Scrum und Design Thinking

Von Piraten und kreativen Künstlern

08.08.2017
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Design Thinking und Scrum veränderten in den vergangenen Jahren als innovative Methoden das Projekt-Management und die Software-Entwicklung.

Unterhalb des Artikels finden sie die Broschüre "Arbeitswelt 2020 - Die Jobs der Zukunft" zum kostenlosen Download.

Alexander Fischbach lernte alle Kniffe des Projektmanagements bei seinem ersten Arbeitgeber kennen. Acht Jahre entwickelte der Wirtschaftsingenieur Software und managte Projekte nach der Wasserfallmethode. "Die Idee hinter der genauen Planung und Standardisierung war - alles wird gut", erinnert sich Fischbach. Als Fischbach vor elf Jahren zu seinem neuen Arbeitgeber diva-e nach Karlsruhe wechselte, veränderte sich für ihn auch die Art und Weise wie Projekte gemanagt wurden. Das Beratungshaus begann, nach der agilen Methode Scrum zu arbeiten. "Damals war Scrum erst in wenigen Unternehmen etabliert", sagt der 53-Jährige.

Wer die agile Methode einmal gelernt hat, muss sich kontinuierlich weiterbilden.
Wer die agile Methode einmal gelernt hat, muss sich kontinuierlich weiterbilden.
Foto: Abscent - shutterstock.com

Jedes Teammitglied hat eine zugeteilte Rolle inne, ein Projekt wird in viele kleine Teilschritte zerlegt, sogenannte Sprints, in regelmäßigen Meetings besprechen die Teammitglieder ihre Arbeitsfortschritte und auch Probleme, legen die nächsten Teilziele fest. Nach zehn Jahren, vielen erfolgreich abgeschlossenen Projekten sowie zahlreichen Weiterbildungen und Zertifizierungen kennt der IT-Berater beide Welten des Projektmanagements genau. "Scrum ist kein Allheilmittel und nicht für alles einsetzbar", schränkt Fischbach ein. Der IT-Berater vermisst die Rolle des klassischen Projektmanagers, der auch das Budget im Auge behält und sich um das Qualitätsmanagement und beispielsweise auch um die Abnahmetests außerhalb des Scrum-Teams kümmert. "Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Viele Kunden wünschen sich aber trotzdem einen Projektleiter, der die Gesamtverantwortung trägt", verrät Fischbach von diva-e.

Alexander Fischbach weiß, dass Scrum kein Allheilmittel ist und auch nicht für alles einsetzbar ist.
Alexander Fischbach weiß, dass Scrum kein Allheilmittel ist und auch nicht für alles einsetzbar ist.
Foto: diva-e Digital Value Enterprise GmbH

Doch trotzdem überwiegen für den IT-Experten Fischbach die Vorteile, etwa die klar formulierten Ziele, das werteorientierte Denken gegenüber allen im Team und auch der egalitäre Stil innerhalb des Projekts, denn Erfolg gelingt nur, wenn alle gemeinsam zusammenarbeiten. Die Lorbeeren streicht am Ende auch das Team ein und keineswegs der verantwortliche Manager alleine. Besonders vorteilhaft ist auch, dass sich große, komplexe Aufgaben in viele kleine Teile zerlegen und so besser anpacken lassen. "Durch die Sprints gibt es schneller Ergebnisse und jeder Mitarbeiter und Entwickler trägt Verantwortung", erläutert Fischbach.

Auch wer die Methode einmal gelernt hat, muss sich regelmäßig weiterbilden. "Wer erfolgreich in der IT-Branche arbeiten möchte, muss immer neugierig sein, sich neue Technologien aneignen wollen und wie ein Unternehmer agieren", fasst Fischbach zusammen und ergänzt: "Wenn man auf einem Piratenschiff mitfahren möchte, muss man auch ein bisschen wie ein Pirat sein, denn dort macht keiner Dienst nach Vorschrift, sondern jeder trägt mit voller Kraft zum Erfolg bei."

Design Thinking - kreative Lösungen für komplexe Probleme

Jochen Gürtler arbeitet seit 19 Jahren für SAP. Der Informatiker sammelte als Software-Entwickler, Software-Architekt und Teamleiter Berufserfahrung. Vor einigen Jahren lernte er die Methode Design Thinking kennen. "Als Software-Entwickler hatte ich viel zu selten die Möglichkeit, mit den Nutzern zu sprechen. Das ist heute anders, denn deren Wünsche sind hilfreich und wichtig", sagt Gürtler, der als Strategic Design Consultant im Design and Co-Innovation Center im SAP-AppHaus Heidelberg arbeitet.

Wer nach dieser Methode arbeitet, versteht sich vor allem als Team-Player, der sich mit Kollegen aus unterschiedlichen Disziplinen ein Büro teilt. "Ich finde es wichtig, in einem Raum zusammen zu sitzen und nicht auf der ganzen Welt verteilt. Wenn sich die Leute auch persönlich gut kennenlernen passiert viel von alleine", sagt Gürtler. Freiräume, eine offene Kultur, großzügige, flexible Räumlichkeiten seien notwendig. Gegenseitiger Respekt, eine Feedback-Kultur und Mut zum Scheitern zählen ebenso dazu.

"Jeder kann ein Erfinder sein"

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zeichnet Design Thinking aus. Oft beginnt ein neues Projekt mit einem Workshop, an dem auch Auftraggeber oder spätere Nutzer der Software teilnehmen und ihre Wünsche schildern. Wichtig für das Team ist, die Anforderungen genau zu verstehen, denn davon hängt es ab, wie gut deren Lösungsvorschläge sind.

Oft stellt das Design-Thinking-Team dem Kunden bereits nach wenigen Tagen einen Prototypen vor. "Wir kommen nicht mit einem fertigen Produkt zum Kunden, sondern oft mit einem improvisierten Prototypen, Papier und Stiften", erläutert der 46-jährige Informatiker. Das schnelle Feedback spart Zeit und Kosten, außerdem reduziert es das Risiko. "Unser Ziel ist es, möglichst schnell herauszufinden, ob wir den richtige Ansatz gewählt haben." Design Thinking verknüpft die Wünsche des Kunden mit Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit.

Jochen Gürtler arbeitet als Strategic Design Consultant im Design and Co-Innovation Center im SAP-AppHaus Heidelberg.
Jochen Gürtler arbeitet als Strategic Design Consultant im Design and Co-Innovation Center im SAP-AppHaus Heidelberg.
Foto: SAP

Gürtler bildet sich selbst regelmäßig weiter, absolvierte eine Weiterbildung zum Gestalttherapeut, arbeitet als Design-Thinking-Coach und gründete zusammen mit Gleichgesinnten Redesign YOU, eine Initiative, die Design Thinking mit persönlicher Weiterentwicklung verknüpfen möchte.

Buchtipp: Design Thinking auf die Schnelle

Jochen Gürtler, Johannes Meyer: 30 Minuten Design Thinking. Gabal Verlag, Offenbach, 2013.

Zugegeben, es dauert länger als die versprochenen 30 Minuten, um das Buch zumindest quer zu lesen, doch schon nach einer Stunde verfügen selbst Laien über einen guten Überblick und haben das wesentliche dieser Methode verstanden. Und wie immer gilt auch hier, Üben, Üben, Üben.

Scrum: Der Begriff stammt aus dem Rugby und bedeutet wörtliche "Gedränge". In der Softwareentwicklung bezeichnet er ein Vorgehensmodell der agilen Softwareentwicklung, das 1995 von Ken Schwaber, Jeff Sutherland und Mike Beedle veröffentlicht wurde.

Buchtipp: Vom Master of Scrum lernen

Was Scrum mit dem FBI, Militär und Wissenschaft zu tun hat, lernen die Leser von Jeff Sutherland, der die Methode vor gut 20 Jahren entwickelt hat. Mitunter etwas ausschweifend erzählt der Autor über die Anfänge und die Weiterentwicklung des von ihm entwickelten agilen Arbeitens. Ganz ohne Pathos geht es zwar nicht, doch jedes Kapitel schließt mit einer kurzen Zusammenfassung ab, die unübersetzt "Take-away? heißt und jede Menge Tipps für die eigene Arbeit und Anregungen zur Reflexion über das Arbeiten liefert. Wer manches Kapitel nur querlesen möchte, findet dort jede Menge Hinweise. Denn auch das ist typisch amerikanisch-optimistisch für das Buch: Scrum ist nicht nur eine Methode, wie Entwickler schneller und flexibler Arbeiten können, sondern mindestens eine Revolution. Deshalb widmet sich das letzte Kapitel auch einem großen Thema, nämlich "Mit Scrum die Welt verändern?. Wer nur die Arbeitsabläufe in der eigenen Firma verbessern will, vertieft sich in die vorangestellten Kapiteln und versucht, die Anregungen umzusetzen, denn Sutherland gewährt interessante Einblicke in bekannte US-amerikanische Firmen und warnt vor möglichen Fußangeln.

Jeff Sutherland: Die Scrum Revolution. Management mit der bahnbrechenden Methode der erfolgreichsten Unternehmen. Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2015. 229 Seiten, 39,99 Euro.

Die wichtigsten Begriffe kurz erklärt:

Scrum

Der Begriff stammt aus dem Rugby und bedeutet wörtliche "Gedränge". In der Softwareentwicklung bezeichnet er ein Vorgehensmodell der agilen Softwareentwicklung, das 1995 von Ken Schwaber, Jeff Sutherland und Mike Beedle veröffentlicht wurde.

Product Owner

Vertritt den Auftraggeber und damit die fachliche Seite, zeichnet für die Priorisierung der Anforderungen verantwortlich und auch für den Nutzen des Projekts für das Unternehmen.

Scrum-Master

Wer diese Rolle inne hat sorgt dafür, dass die Scrum-Regeln im Projekt eingehalten werden, fördert die Transparenz, unterstützt das Team bei der Problemlösung und sucht nach Verbesserungen.

Die Entwicklergruppe

Sie besteht idealerweise aus sieben Entwicklern.

Sprint

Mit diesem Begriff bezeichnet Scrum einen Iterationszyklus, innerhalb dessen ein Scrum-Team eine Anforderung umsetzt. Ein Sprint dauert mindestens zwei Wochen und maximal einen Monat.

Backlog

So heißt die priorisierte Anforderungsliste für das zu entwickelnde Produkt. Sie wird vom Product Owner verantwortet und gepflegt.

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