Von wegen Industrialisierung …

15.04.2008

Wenn wir in ein Auto einsteigen, vertrauen wir darauf, dass es sicher ist. Dafür hat normalerweise der Hersteller mit ausgefeilten Maßnahmen zur Qualitätssicherung gesorgt. Ähnliches gilt für den Bau: Architekt, Statiker und Bauleiter sorgen dort gemeinsam für ein fachübergreifendes Qualitäts-Management.

Setzt man voraus, dass in den meisten Unternehmen die IT das zentrale Nervensystem ist, ohne das gar nichts läuft, dann ist es schon verwunderlich, dass die Qualitätssicherung in der Softwareentwicklung nur sehr langsam professioneller wird. Alle reden von Industrialisierung und Qualitäts-Management, doch Umfrageergebnisse belegen, dass bei der Software nicht viel vorangeht. Zuletzt zeigte eine Erhebung von Pierre Audoin Consultants (PAC) vor wenigen Wochen: In gut 50 Prozent der Unternehmen ist neu in Betrieb genommene Software zumindest manchmal fehlerhaft.

"Software-Engineering ist schon eine seltsame Disziplin", sagt Rainer Janßen, CIO der Münchener Rück (siehe Seite 6). "Obwohl der Begriff schon vor 40 Jahren geprägt wurde, gibt es in unserer Profession bis heute kein echtes Bemühen um Qualitätssicherung." Alles nicht so schlimm, werden andere IT-Manager entgegnen, Softwareingenieure waren schon immer eigensinnig, und eigentlich hat uns das kaum geschadet. Die IT-Verantwortlichen vergessen dabei, dass sich Unternehmen heute mehr auf ihre IT verlassen als je zuvor. Sie entwerfen Enterprise-Architekturen und definieren Geschäftsprozesse, die sie in dieser Software abbilden. Immer mehr Firmen organisieren sich in weltweiten Netzwerken und steuern so die übergreifende Zusammenarbeit.

Größere Softwaremängel können die Geschäftsabwicklung ernsthaft behindern oder sogar zu einem temporären Stillstand führen. Die finanziellen Folgen, die aufgrund eines IT-bedingten Produktionsausfalls für ein Unternehmen entstehen können, sind dramatisch. Mindestens ebenso schlimm kann der Imageschaden sein - man denke etwa an den Londoner Flughafen Heathrow, wo eine fehlerhafte Steuerungssoftware für Chaos an den Gepäckbändern sorgte.

Offiziell sind für Software-Engineers Tests und Qualitäts-Management feste Größen im Entwicklungsprozess. Aber Hand aufs Herz: Mit Sanktionen muss zunächst mal vor allem derjenige rechnen, der zeitliche Vorgaben verpasst oder den Kostenrahmen nicht einhält. Wer aber fehlerhaft oder funktional unzureichend programmiert, hat reelle Chancen, ungeschoren davonzukommen. Das ungeschriebene Gesetz, wonach Software beim Kunden reift, gilt noch immer. Im nächsten Release lassen sich die nötigen Anpassungen schon nachziehen.

Es wird Zeit, dass die Methoden und Verfahren der Softwareentwicklung der Bedeutung gerecht werden, die das Endprodukt schließlich für den Kunden hat. Unternehmen können erwarten, dass sie für ihr Geld - wie in jeder anderen Branche auch - das versprochene Produkt bekommen.