Mit der Ausweitung des Computereinsatzes wachsen die Probleme:

Vom Benutzerservice zum Informationszentrum

23.06.1989

Die Fachabteilungen sind beim Gebrauch von Computern immer wieder auf die Hilfe von DV-Experten angewiesen. Das gilt in besonderem Maße für den Einsatz von PCs, die einen wesentlich selbständigeren Umgang erfordern als Großrechner-Terminals. Längst jedoch reicht der abteilungseigene PC-Freak als Rettungsanker bei DV-Problemen nicht mehr aus. Der Benutzerservice wird zur eigenen Abteilung.

- Rolf Pille arbeitet als Organisator für Bürokommunikation.

Ist die Durchdringung eines Unternehmens mit Personal Computern noch nicht so stark, dann geschieht die Betreuung in der Regel durch schon bestehende Fachbereiche. Firmen, die ihre Datenverarbeitung auf Großrechnern durchführen, bieten Hilfeleistungen aus den Reihen der DV-Spezialisten an. Andere wiederum betten diese Aufgaben in den Bereich der Organisationsabteilung ein, weil Lösungen zum Thema Organisation und Implementation inklusive der anschließenden Betreuung aus einer Hand kommen sollen.

In beiden Fällen bedeutet dieses daß zwei Bereiche bei der Implementation von Personal Computern im Unternehmen aneinander vorbei arbeiten und dabei das Wissenspotential des jeweils anderen Bereichs nicht ausschöpfen.

Ein Konzept, in dem einer der beiden Bereiche die Federführung hat und das Know-how der anderen Abteilung durch Beratung vermittelt läßt sich nur schwer realisieren. Nur zu leicht kommt es hierbei zu einer Konkurrenzsituation, die bei den Anwenderabteilungen zur Unzufriedenheit über einen uneinheitlichen Service führt.

Über die Problematik, wie eine organisatorische und technische Unterstützung der Fachbereiche innerhalb bestehender Struktureinheiten eingebettet werden kann, ließe sich vieles schreiben. Für eine optimale, unternehmensspezifische Lösung sollten alle Betroffenen an der Entscheidung beteiligt werden, um eine möglichst breite Basis zu schaffen, die diese Entscheidung mitträgt.

Ein völlig anderer Ansatz ist die Änderung der Unternehmensstruktur, in dem eine weitere Organisationseinheit gleichberechtigt neben anderen, speziell den schon zuvor aufgeführten, ins Leben gerufen wird. Diese Einheit sollte auf Management- oder Vorstandsebene verankert sein und dort regelmäßig über ihre Aktivitäten berichten. Sie sollte zwar autark neben den anderen Abteilungen plaziert werden, jedoch - und dieses ist sehr wichtig - mit den anderen Abteilungen sehr eng zusammenwirken. Auf diese Weise arbeiten sie miteinander und nicht gegeneinander. Jede Abteilung muß um die Notwendigkeit des gegenseitigen Informationsaustausches - auch zum eigenen Nutzen - wissen.

Ein Mittel neben einem klaren Aufgabenkonzept ist zum Beispiel die Übernahme von Spezialisten aus bestimmten Fachabteilungen in die neue Organisationseinheit. Diese müssen dann durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen auf die Aufgabe im "Benutzerservice" vorbereitet werden.

Die Strukturierung und Entscheidungsbefugnisse dieser Organisationseinheit ist auf die speziellen Gegebenheiten, wie zum Beispiel Größe, Struktur und Aufgabe des Unternehmens abzustellen. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen beziehungsweise Großunternehmen mit geringem Personal-Computer-Einsatz läßt sich als Organisationseinheit ein "Benutzerservice" etablieren, der die verschiedensten Aufgaben in sich vereinigt. Nimmt jedoch der Personal-Computer-Einsatz zu, so muß auch der "Benutzerservice" personell und strukturell mitwachsen. Dann empfiehlt sich die Untergliederung dieses Services in Teilbereiche, welche sich nach speziellen Aufgaben strukturieren.

Dazu gehören:

- Hardwarebetreuung in Form von Reparatur von defekten Teilen und Wartung,

- Softwarebetreuung wie Trouble Shooting und Hotline-Service,

- Entwicklung von Einsatzkonzepten für Hard- und Software,

- ständige Überprüfung dieser Konzepte durch Beobachtung des Computer-Marktes,

- Durchführung von Hard- und Softwaretests,

- Bereitstellung von Lösungen in Form von Standardsoftware, wenn notwendig auch

- kleine Programmierungen wie zum Beispiel im Betriebssystem oder in Steuerungssprachen von Programmpaketen,

- Erarbeitung von langfristigen Einsatzstrategien, die den Unternehmenszielen gerecht werden,

- Bereitstellung von Ressourcen in bezug auf Hard- und Software

- Erstellung von Schulungskonzepten und

- Durchführung von Schulungen, die auf die Erfordernisse der Fachabteilungen abgestimmt sind,

- Planung, Koordination und Kontrolle des Personal-Computer-Einsatzes,

- Entwicklung eines IDV-Konzeptes auf Basis von Personal Computern und von Bürokommunikation. Dazu gehört auch die Integration von Host- und PC-Welt zugunsten der Nutzung gemeinsamer Datenbasen,

- Übergabe von schlüsselfertigen Losungen, die in das Gesamtkonzept eingepaßt sind. "Publizieren" der Konzepte, um die gewählten Losungsansätze zu vermitteln.

In Unternehmen mit geringer PC-Durchdringung können diese Aufgaben noch vom Benutzerservice durchgeführt werden. Setzt sich das Unternehmen jedoch aus einer Vielzahl von Fachabteilungen mit unterschiedlichsten Aufgaben zusammen, so sollte man den Benutzerservice von vornherein als eine Einheit mit mehreren Untereinheiten aufbauen, um eine effiziente Betreuung der Mitarbeiter zu gewährleisten. Eine Gliederung in Unterbereiche mit anwendungsspezifischem Know-how ist dabei schon deswegen erforderlich, weil Fachabteilungen durch den längeren Einsatz von Personal-Computer-Systemen routinierter und ihre Probleme dadurch zwangsläufig komplizierter werden. Dann erscheint die Bezeichnung Benutzerservice allerdings nicht mehr zutreffend. Ein übergeordneter Begriff muß gefunden und mit Inhalt gefüllt werden. Hier bieten sich schon existierende Bezeichnungen wie "Benutzerzentrum" oder "Informationszentrum" an. Ich habe versucht, die Struktur eines solchen Zentrums in einer Abbildung darzustellen.

Alle Aufgaben müssen zentral organisiert werden

Als eine übergeordnete Einheit ist der Bereich "Koordination und Organisation" zu implementieren. Dieser nimmt alle strategisch organisatorischen Aufgaben wahr.

Diesem übergeordneten Bereich lassen sich weitere Unterbereiche zuordnen. In der Darstellung (vergleiche unten rechts) sind das die Bereiche Softwarebereitstellung, Hardwarebereitstellung, Bürosysteme, Kommunikationssysteme und Benutzerservice.

Am Beispiel Kommunikationssysteme wird deutlich, daß keineswegs alle Unternehmen das von mir angeführte Aufgabenspektrum abdecken können. Auch werden die Schwerpunkte vereinzelt anders verteilt werden müssen, da eine Neustrukturierung dieser Art immer die speziellen Gegebenheiten des Unternehmens berücksichtigen muß.

Die Einteilung in Unterbereiche bedeutet keine strenge Trennung der Aufgabenbereiche. Damit die gesamte Organisationseinheit "Informationszentrum" ihre Aufgaben optimal lösen kann, muß der Informationsfluß innerhalb dieser Einheit sehr hoch sein, da alle Aufgabenbereiche inhaltlich ineinandergreifen.

Ein Mitarbeiter des Benutzerservices zum Beispiel, der ein Anwenderproblem zu lösen hat, muß sich von einem Kollegen aus dem entsprechenden Unterbereich Rat holen und es notfalls mit ihm gemeinsam lösen können.

Diese Vorgehensweise wird sich in der Praxis etablieren, denn die im "Benutzerservice" tätigen Mitarbeiter werden nie das gesamte Fachwissen der anderen Unterbereiche in sich vereinigen können. Vielmehr muß der Service-Techniker von allem etwas wissen. Diese Kenntnisse müssen fundiert genug sein, um Zusammenhänge erkennen zu können, die zur Problemlösung führen. Auch das Herbeirufen des richtigen Spezialisten verlangt Know-how.

Der Anwender will nur sein Problem gelöst haben

Darüber hinaus hat die im Benutzerzentrum tätige Person schwierige Situationen zu meistern, die pädagogisches Talent erfordern. Anwender sollen nicht "verprellt" werden, auch wenn sie noch so oft um Rat fragen. Wenn es um die Akzeptanz von Regeln für einen sinnvollen PC-Einsatz geht, spielt ein kompetenter Benutzerservice eine zentrale Rolle für das Unternehmen.

Fazit: Das verteilte Know-how muß trotz einer präzisen Aufgabenteilung der Unterbereiche vom Anwender zentral genutzt werden können. Für ihn ist es unwichtig, wo die Probleme gelöst werden, wenn ihn nur nicht die Schranken starrer Formalismen davon fernhalten. Eine durchaus reizvolle Aufgabe für die Verantwortlichen einer solchen Umstrukturierung.