Friedrich Wöbking x Allianz Versicherung und Dresdner Bank 2. Platz x IT-Executive des Jahres

Vom Sparkurs auf die Überholspur

03.11.2005
Aus einem Projekt zur Kostensenkung entwickelte Friedrich Wöbking eine effizientere IT-Organisation mit konsolidierter Infrastruktur.

Der Name war nicht zufällig gewählt: "IT-Core" hieß das wichtigste Projekt, das Wöbking als CIO der Allianz Versicherung und der Dresdner Bank in den vergangenen zwei Jahren zu stemmen hatte. Einerseits steht das Kürzel schlicht für Cost Reduction, wie der promovierte Diplommathematiker einräumt. Andererseits verbindet er damit auch einen Umbau der Kernsysteme samt zugehöriger Infrastruktur, eben der Core-Systeme der Frankfurter Bank.

Zur Person

• Seit 2003 IT-Vorstand der Allianz Versicherungs-AG und Dresdner Bank AG;

• 1999 Mitglied der Vorstände Allianz Versicherungs-AG und Allianz Lebensversicherungs-AG für IT und E-Business;

• 1981 Eintritt in die Allianz Lebensversicherungs-AG;

• Studium an der TU Braunschweig; Abschluss als Diplommathematiker, Promotion zum Dr. rer. nat.

Erfolgsbausteine

• Aufbau einer modularen, an Funktionen orientierten IT;

• Plattformkonsolidierung;

• Einführung einer zentralen IT-Organisation;

• Konzentration auf Kernprozesse;

• Senkung der IT-Kosten der Dresdner Bank um ein Drittel.

Als er im April 2003 das Projekt startete, erschienen die Vorgaben mehr als ehrgeizig. Eine Benchmarking-Analyse hatte ernüchternde Ergebnisse gebracht: Egal, ob es sich um IT-Kosten im Verhältnis zu Gesamtkosten und zum Ertrag oder die Aufwendungen pro Mitarbeiter handelte, die Dresdner Bank lag im internationalen Vergleich stets im unteren Mittelfeld. "Wir mussten die Kosten um ein Drittel senken", erinnert sich der CIO. Im Jahr 2002 beliefen diese sich auf 1,61 Milliarden Euro, bis 2006 sollte der Betrag unter eine Milliarde Euro sinken.

Gemeinsam mit einem externen Berater machte sich Wöbkings Team an eine Bestandsaufnahme: Projekte, Plattformen, Applikationen, Fachpersonal - die gesamte IT kam auf den Prüfstand. Dass die Experten in vielen Fällen eine "Überversorgung" konstatierten, führt der Manager vor allem auf den E-Business-Hype der vorangegangenen Jahre zurück: "Die Banken investierten in dieser Zeit viel in IT." Einiges davon sei aus heutiger Sicht überflüssig. So arbeiteten beispielsweise das Privat- und das Firmenkundenportal auf separaten technischen Plattformen.

Erfolgsentscheidend war für ihn, "die IT in eine modulare, an Funktionen orientierte Architektur zu transformieren". In der Praxis bedeutete dies nicht selten, dass redundante Funktionen einzelner Abteilungen wegfielen. Die größten Hürden im Projekt IT-Core ergaben sich denn auch aus den gewachsenen Strukturen: Die Dresdner Bank hatte ihre IT dezentral nach Divisionen aufgestellt, mit jeweils maßgeschneiderten Lösungen. Wöbking: "Um das gemeinsame Ziel zu erreichen, musste jede Division etwas abgeben. Das waren die härtesten Diskussionen."

Einen direkten Berichtsweg zum Konzern-CIO gab es seinerzeit nur im klassischen Core-Banking, also für zentral vorgehaltene Kernanwendungen wie das Buchungssystem. "Alle anderen IT-Bereiche waren mit dem CIO-Büro nur über ‘dotted lines’ verbunden", so Wöbking. Heute berichten die CIOs in ihrer Rolle als Divisional Partner der vier Hauptdivisionen direkt an ihn. Aus der zentralen Organisation ergäben sich Kostenvorteile, Standardisierungsbemühungen ließen sich leichter umsetzen.

Weniger E-Business Um die eingesetzten Produkte im Umfeld der Entwicklung zu verringern, definierte der Konzern im Rahmen der Implementierung einer übergreifenden IT-Governance verbindliche Richtlinien. Die Allianz in Deutschland konnte damit die rund 330 genutzten Produkte im Bereich E-Business auf etwa 100 reduzieren. Diese Zahl will Wöbking in den zweistelligen Bereich drücken. Trotzdem gelte es, die Vorteile einer dezentralen IT-Organisation im Auge zu behalten: Mit maßgeschneiderten IT-Lösungen ließen sich Produkte schneller auf den Markt bringen.

Größere Veränderungen gab es auch im Backend. So löste die Dresdner Bank ihr rund 30 Jahre altes Buchungssystem durch eine Java-basierende Eigenentwicklung ab. Nach der Fusion der Dresdner Bank mit dem Allianz-Konzern stand zudem eine Konsolidierung der Rechenzentren an. Dregis, der interne Dienstleister der Bank, fusionierte mit dem Pendant der Allianz, Agis. Das Gros der Backend-Server einschließlich Mainframes steht heute im IT-Zentrum in Unterföhring bei München. Aus der Fusion ergaben sich Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe.

Zur Optimierung der Infrastruktur gehört für den IT-Vorstand auch die Erkenntnis, nicht alles intern zu machen. So habe der Vorstand der Bank entschieden, dass die Abwicklung des Zahlungsverkehrs nicht mehr zum Kerngeschäft gehört. Diese Aufgabe erledigt heute die Postbank. Im Versicherungsgeschäft lagerte Wöbking große Teile der Desktop-Services aus.

Gerechnet haben sich die Maßnahmen im Rahmen von IT-Core früher als erwartet: Im vergangenen Jahr lagen die IT-Kosten der Dresdner Bank bei nur noch 1,01 Milliarden Euro. Die Milliarden-Euro-Schwelle wird laut Wöbking bereits im laufenden Jahr unterschritten.

Erfahrung mit Linux Zu den interessantesten IT-Entwicklungen zählt für den CIO Open Source. Im Server-Bereich hat die Allianz damit bereits Erfahrungen gesammelt. So arbeiten Backend-Server im Investment-Banking zum Teil unter Linux. Die meisten Client-Rechner dagegen migriert der Konzern gerade auf Windows XP.

Gravierende Veränderungen erwartet Wöbking von Service-orientierten Architekturen (SOA): "Mit SOA lässt sich die Frage beantworten, wie wir Services über Plattformgrenzen hinweg anbieten können." Für den Allianz-Konzern mit seinen breit aufgestellten Vertriebs- und Servicekanälen könne sich daraus ein erheblicher Nutzen ergeben. Die Grundidee von SOA, Servicemodule wiederzuverwenden, helfe, redundante Funktionen zu verhindern. Das trage letztlich zur weiteren Kostensenkung bei.

Dennoch dürfe das neue Paradigma kein Selbstzweck sein, sondern müsse sich nach der Nachfrage der Fachabteilungen richten: Vorhandene Kernfunktionen blieben zunächst erhalten und würden bei Bedarf in gekapselter Form in eine SOA-Infrastruktur eingebracht. Vor diesem Hintergrund habe die Allianz bereits vor eineinhalb Jahren ein SOA-Projekt aufgesetzt. Erste Pilotsysteme, zum Beispiel im Bereich Verbraucherkredite, habe man realisiert. Wöbking: "Die Blaupause für SOA nimmt Gestalt an." n

Wolfgang Herrmann