Hardware-Preisverfall zwingt Hersteller zum Unbundling:

Vorbeugende Maßnahmen in Seriensoftware

03.10.1980

Für den Anwender zeigt sich der Einsatz von Seriensoftware der Erstellung von Eigenerzeugnissen überlegen. Auf den Vielfacheinsatz hin geplant, sind in den Standards bereits gewisse vorbeugende Eigenschaften eingebaut.

Die Gründe zur Entwicklung von Anwendungssoftware als Serienprodukt liegen auf der Hand:

Der Hardware-Preisverfall zwingt die Hardware-Hersteller zum Software-Unbundling und damit zu Marktpreisen für Software, die früher oft kostenlos mitgeliefert wurde.

Damit wird der Preis für Anwendungssoftware nicht mehr künstlich niedrig gehalten. Durch diese Preissituation und steigende Nachfrage ermutigt, investieren außer den Hardware-Herstellern auch Software-Häuser und die DV-Beratungsbranche in Software-Pakete. Der Nutzen für den Anwender besteht in einem größeren Angebot sowie einem konkurrierenden Preis-/Leistungsverhältnis.

Individuelle Eigenentwicklungen von anspruchsvollen DB-/DC-orientierten DV-Anwendungen kosten mittlerweile viel Entwicklungskapazität und letztlich Geld. Damit wird, soweit vorhanden, vergleichbare Seriensoftware immer mehr als die einzig richtige Alternative erkannt.

Was zeichnet nun Seriensoftware aus und welchen Nutzen erhält der Käufer?

Die Seriensoftware ist grundsätzlich auf einen Vielfacheinsatz hin geplant und realisiert. Das bedeutet, daß bestimmte Eigenschaften quasi als vorbeugende Maßnahmen bereits vorgesehen sind, an die bei individuellen Software-Entwicklungen kaum gedacht wird und die auch kaum nachträglich hinzugefügt werden können. Diese "vorbeugenden" Eigenschaften, zusammen mit bestimmten Service-Ressourcen und den wirtschaftlichen Vorteilen, bestimmen den Nutzen des Käufers.

Zeit kaufen

Die nachstehend aufgeführten Schwerpunkte zeigen den für Seriensoftware zutreffenden Käufernutzen. Ausgewählt wurde als Beispiel die ADV/Orga.

Verfügbarkeit:

Wer heute noch nicht über DB-/DC-orientierte Software verfügt und gezwungen ist, die wesentlichen Sachgebiete, wie Rechnungswesen, Personal-/Materialwirtschaft oder Auftragsverwaltung selbst neu zu entwickeln, braucht dazu vermutlich ein Jahrzehnt. Seriensoftware einsetzen heißt, Entwicklungszeiträume abkürzen, also letztlich "Zeit" zu kaufen. Und wer fertige Software einsetzt, kann vorher prüfen, was er bekommt und ob das Gewünschte lauffähig verfügbar ist.

Preis-/Leistungsverhältnis:

Die Kalkulation für Seriensoftware geht von einer Vielfachnutzung aus. Die Preiskalkulation bewegt ich um fünf Prozent der Entwicklungskosten. Diese mögen etwas höher liegen als bei der individuellen Entwicklung. Der Kaufpreis für den Anwender wird trotzdem immer noch unter zehn Prozent der aufzuwendenden Eigenkosten liegen. Diese Preisstellung wird noch dadurch verbessert, daß bereits heute eine "Software-Konfiguration" erfolgt, d. h. der Anwender nur die Moduln und Funktionen bezahlt, die er nutzen möchte

Wartung und Service:

Im Life cycle einer individuellen Anwendung fallen heute rund 200 Prozent des Erstellungsaufwandes nochmals für Wartung und Erweiterung an. Für Seriensoftware wird etwa zehn Prozent des Kaufpreises jährlich für einen Wartungsvertrag verlangt. Dieses Verhältnis ist eben nur dadurch zu erreichen , daß auch der Wartungsaufwand auf viele verteilt werden kann. Noch wichtiger als die Kostenseite aber dürfte die Tatsache sein, daß eine Mannschaft mit einem vorbeugenden Service hinter guter Seriensoftware steht. Damit sind die Anwender erheblich abgesichert und entlastet. Daß die Produkte durch den Vielfacheinsatz eine enorme Modulvielfalt und Funktionsbreite aufweisen, ist bereits gewonnene Erfahrung.

Für den Käufer weniger sichtbar, aber letztlich Voraussetzung für die Qualität von Seriensoftware, sind bestimmte Produkteigenschaften, die eigens für Seriensoftware erdacht wurden:

Anwendungsfunktionen in Modulform.

Alle Anwendungsfunktionen sind als eigenständige Bausteine konzipiert, so daß ein Ausbau mit Aufwärtskompatibilität der Seriensoftware gewährleistet ist. Die Moduln sind unabhängig von der DV-Umwelt festgelegt, austauschbar, eigenständig programmierbar und damit portabel.

Steuerbarkeit aller Daten mit "variabler Ausprägung".

Alle Daten und Zeiträume mit variabler Ausprägung, deren Werte also im Zeitablauf veränderlich sind, werden ausgelagert. Sie können batch- und/ oder dialogmäßig ohne Programmänderungen später von außen, von der Fachabteilung her, verwaltet werden. Diese Technik ergibt die notwendige Flexibilität und erleichtert die Wartung.

Unabhängigkeit von der physischen Datenorganisation.

Durch die konsequente Strukturierung der Seriensoftware in aufgabenbezogenen Moduln entsteht für das System eine logische Datenorganisation, die unabhängig von der physischen Datenorganisation ist. Die physische Datenorganisation hat somit keinen Einfluß auf die Anwendungsmoduln. Dies erlaubt die spätere Festlegung der dazu passenden physischen Datenorganisation.

Kompatible Datenbank- und Datenkommunikations-Schnittstellen KDBS/KDCS.

Die verwendete Programmarchitektur sieht für die Datenbereitstellung ausnahmslos neutrale KDBS-/KDCS-Aufrufe vor. Diese neutralen Ein-/ Ausgabe-Anweisungen werden über eine entsprechende Schnittstelle an die jeweils angeschlossene Datenbank beziehungsweise den TP-Monitor angepaßt. Mit dieser Technik ist das eigentliche Anwendungsprogramm gegen zukünftigen Datenbank- und Datenkommunikationssoftware-Wechsel weitestgehend abgesichert. Diese Maßnahme ist vorbeugend für zukünftige Hardware- oder Systemsoftware-Wechsel vorgesehen.

Normung und Standards.

Serienprodukte erfordern einheitliche Verfahren, damit Mitarbeitergruppen auch bei Arbeitsteilung einheitliche und gleichartige Produkte erzeugen und später warten. Es wurden Werkzeuge geschaffen, die wesentliche Entwicklungsarbeiten automatisieren und gleichzeitig einen Zwang zur Einhaltung der vorgegebenen Normen und Standards ausüben. Zu diesen Hilfsmitteln der ingenieurmäßigen Software-Entwicklung und Wartung zählen Tools mit Data Dictionary-Funktionen, oder Programmgeneratoren. Als besonders wirkungsvoll erwies sich ein Dialoggenerator, der es gestattet, systemneutral die gesamte Routinearbeit eines Dialogprogrammes per Definition zu übernehmen.

Unvoreingenommen prüfen

Wer Anwendungssoftware beschaffen muß, sollte unvoreingenommen prüfen, ob und welche fertige Software verfügbar ist und welcher Nutzen damit verbunden ist.

Nicht alles, was als Standardpaket angeboten wird, ist brauchbar. Seriensoftware ist eigens für den Vielfacheinsatz entwickelt. Individualentwicklungen, die später mit einigen Kunstgriffen zu Standardsoftware fixiert wurden, hat mit Seriensoftware nicht viel zu tun.

Wolfgang Pätzold ist Geschäftsführer bei der ADV/Orga, F. A. Meyer GmbH, Wilhelmshaven.