G.I.-Anwendergespräch über computergestützte Software-Entwicklung:

Vom Super-Tool noch weit entfernt

22.07.1977

HAMBURG - Zu einer sehr informativen, gleichwohl praxisorientierten Bestandsaufnahme über Ansätze und erste Schritte zur automatischen Generierung von Anwendungs-Software wurde das Anwendergespräch der Gesellschaft für Informatik "Computergestützte Methoden zur Entwicklung kommerzieller Programmsysteme" im Congress Centrum Hamburg. Als Erfolg der Tagungsleitung (Professoren Griese, Uni Dortmund, und Pressmar, Uni Hamburg) war bereits zu bewerten, daß über 100 Teilnehmer (vorwiegend Anwender, je ein Viertel Software-Entwickler und Hochschul-Bereich) das vollgepfropfte Zwei-Tages-Programm verfolgten, in dem übersichtlich vorgestellt wurde, was an entsprechenden Werkzeugen schon auf dem Software-Markt angeboten wird.

Nach Vertretern der Software-Häuser sprachen zum jeweiligen Programm-Produkt auch Anwender, die über Einsatz-Erfahrungen berichteten. Daß die Hersteller dabei zwangsläufig der Produktwerbung verfielen, war offenbar unvermeidbar. Fazit eines Gesprächsteilnehmers: "Die zwei Tage haben sich schon deshalb gelohnt, weil ich nun weiß, mit welchen Produkten ich mich nicht mehr zu beschäftigen brauche."

Neue Problembeschreibungssprachen

Euphorie mochte auch in der abschließenden Podiumsdiskussion nicht aufkommen: Zu deutlich wurde, daß die vorhandenen Lösungen dem Ausmaß der Probleme nicht gerecht werden.

Eingangs belegte Prof. Dr. Gressmar, daß der Anteil der Software-Kosten an Gesamtsystemen weiterhin überdurchschnittlich wachsen wird, vor allem der Anteil der Software-Wartung, und daß bei zunehmender Komplexität der Anwendungen die Integration vieler nahezu sicherer Subsysteme zu höchst instabilen Gesamtsystemen führt. Da die Komplexität großer Anwendungs-Lösungen mit herkömmlichen, rein manuellen Techniken nicht mehr beherrschbar sei, führe kein Weg am Einsatz maschineller Verfahren zur Generierung von Software-Systemen vorbei. Dafür seien höhere, mehr anwendungsorientierte als maschinenorientierte Beschreibungsebenen in der Kommunikation zwischen Mensch und Computer erforderlich. Weder die problemorientierten Programmiersprachen noch die natürliche Sprache seien die geeignete Schnittstelle zur Beschreibung von Aufgabenstellungen in einer Art, die den Generator-Systemen eine Umsetzung in ablauffähige Programme ermöglichen. Solche Problembeschreibungssprachen müßten weniger Freiheit und weniger Konstruktions-Optionen für die Definition von Aufgaben und Abläufen erlauben, denn derartige Einschränkungen sind unabdingbare, aber seitens der Anwender durchaus akzeptable Voraussetzungen für die Computer-Unterstützung bei der Entwicklung kommerzieller Anwendungen.

Ein Ausweg aus der Krise?

Weder Standard-Software-Pakete noch parametergesteuerte Programm-Generatoren (Ó la MAS, Firm, Varial etc.) weisen - so Gressmar - für den zunehmend größer werdenden Kreis sehr komplexer Aufgaben einen Ausweg aus der Software-Krise. Die einzige Lösung führe über die Integration von drei Verfahren zu einem "Super-Tool": Computer-Unterstützung beim Betrieb der Datenbasis (Datenbank und Methodenbank); Projekt-Management-Verfahren, die mit der gleichen Datenbasis arbeiten, und Generator-Systeme auf der Basis neuer Problembeschreibungssprachen. Integriert müßten ferner sein Module für Datenermittlungsmodelle und Optimierungsmodelle, Testdatengeneratoren und Dokumentationsgeneratoren.

Neue Entwurfs-Systematik

Auch Dr. H. Österle von der Universität Dortmund betonte, daß mehr Formulierungszwang bei der Problembeschreibung die Chance erhöhe, den Computer für die Generierung von Software zu nutzen. Von der üblichen Datenfluß-orientierten Vorgehensweise müsse man übergehen zur Datenstruktur-orientierten Entwurfsystematik (Michel Jackson), da zunehmend Verfahren entwickelt werden, um aus der Datenstruktur Pseudocode abzuleiten.