Nicht hinter SLAs verstecken

Vom Alignment zur Business Integration

07.01.2014
Von 
Jens Niebuhr ist Partner/Geschäftsführer bei Booz & Co.

Kulturen treffen aufeinander

Allerdings bleibt das Business Alignment eine Herausforderung. An der Schnittstelle zwischen Unternehmens-IT und Geschäft treffen unterschiedliche Kulturen und Incentivierungen aufeinander. Eine gemeinsame Führung aus der Linie heraus existiert nicht. Konflikte müssen daher meist mit viel Reibung durch Gremien und Prozesse geregelt werden.

Häufig ist diese Schnittstelle zudem stark formalisiert, im schlimmsten Fall bürokratisiert. Wenn die Unternehmens-IT nicht dazu autorisiert ist, kann sie die fachlichen Anforderungen der Geschäftsseite auch nicht ausreichend hinterfragen, um beispielsweise effizientere Alternativkonzepte zu entwickeln und sich aktiver in den Innovationsprozess einbringen zu können.

Die Frage nach der idealen Schnittstelle zwischen Geschäft und Unternehmens-IT gehört zu den zentralen Themen jeder IT-Governance-Diskussion. Über die Ausgestaltung ihrer Kundenschnittstelle bestimmt die Unternehmens-IT maßgeblich die Zusammenarbeit mit dem Geschäft.

Key-Accounter/Solution-Designer

Organisiert sich die IT entlang ihrer Kundenstrukturen, zum Beispiel nach Geschäftssegmenten, Divisionen oder Regionen, fällt es ihr eher leicht, sich auf die spezifischen Anforderungen ihrer internen Kunden einzustellen. In diesem Fall ist der Kundenbezug ja bereits tief in der organisatorischen DNA verankert. Je stärker eine Unternehmens-IT sich jedoch funktional organisiert, um beispielsweise Skaleneffekte durch Know-how-Pooling zu erreichen, umso schwieriger wird es, das Business Alignment sicherzustellen. Andere Prioritäten rücken dann in den Vordergrund; der Fokus auf eine enge Verzahnung zwischen Geschäft und IT droht verloren zu gehen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, bauen viele IT-Funktionen auf Key-Accounter und Solution-Designer mit starkem Geschäftsverständnis.

Was ist Business Integration?

Der konsequenteste Weg, Geschäftsnähe sicherzustellen, ist aber der, IT- und Geschäftsverantwortung zusammenzuführen. Sichtbarer Ausdruck ist die aufbauorganisatorische Zusammenlegung der Unternehmens-IT mit einer oder mehreren stark IT-abhängigen Geschäftsfunktionen. Statt von Business Alignment kann man hier von Business Integration sprechen.

Im globalen Chemiewettbewerb zum Beispiel gilt Supply-Chain-Kompetenz als kritischer Erfolgsfaktor. Die Anforderungen an das Lieferketten-Management nehmen stetig zu, neue Geschäftsmodelle mit veränderten Supply Chains entstehen. Gleichzeitig bieten zum Beispiel In-Memory-Computing und Big Data neue Chancen für die Erschließung von Wettbewerbsvorteilen.

BASF hat sich deshalb für eine integrierte Verantwortung von Global IT und Supply Chain entschieden. Unter anderem mit der Begründung, dass sich so die Zusammenarbeit zwischen Geschäft und IT in diesem kritischen Bereich fördern lässt.

Bei Procter & Gamble ist die Unternehmens-IT fester Teil der globalen Business-Service-Organisation. Damit lassen sich Shared-Service-Prozesse und IT besser aufeinander abstimmen, und der interne Kunde bekommt Leistungen aus einer Hand.

In Deutschland folgen bereits mehrere Unternehmen diesem Beispiel; sie bringen IT und Shared Services unter eine gemeinsame Verantwortung. Einige gehen sogar noch einen Schritt weiter und positionieren die Unternehmens-IT als Entwickler und Produzent digitaler Marktprodukte. SAP zum Beispiel hat für den Aufbau des Cloud-Service-Portfolios die Kompetenzen der Unternehmens-IT genutzt, um ein digitales Produkt- und Serviceangebot zu entwickeln.

Business Integration ist ein Schritt zur besseren Verankerung der IT und ihrer Fähigkeiten im Unternehmen, indem sie die Zusammenarbeit zwischen Geschäft und IT stärkt. Ob das eher in Richtung Produkt- oder Kundenmärkte wie im Beispiel SAP oder in Richtung Unterstützungsfunktionen wie bei Procter & Gamble laufen soll, ist pauschal nicht zu sagen.

Allerdings kann sich eine Unternehmens-IT nicht in alle Richtungen gleichzeitig integrieren. Stattdessen sollten Geschäft und IT gemeinsam die Funktionen identifizieren, die von einer Business Integration am meis-ten profitieren und so für das Gesamtunternehmen den größten Mehrwert stiften.

IT-intern lebt die Tradition weiter

Ist die Zeit der Arm`s-Length-Governance mit einer Unternehmens-IT Vergangenheit? Einer Governance also, die über Servicekataloge, Verrechnungspreise und SLAs geführt wird? Nein, nicht generell. Für geschäftsunabhängige IT-Leistungen führt kein Weg an Standardisierung und flexibler Bereitstellung vorbei - eben "as a Service".

Solche IT- Governance-Mechanismen, effektiv eingeführt und gelebt, eignen sich gut, um Standards durchzusetzen und die Ressourcennutzung zu optimieren, egal, ob diese Leistungen intern oder von Outsourcing- und Cloud-Service-Providern bereitgestellt werden. Viele Unternehmen können hier sicher noch weiter verbessern und die Mechanismen auch auf andere standardisierbare Leistungen ausdehnen, beispielsweise die einschlägigen HR-, Finanz-, oder Facility-Management-Prozesse.

Nicht hinter SLAs verstecken

Will ein Unternehmen seine IT hingegen zu einem strategischen Hebel ausbauen, so muss es das traditionelle IT-Governance- Modell in Richtung Business Integration überdenken. Gemeinsame Ziele, Prozesse und Führung fördern die Verzahnung von IT und Geschäft.

So ermöglicht das Unternehmen den Auf- und Ausbau seiner differenzierenden Fähigkeiten. Und gerade hier darf sich die Unternehmens-IT nicht hinter ServiceLevel-Agreements verstecken. (qua)