Metamorphose im Sudkessel

Vom bayerischen Bierbrauer zum globalen Online-Banker

03.12.1998
MÜNCHEN (CW) - Eine bayerische Brauerei mutiert zur Bank. Das ist die Geschichte der Brauhaus Amberg AG, die nun Net.IPO heißt, vorausgesetzt, das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen stimmt zu. Dann hätte Deutschland seine erste Internet-Wertpapier-Handelsbank.

Das virtuelle Emissionshaus Net.IPO AG (IPO steht für Initial Public Offerings) gehört zu 87 Prozent der Deutschen Balaton Broker Holding. Sie kaufte im Sommer dieses Jahres den in München amtlich notierten Börsenmantel des Brauhauses Amberg. Die Brauerei war 1996 in Konkurs gegangen und im April 1998 durch einen Zwangsvergleich aufgelöst worden.

Die Hauptversammlung am 30. September dieses Jahres änderte den Geschäftszweck, die Satzung und den Firmennamen. "Gegenstand des Unternehmens ist die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Plazierung oder Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft), vornehmlich unter Einsatz elektronischer Medien (Internet)", heißt es jetzt auf der Web-Site der Aktiengesellschaft. Derzeit wartet die Bank auf ihre Zulassung, die vom Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen vermutlich noch in diesem Monat erteilt wird. Sitz des Unternehmens wird Frankfurt am Main sein.

Außerdem betreibt das Unternehmen zur Zeit seine erste Kapitalerhöhung. Die Konsortialführung für die Emission liegt bei der Deutschen Bank. Sie führt die Aktien im amtlichen Handel in München ein und voraussichtlich auch an der Frankfurter Börse. "Wir fangen mit einer Kapitalbasis von knapp 27,5 Millionen Mark an", erläutert Net.IPO-Vorstand Stefan Albrecht, "und wollen uns als Konsortialbank an Neuemissionen insbesondere von börsennotierten Gesellschaften beteiligen."

Der Unterschied zu anderen Banken bestehe im Vertriebsweg. Die Wertpapiere sollen ausschließlich über das Internet angeboten werden, die Zielgruppe sind Privatanleger. Bisher hätten die Firmen zwischen institutionellen Anlegern mit großen Anlagefonds und Privataktionären unterschieden. So seien die Großanleger im Halbjahresrhythmus besucht und über den Geschäftsverlauf informiert worden, während sich die Privatanleger entweder über ihre Depotbanken oder via Presse auf dem laufenden halten mußten. Das sei nicht mehr zeitgemäß, führt der Net.IPO-Vorstand aus. Per Internet können die Unternehmen alle ihre Aktionäre mit denselben Informationen versorgen. Die Anleger könnten außerdem direkt mit der Firma in Kontakt treten und darüber hinaus über Foren auch untereinander, schwärmt er.

Albrecht verantwortete zuvor in London bei der Deutschen Bank das skandinavische Geschäft mit Neuemissionen. Außerdem war er in dem Team, das im vergangenen Jahr den Internet-Buchhändler Amazon.com in Amerika an die Börse brachte.