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Vorschau: Linuxworld Expo New York

31.01.2000
Stiehlt Trillian allen die Show?

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Am morgigen Dienstag öffnen sich in New York die Türen des Jacob Javits Convention Centers zur Linuxworld Expo. Die wichtigsten Player aus dem Umfeld des Open-Source-Unix stellen interessierten (Unternehmens-)Anwendern ihre Neuheiten aus den Bereich Cluster-Technik, Embedded-Systems und Thin-Client-Lösungen vor.

Linux für alle, alle für Linux

Generell dürfte die Linuxworld weniger vom Wettbewerb als von einem überwältigenden Gefühl der Zusammengehörigkeit gekennzeichnet sein. "Diese Versammlung wird wohl mehr ein Fest der Liebe als ein echter Wettbewerb", spöttelt Dan Kuznetzky von der International Data Corp. (IDC). "Die Leute wissen, dass sie verlieren, wenn Linux auseinander bricht."

Gleichzeitig wird erwartet, dass auch die Finanzwelt vorbeischaut, um nach dem Rechten zu sehen und unter den mehr als 800 Ausstellern Kandidaten für das nächste Linux-Going-Public auszuspähen. "Dies wird die Linuxworld, auf der die Wallstreet-Broker und die Werber von der Madison Avenue auftauchen werden, um zu schauen, ob dies alles Hand und Fuß hat", meint Larry Augustin, CEO (Chief Executive Officer) von VA Linux Systems.

Trillian: Linux auf IA-64

Zu den absoluten Highlights der Business-to-Business-orientierten Linux-Messe dürfte das Projekt "Trillian" (eine freundliche Anleihe aus Douglas Adams´ "Hitchhiker´s Guide to the Galaxy) gehören. Dabei handelt es sich um neue Technik, dank derer Linux auf der von Intel und Hewlett-Packard (HP) gemeinsam entwickelten neuen Prozessorarchitektur IA-64 läuft und damit im Wettbewerb gegen kommerzielle Unixe und Windows 2000 weiteren Boden gutmachen könnte.

Der bisher streng geheim gehaltene Trillian-Sourcecode, der im Laufe der vergangenen Monate gemeinsam von Intel, HP und einer imposanten Anzahl führender Linux-Anbieter (Caldera, CERN, IBM, SGI, Suse, Turbolinux, VA Linux Systems) entwickelt wurde, wird auf der Linuxworld erstmals öffentlich vorgestellt. Auch Linux-Erfinder Linus Torvalds bekommt offenbar erstmalig Gelegenheit, Trillian in Augenschein zu nehmen. Es wird erwartet, dass Torvalds nicht lange zögern wird, die neue Technik in den offiziellen Kernel zu übernehmen.

Trillian stellt eine Reihe wichtiger Enterprise-Eigenschaften bereit, unter anderem verbesserte Unterstützung für Mehrprozessorsysteme, Clustering, große Arbeitsspeicherbestückung, große Dateisysteme und Performance-Monitoring. Gleichzeitig ist die Technik abwärtskompatibel zur bisherigen IA-32-Welt. Experten sind sich noch uneins, ob das ganze wirklich Sinn macht. "Ich würde Trillian aus offensichtlichen Gründen nutzen wollen - mehr Leistung", erklärt Rudy Pawul, Systemanalyst beim EVU (Energieversorgungs-Unternehmen) ISO New England. "Für File- oder Web-Server brauche ich es zwar weniger, aber eine Oracle-Datenbank auf 64 Bit wäre schon eine feine Sache." Bill Claybrook, Analyst bei der Aberdeen Group in Boston, zeigt sich eher skeptisch, zumal bereits eine Linux-Version für Compaqs 64-bittige "Alpha"-Plattform existiert. "Der große Adressraum von 64 Bit ist für Datenbanken eine schöne Sache, aber die Anwendungen, die heute auf Linux laufen, brauchen kein 64-Bit", erklärt der Experte.

Kernel 2.4 lässt noch auf sich warten

Das nächste große Release 2.4 des Linux-Kernels wird wohl nicht mehr zur Linuxworld fertig. Dennoch dürfen sich vor allem größere Anwender auf die Verbesserungen freuen, die das Team um Linus Torvalds in die Betriebssystem-Basis integriert. Dazu gehören ein Journaling Filesystem, das die Wiederanlaufzeiten nach einem Shutdown deutlich verkürzt, verbesserte SMP-Unterstützung (Symmetrical Multiprocessing), 36-Bit-Speicheradressierung auf 32-Bit-Intel-CPUs sowie Unterstützung von Plug-and-Play-Komponenten. Dem Vernehmen nach will Torvalds den Kernel 2.4 am 17. Februar freigeben, zeitgleich mit Microsofts offiziellem Launch von Windows 2000.

IBM und Red Hat: Klein, aber fein

Während das Projekt Trillian hoch hinaus will, kümmern sich IBM und Red Hat Software in New York eher um die "kleinen Dinge" des Lebens. Big Blue will Spezifikationen veröffentlichen, wie sich Linux-Server so modifizieren lassen, dass sie als "Anwendungs-Lieferanten" für die Netzwerk-Computer "Network Station 2200/2800" herhalten können. Die Anleitungen beziehen sich in einem ersten Schritt auf die Distribution 6.1 von Red Hat, sollen aber auch für weitere Linux-Varianten bereit gestellt werden.

Red Hat zielt auf den Markt für Embedded-Lösungen. "Wir werden Software vorstellen, mit der man Internet-Geräte - Thin Server, Point-of-Sales-Terminals, digitale Set-top-Boxen - unter Linux betreiben kann", kündigte CTO (Chief Technology Officer) Michael Thiemann an. Red Hats neues Embedded-Linux wurde mit Hilfe der im vergangenen Jahr zugekauften integrierten Entwicklungsumgebung (IED) von Cygnus realisiert. In der vergangenen Woche hatte die Caldera-Schwesterfirma Lineo mit "Embedix" ein Produkt vorgestellt, das auf das gleiche Marktsegment abzielt (CW Infonet berichtete).

Turbolinux: Gemischte Cluster-Welten

Turbolinux (vormals Pacific High Tech) präsentiert sich in New York verstärkt als Clustering-Experte. Das neue strategische Produkt der Company hört auf den Namen "Enfuzion". Dabei handelt es sich um eine Technik, mit der sich Linux-Server gemeinsam mit Maschinen unter einer ganzen Reihe kommerzieller Betriebssysteme (Solaris, NT, HP-UX, AIX, Irix, Tru64) zu einem Rechnerverbund zusammen schalten lassen. Anwender können damit rechenintensive Anwendungen über eine praktisch beliebige Anzahl Server im Unternehmen verteilen. "Wir zielen auf Unternehmensanwender, die richtig ernsthafte Dinge vorhaben", erklärt Produkt-Manager Aaron McKee. Enfuzion, das Mitte März verfügbar sein soll, befindet sich derzeit bereits bei einigen Kunden, darunter J.P. Morgan und Argon National Labs, im Betatest.

Ebenfalls im Cluster-Umfeld ist eine neue Management-Lösung von VA Linux angesiedelt. Release 2.0 von "VA Cluster Management" gestattet es laut Hersteller, eine beliebige Anzahl von Nodes eines Linux-Clusters zentral via Internet zu verwalten, bestimmte Server-Komponenten remote zu überwachen und Firmware-Upgrades einzuspielen.

Weitere Highlights

Neben den "Großen" gibt es natürlich jede Menge weitere Anbieter, die mit ihren Produkten um die Gunst der Besucher buhlen. Unter anderem sind dies:

SGI will die erste hardwarebeschleunigte "Visual"-Workstation zeigen, die das 3D-API "Open GL" unter Linux unterstützt (CW Infonet berichtete). Das System wurde gemeinsam mit VA Linux und dem Grafikspezialisten Nvidia entwickelt.

Linuxcare: Die auf Support und Services rund um Linux spezialisierte Company will ein Web-basiertes Programm für den technischen Support vorstellen.

Progressive Systems hat mit dem "Phoenix Adaptive Firewall" einen Linux-basierten Einzweck-Server ("server appliance") entwickelt.

Lantronix stellt mit "Rprint" ein kostenloses Utility vor, mit dem sich Drucker in einer Linux-Umgebung ins Netzwerk einbinden lassen.

Interstar Technologies hat mit "Lightning Fax 6.1" eine neue Faxlösung für Unternehmensnetze im Programm.