Als Projektingenieur im Mittelstand

Vom Berufsanfänger zum Leistungsträger

16.06.2000
Mittelständische Softwarefirmen geraten bei der Jobauswahl oft ins Hintertreffen. Doch gerade sie bieten gute Berufsperspektiven:Wer schnell Verantwortung übernehmen will, ist in kleineren Strukturen besser aufgehoben. Von Nicoletta Ceccato*

Zu den klassischen Einsatzgebieten für Hochschulabsolventen mit einem technischen Abschluss zählen die Entwicklung, das Projekt-Management oder der Vertrieb. "Die Arbeit als Projektingenieur ist abwechslungsreich, keine Woche läuft wie die andere ab", begeistert sich Ulrich Becker, Senior Projektleiter bei der AP Automation + Productivity AG in Karlsruhe, einem Softwarehaus mit rund 100 Mitarbeitern. Sein Kollege Benno Eberle sekundiert: "Ich hätte nicht gedacht, dass der Arbeitsbereich eines Projektingenieurs so breit gefasst ist."

Beide kamen direkt nach der Hochschule zur AP AG und befassen sich seitdem mit der Einführung und Einrichtung des PPS/ERP-Systems P2. Diese Software für die Produktionsplanung und -steuerung kommt vorzugsweise in mittelständischen Unternehmen zum Einsatz.

Zum Einstieg machen die Karlsruher ihre neuen Mitarbeiter zunächst mit der Software P2 und ihren Basistechnologien vertraut. Meist nach einem Monat arbeiten die Ingenieure am Projekt eines Kollegen mit. Schon nach kurzer Zeit - das kann nach einem Vierteljahr sein - erhalten sie eigenverantwortlich ihr erstes Vorhaben übertragen. Die Beziehung zum Kunden bauen die Softwareingenieure selbständig auf: "Der persönliche Kontakt spielt eine große Rolle", glaubt Eberle. Man müsse das Anwenderunternehmen mit seinen Produktionsabläufen kennen lernen, denn deren Kenntnis sei wichtig für die weitere Arbeit. Anschließend erstellen die AP-Mitarbeiter ihren Projektplan. Nun gilt es, den vorgegebenen Zeitrahmen einzuhalten, so dass die Software termingerecht einsatzbereit ist. Wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist das persönliche Engagement.

Nach dem ersten Termin beim Kunden installiert ein Systemtechniker das ERP-System. Der Projektingenieur koordiniert und verteilt die Aufgaben. Der Zeitrahmen für die Projekte bewegt sich zwischen drei Monaten und einem Jahr, in dem die IT-Profis immer wieder vor Ort sind. In der Regel sorgen die Ingenieure auch für die Anpassung der Software an die speziellen Bedürfnisse des Kunden.

In der Testphase werden echte Daten eingesetzt, um die Zuverlässigkeit des Systems zu überprüfen. Trotzdem können beim Produktivstart immer Überraschungen auftreten, die Flexibilität erfordern. Oft fallen den Mitarbeitern während der Anwendung des neuen Programms eine Fragestellung auf, die eine spontane Lösung erfordert.

"Das selbständige Arbeiten und der hohe Freiheitsgrad bei den Projekten spornen an", erzählt Eberle. Wichtig sei der Umgang mit Kollegen und Kunden:"Wenn es während eines Projekts zu hitzigen Debatten kommt, ist es wichtig, ruhig zu bleiben. Das ist gerade für einen Berufseinsteiger manchmal nicht ganz leicht", schildert Becker. Nach und nach lerne man jedoch, mit solchen Situationen umzugehen. Damit solche Fälle nicht zum Eklat führen, bietet AP den Mitarbeitern Schulungen zu den Themen Persönlichkeitsbildung, Gesprächs- und Projekt-Management an.

Becker hat sich bewusst für ein mittelständisches Unternehmen entschieden: "Hier zählt man als Person und nicht als Personalnummer", lautet seine Begründung. Gerade am Anfang konnten sich er und Eberle auf die anderen Kollegen verlassen, die bereitwillig alle Fragen beantworteten. "Ich bin sehr rasch vom Berufsanfänger zum Leistungsträger geworden", ist Eberle stolz.

Ein Projektingenieur sollte eine analytische Begabung haben und Zusammenhänge erklären können. "Wir suchen Mitarbeiter, die technisches Verständnis besitzen und gewisse Programmierkenntnisse mitbringen", erklärt der Projektleiter Holger Nawratil. "Gleichzeitig sollten sie offen sein und gut mit Menschen umgehen können.

Ein kleiner Wermutstropfen für Becker sind die Reisen zu den Kunden, die ihn zeitweise von seiner Familie trennen. "Hier zeigt mein Arbeitgeber Verständnis. Wenn es mir reicht, erhalte ich andere Aufgaben, die ich in Karlsruhe erledige, so dass ich weniger unterwegs bin."

*Nicoletta Ceccato ist freie Journalistin in München.