Kommentar

"Von der Autobranche lernen"

11.10.2002
Gerhard Holzwart Redakteur CW

Es ist erst dreieinhalb Jahre her, da feierten die damals führenden IT-Fachverbände im VDMA und ZVEI auf der CeBIT 99. Mit einem Marktvolumen von seinerzeit rund 206 Milliarden Mark hatte die IuK-Branche erstmals die Automobilindustrie überflügelt und damit als wichtigsten Zweig der deutschen Volkswirtschaft abgelöst. Heute sieht es bekanntlich wieder anders aus. Porsche, BMW, Daimler-Chrysler & Co. strotzen geradezu vor Selbstbewusstsein - von Krise (jedenfalls bezogen auf die gesamte Branche) keine Spur! Die IuK-Industrie indes leckt ihre Wunden: Umsatzeinbrüche, Bilanzskandale, Massenentlassungen.

Nun wäre es eigentlich nicht unser Thema, der Frage nachzugehen, warum sich viele Autokonzerne trotz weltweit schlechter Konjunktur im Glanz neuer Absatzrekorde sonnen können. Aber bei näherem Hinsehen ist dieser Aspekt doch aus dreierlei Gründen interessant. Erstens: Viele der Autokonzerne haben bereits ihre Kapazitäten und Prozesse verschlankt. Größtenteils übrigens mit Hilfe intelligenter IT-Lösungen. Zweitens: Ständige Innovationen sorgen für entsprechende Kaufanreize. Drittens: Die Autobranche ergeht sich auch dort nicht in Selbstmitleid, wo es weniger Grund zur Festtagsstimmung gibt.

Was heißt dies nun für die IuK-Branche? Viele Meinungsmacher im Management, bei den Analysten und natürlich auch in den Medien müssen erst noch verarbeiten, dass die IT-Industrie auf dem Weg ist, ein ganz normaler Wirtschaftszweig zu werden. Und das ist auch gut so. Schlecht indes ist, dass die Branche dabei in Hysterie verfällt. So nützt es niemandem, wenn einige "Experten" gestandenen IT-Firmen wie SAP, Oracle oder EDS aufgrund von Gewinnwarnungen bereits eine existenzielle Krise andichten. Auch das in einigen IT-Segmenten zu beobachtende Gesundschrumpfen um jeden Preis - auch um den der eigenen Innovationsfähigkeit - ist gefährlich. Firmen, die dabei zu weit gehen, stehen in besseren Zeiten mit leeren Händen da.