Von der Spielwiese in die Produktion

07.03.2003
Von Gerda Radetzky

Sehen in Stereo

Noch aufwändiger sind Cave (Cave Automated Virtual Environment), durchsichtige Plastikwürfel, in die der Betrachter physisch eintritt und die ihn dann völlig umgeben. Sie gelten als das beste Display, doch sind sie mit sehr hohen Kosten verbunden. Ein früher Vorläufer war das Sensorama des amerikanischen Kameramanns und Filmemachers Morton Heilig: Stereo-Sehen und -Hören mit Gerüchen und Haptik-Effekten durch Rütteln beispielsweise einer Kabine oder Vibrationen einer Lenkstange schufen eine komplette Illusion. Doch verschwanden diese Holzkästen bald wieder aus den Spielhöllen, da sie die raue Behandlung durch die Nutzer nicht aushielten. Geblieben ist die unbefriedigende Gebrauchsfähigkeit der Interaktionshardware Helm und Handschuh, die damit verbundene schwierige Navigation durch komplexe virtuelle Umgebungen in Echtzeit und die erschöpfende Simulation des Verhaltens der dargestellten Objekte.

Foto: BMW AG

Vor allem in der Medizin dient VR als Hilfsmittel in der Diagnose, der Ausbildung und zur Vorbereitung operativer Eingriffe. Das virtuelle Abbild des Patienten ist in greifbare Nähe gerückt. VR hat dort Zukunft, wo wie in der Architektur raumbezogene Daten eine wesentliche Rolle spielen. Die Visualisierung geologischer Verhältnisse und von Strömungen sind heute Voraussetzung für Ölgesellschaften auf der Suche nach neuen Quellen, bevor die erste Bohrung angesetzt wird. Ein weites Feld öffnete sich auch für Künstler, Kunsthistoriker und Archäologen. Erst kürzlich wurde der Kopf einer Moorleiche simuliert und anschließend als Modell reproduziert, um Auskunft über frühe Vorfahren zu erhalten.

Peter Zimmermann, Leiter der seit 1994 auf 27 Studios angewachsenen VR-Labs des VW-Konzerns, bringt die Vorteile von VR auf den Punkt: "Reduktion von Entwicklungszeit und -kosten durch simultanes Arbeiten mit Zugang zu allen Entwicklungsdaten für jeden, Erhöhung der Qualität von Teilen und Prozessen und damit Prototypen." Es gelte, "so viel Hardware wie möglich" zu ersetzen. "Ziel der VR kann (aber) nicht sein, Hardware komplett zu eliminieren", meint denn auch Human Ramezani, Leiter des Virtual Reality Centers von BMW. Er macht die Kostenersparnis an Zahlen fest. Dauerte die Serienentwicklung vor zehn Jahren noch fünf bis sechs Jahre, so kam der neue 7er schon nach 34 Monaten auf den Markt. Der Z4 war in 30 Monaten serienreif.