: Marktanteil weltweit ausgelieferter Superserver-Systeme. Quelle: IDC