Anpassung an zukünftige Anforderungen im Bereich der DFV:

Von der totalen Transparenz zum autonomen Transport

21.12.1979

Ursprüglich war die Daten-Fern-Verarbeitung (DFV) ein Sonderfall der Datenverarbeitung, gekennzeichnet nur durch zunehmende Entfernung zwischen Verarbeitungsanlage und Datenstation. Die Übertragungsstrecke, zuerst feste Verbindungen, dann Mitbenutzung von Wählnetzen und zuletzt spezielle Datenwählnetze war für die zu übertragenden Nachrichten völlig transparent und spielte eine untergeordnete Rolle. Man benutzte vorhandene Strecken, Netze oder Technologien und paßte sie an den Endstellen auf digitale Signale an. Die logische Steuerung der Nachricht durch das Netz oblag vollkommen der Software der Datenverarbeitungsanlage.

Diese Entwicklungslinie wurde unterbrochen, als die Techniken der digitalen Nachrichtenverarbeitung Eingang in die Fernmeldenetze fanden. Anstelle angepaßter oder mitbenutzter Nachrichtennetze konnten nun spezialisierte Datennetze entstehen, die in Technologie und Arbeitsweise von vornherein mit der digitalen Nachrichtenverarbeitung harmonisierten. Leitideen, wie ökonomisch optimale Nutzung des Gesamtnetzes und eigengesteuerte Transportnetze, kennzeichnen jetzt die Diskussion um den Fortschritt der Datenfernverarbeitung. Ein vorläufiges Ergebnis ist die sogenannte Datenpaketvermittlung. Sie ist auch von der Deutschen Bundespost für das Datex-P-Netz und den Rechnerverbund beim zukünftigen Dienst "Bildschirmtext" vorgesehen.

Länge und Format sind vorgeschrieben

Die Technik der Datenpaketvermittlung ist dadurch gekennzeichnet, daß alle Datenquellen und -senken ihre Nachrichten in Untermengen mit vorgeschriebener Länge und vorgeschriebenem Format aufgeteilt senden und empfangen. Diese Untermengen oder Pakete haben dem Verfahren den Namen gegeben. Für die Aufnahme und Übergabe dieser Daten-Pakete wird außerdem eine Datenübertragungsprozedur und natürlich auch eine bestimmte physikalische Leitungsschnittstelle vorgeschrieben.

Verglichen mit der ursprünglichen Datenfernverarbeitung erkennt man die weittragende Bedeutung dieses Schrittes. An die Stelle der totalen Transparenz ist der isolierte, autonome Transport von Nachrichten-Untermengen getreten. Dies ist zugleich das Kernproblem bei der Einführung der Datenpaketvermittlung.

Übertragungsprozedur und Übertragung in Teilmengen ist nämlich bisher Bestandteil der Kommunikations-Software in einem DV-System und damit Geräte-spezifisch. Die Paketvermittlung übernimmt also einen Teil der Aufgaben aus der DV-Software in das Netz.

Zwang zur Einigung

Der damit verbundene Zwang zur Einigung auf einheitliche Übertragungsprozeduren und Paketformate wurde von den Anwendern wohlwollend begrüßt. Dies führte in den vergangenen Jahren manchmal bis zu der Überzeichnung, daß damit die ersehnte Kompatibilität zwischen den Produkten aller Hersteller über das Netz hergestellt werden könne. Dies ist natürlich nicht der Fall, denn in Anlehnung an die sieben Ebenen des allbekannten "ISO-Modells" muß eine Nachricht, nachdem sie die Ebenen

- physikalische Schnittstelle

- Übertragungsprozedur

- Paketebene durchlaufen hat, noch die

- Transport-Steuerung, die

- Funktions-Steuerung und die

- Darstellungs-Steuerung durchlaufen, bis sie mit dem Anwendungsprogramm endlich verknüpft werden kann. Diese zweite Gruppe ist aber wieder Hersteller- und Geräte-spezifisch.

Die konkrete Aufgabe bei der Überführung bestehender Daten-Fern-Verarbeitungssysteme, die transparente Übertragungsnetze voraussetzen, ist also die nachträgliche Einführung einer bestimmten Leitungsprozedur und einer bestimmten Paketierung. Hierzu muß in die Kommunikations-Software eingegriffen oder an sie angesetzt werden. Da nicht jeder Programmablauf speicherprogrammiert, sondern auch in verschiedenen Technologien "fest verdrahtet" sein kann, muß um die Weiterverwendung vorhandener Produkte zu sichern, auch mit Vorsatzgeräten gearbeitet werden.

Zusätzlicher Anpassungsaufwand

Ganz ohne Zweifel ist die Anpassung der bekannten und vorhandenen Kommunikations-Architekturen kein grundsätzliches geräte- oder programmtechnisches Problem, sondern vielmehr eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Durch den zusätzlichen Anpassungsaufwand können aber Gebührenvorteile eines Paketvermittlungsnetzes teilweise oder vollständig wieder aufgesogen, oder sogar überzogen werden. Darum und um den Einstieg in ein paketvermitteltes Netz für vorhandene Produkte zu erleichtern, sehen viele dieser Netze sogenannte Assembler-Einheiten vor, die in herkömmliche Prozeduren und Schnittstellen umwandeln. Diese Umwandlung, ganz gleich, ob sie im Netz oder im Datenendgerät oder der Datenverarbeitungsanlage geschieht, soll ein flüchtiger Übergangszustand sein.

Voraussichtlich werden wir im Laufe des Jahres 1980 im Hoheitsbereich der Deutschen Bundespost ein Paketvermittlungsnetz für Testzwecke zur Verfügung haben. Daneben stehen der Datenübertragung aber auch weiterhin das Direktrufnetz, das Datenwählnetz, das Fernsprechnetz und andere Wege zur Verfügung.

Die Entscheidung für die eine oder andere Netzform sollte nicht zu einer Frage des Bekennens zu einer bestimmten "Philosophie" hochstilisiert werden. Ökonomie, Zuverlässigkeit, Zweckmäßigkeit, Verfügbarkeit des Gesamt-Systems müssen im Vordergrund bei der Entscheidungsfindung stehen.*Helmut Röder, IBM Deutschland, LDPM Kommunikationssysteme 7000-1; Zusammenfassung seines Vortrages, den er auf dem Anwenderkongreß 79 "Forum für Wissenschaft und Verwaltung" im September in Bonn gehalten hat.