Rechtsanwältin warnt

Vorsicht bei Kettenverträgen

23.05.2012
Auf mündliche Zusagen sollten sich IT-Freiberufler lieber nicht verlassen. Das gilt insbesondere für den Fall, wenn er der letzte Teil eines Kettenvertrags ist und das Vergütungsrisiko auf ihn abgeschoben wird.

Im IT-Bereich kommt es durch undurchsichtige Vertragsgestaltungen im Drei- oder sogar Vier-Personenverhältnis häufig zum Streit über Vergütungs- und sonstige Verhaltenspflichten. Was IT-Freiberufler beachten sollten, zeigt der folgende Praxisfall. Eine Vermittlerfirma schloss eine asymmetrische Vereinbarung mit einem weiteren Zwischenvermittler, dem Endkunden im Telekommunikationsbereich und einem IT-Freiberufler. Hierdurch wälzte sie das Vergütungsrisiko für abverlangte und erbrachte Mehrstunden einfach auf den IT-Experten ab: Der beauftragte Freiberufler wusste nicht, dass im Verhältnis von Zwischenvermittler zum Endkunden eine budgetäre Stundenbeschränkung bestand, erbrachte jedoch gutgläubig mehr Leistungsstunden. Die Vermittlerfirma, das heißt sein unmittelbarer Vertragspartner, vertröstete ihn immer wieder mündlich sowie in E-Mails, ihm würden alle Mehrstunden vergütet.

Mehrarbeit nur mit Vertragsergänzung

Kurz bevor er seine ergänzende vertragliche Absicherung erreicht hatte, kündigte ihm der Vermittler fristlos wegen angeblich unvorhergesehenen Wegfalls des Projektauftrags. Für den IT-Experten stellte sich nun das Problem, wie er seine tatsächlich geleisteten, abverlangten Dienste nachweisen sollte, da der Endkunde eine Abzeichnung der Mehrstundennachweise verweigerte.

Ina Becker, Rechtsanwältin: " In einem Vier-Personen-Verhältnis will jeder der drei beteiligten Auftraggeber naturgemäß so wenig für beauftragte und geleistete Tätigkeitsstunden zahlen, wie möglich."
Ina Becker, Rechtsanwältin: " In einem Vier-Personen-Verhältnis will jeder der drei beteiligten Auftraggeber naturgemäß so wenig für beauftragte und geleistete Tätigkeitsstunden zahlen, wie möglich."
Foto: Ina Becker, Rechtsanwältin

Ina Becker, Rechtanwältin in der Hamburger Kanzlei Dr. Ina Becker, weiß, dass sich unredliche Auftraggeber ihren vertraglichen Grundpflichten zur Zahlung eines Entgelts zu entziehen versuchen, indem sie gezielt Kettenverträge abschließen: " In einem Vier-Personen-Verhältnis will jeder der drei beteiligten Auftraggeber naturgemäß so wenig für beauftragte und geleistete Tätigkeitsstunden zahlen, wie möglich, " sagt Becker. Sie empfiehlt Freiberuflern, stets auf eine umfassende, korrekte vertragliche Absicherung zu achten. "Da die hochkomplex gestalteten Verträge im IT-Bereich für den juristischen Laien nicht durchschaubar sind, sollten die Kosten für eine anwaltliche Vorabprüfung des Vertrags nicht gescheut werden." Sobald im Rahmen des Projekts mehr Tätigkeitsstunden abgefordert werden, als von der vertraglich vorgesehenen Vergütung abgedeckt ist, müsse der Freiberufler umgehend auf eine Vertragsergänzung bestehen. In jeder Krisensituation, wie im Fall einer Kündigung oder Vertragslücke, sollte sich der Freiberufler sofort anwaltlich beraten lassen, da unverzüglich gehandelt werden muss.

Zwischen Vermittler und IT-Experten besteht nicht nur eine erhebliche Informationsasymmetrie bezüglich der juristischen und wirtschaftlichen Prämissen eines Projekts, sondern auch ein großes Machtungleichgewicht der Ressourcen. Oft kann der Vermittler erfolgreich darauf setzen, dass der Freiberufler weder über die notwendige Zeit, Energie noch die Mittel verfügt, um einen zeit- und kostenintensiven Gerichtsprozess zu führen. Mit Hilfe eines frühzeitig beauftragten, erfahrenen Rechtsanwalts kann das Worst-Case-Szenario eines jahrelangen Gerichtsverfahrens mit ungewissem Ausgang vermieden werden, ist Rechtsanwältin Becker überzeugt.