VoIP-Test: Hybrid- versus Software-PBX

26.03.2007
Von Christoph Lange
Für den Umstieg auf VoIP können Unternehmen zwischen hybriden IP-TK-Anlagen und reinen Software- lösungen wählen. Im COMPUTERWOCHE-Test traten zwei Vertreter dieser Kategorien gegeneinander an.

Wer seine Telefonanlage erweitern oder erneuern möchte, kommt an Voice over IP (VoIP) kaum vorbei. Im dritten Quartal 2006 machten nach Angaben der Synergy Research Group IP-basierende Lösungen bereits fast zwei Drittel der weltweiten Umsätze mit Telefonanlagen aus.

Hier lesen Sie ...

  • mit welchem Funktionsumfang eine software- und eine hardwarebasierende VoIP-TK-Anlage aufwarten;

  • welcher Konfigurationsaufwand auf den Administrator zukommt;

  • wo die beiden Ansätze ihre Stärken und Schwächen haben;

  • wie sich die beiden Produkte im Test schlugen.

Wenn sich ein Unternehmen entscheidet, VoIP einzuführen, steht es vor der Frage, ob eine rein softwaregestützte Lösung oder eine um IP-Funktionen erweiterte klassische Telefonanlage den Vorzug erhalten soll. Im CW-Vergleichstest mussten Vertreter beider Kategorien zeigen, wie gut sie die Anforderungen im praktischen Betrieb bewältigen können. Die getesteten Lösungen decken die Anforderungen von kleinen bis mittelgroßen Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeitern ab.

Bei "Swyxware 6" von Swyx handelt es sich um eine Software-PBX (Private Branch Exchange), die auf einem oder mehreren Standard-Windows-Servern läuft. Avaya dagegen bietet mit seinem "IP-Office-System" eine Hybridlösung an, die alle Merkmale einer klassischen TK-Anlage aufweist und um IP-Telefoniefunktionen erweitert wurde. Beide Lösungen unterstützen sowohl H.323- als auch SIP-Endgeräte (Session Initiation Protocol).

Avaya IP Office

Das IP-Office-System von Avaya ist in drei Varianten erhältlich. Zum Test trat das mittelgroße "IP Office 406" an. Dieses Modell lässt sich mit bis zu sechs Erweiterungsmodulen ausbauen, die jeweils acht, 16 oder 30 zusätzliche digitale oder analoge Teilnehmeranschlüsse bereitstellen. Das Basismodul enthält auf der Vorderseite zwei analoge Ports, acht Systemtelefon-Schnittstellen (UP0) und einen Acht-Port-Switch für die Anbindung der IP-Telefone.

Auf der Rückseite befinden sich unter anderem zwei Einschub-Slots für die Netzschnittstellen. Sie lassen sich mit Vierfach-T0- oder mit S2M-Karten bestücken. Die maximale Ausbaustufe von 90 Amtsleitungen und 180 Teilnehmern wird mit einem 2-Port-S2M-Modul und einem normalen S2M-Modul erreicht.

Auf der Vorderseite weist die IP Office 406 einen Compact-Flash-Einschub auf, der eine Voice-Mail-Karte mit einem eigenständigen Sprachspeichersystem aufnehmen kann. Dieses verfügt über eine automatische Vermittlungsfunktion und kann Music-on-Hold per WAV-Datei abspielen. Eine Türanschaltung ist über die externe O/P-Buchse möglich. Zudem ist für alle Systeme eine IP-Dect-Erweiterung erhältlich.

Für den Test stellte Avaya neben der IP Office 406 zwei Windows-XP-Rechner zur Verfügung, auf denen die Softwarekomponenten "IP Office Manager", "Phone Manager", "Voicemail Pro", "Soft Console" und "Conferencing Server" bereits vorinstalliert waren. Zum Abschluss des Tests wurde die IP-Office-Softwareversion 3.2 auf die damals noch im Betatest befindliche Feldversion 4.0 aktualisiert. Das neue 4.0-Release unterstützt unter anderem SIP-Trunking und ist seit März 2007 verfügbar.

Die Verwaltung der TK-Anlage erfolgt über das Windows-Tool IP Office Manager. Es erkannte das im Testnetz vorhandene IP-Office-System automatisch per UDP-Broadcast. Anschließend wurde die IP-Konfiguration auf allen von Avaya gelieferten Systemen an das Testnetz angepasst. Änderungen an den Einstellungen nimmt der Administrator zunächst offline im IP-Office-Manager vor und überträgt sie dann auf das IP-Office-System.

Auf einem weiteren XP-Rechner installierten wir die "IP Office User Suite 3.2", die unter anderem den Phone Manager umfasst. Dieser kommt sowohl im CTI-Betrieb mit Tischtelefonen als auch im Softphone-Betrieb mit Headsets zum Einsatz. USB-Handsets unterstützt das IP-Office-System nicht. Das Tool lässt sich mit bis zu 14 Sprachen installieren, wobei der Benutzer per Menüauswahl hin- und herwechseln kann. Zum Abschluss der Installation ist ein Reboot erforderlich. Nach Neustart und Windows-Logon erscheint automatisch die Anmeldemaske des Phone Managers. Falls nicht bereits das richtige IP-Office-System angezeigt wird, kann der Benutzer über einen Browse-Button danach suchen lassen. Im Test fand der Phone-Manager-Client das IP-Office-System auf Anhieb.

So wurde getestet

Für den Test der beiden Voice-over-IP-Lösungen wurde ein Windows-Netzwerk aufgebaut, das sich aus einem Windows-2003-Domänen-Controller, einem Exchange-2003-Server und mehreren Windows-XP-Rechnern zusammensetzte. Bei Swyx kam ein weiterer Windows-2003- Server hinzu, auf dem die Telefonanlagen-Software und eine Vier-Port-ISDN-Karte installiert wurden.

Bei Avaya sind diese Funktionen in der IP-Office-Box implementiert. Getestet wurden die Telefoniefunktionen sowohl innerhalb des Windows-Testnetzes als auch mit der Außenwelt, die über ISDN beziehungsweise SIP angebunden wurde.

Einrichten von Benutzern

Damit ein Benutzer über die Avaya-Anlage telefonieren kann, muss der Administrator ihn zuvor im IP Office Manager anlegen und ihm eine Nebenstellennummer sowie die gewünschten Rechte zuordnen. Dabei stellt er auch ein, welche Version des Phone Managers zum Einsatz kommt. In der Regel dürfte dies der Phone Manager Pro oder die Softphone-Variante sein, die mit denselben Funktionen ausgestattet ist. Avaya bietet auch eine funktional beschränkte kostenfreie Lite-Version an.

Damit auch externe Gespräche geführt werden konnten, wurden das IP-Office-System mit einem ISDN-Anschluss verbunden und den Testbenutzern MSNs zugewiesen. Anschließend ließen sich sowohl interne als auch externe Gespräche führen. Als ISDN-Telefon kam das "T3 Compact" zum Einsatz, das mit einem UP0-Port der IP Office 406 verbunden wurde. Das IP-Telefon "T3 Comfort" dagegen kommunizierte über den integrierten LAN-Switch mit der TK-Anlage. Ferner unterstützt IP Office eine Integration mit Mail-Servern. Auf diese Weise können beispielsweise Sprachnachrichten per Outlook zugestellt werden.

Standortkopplung

Die Avaya-Lösung eignet sich auch gut für Unternehmen mit mehreren Standorten, denn das System weiß genau, wo sich die Teilnehmer befinden. Dadurch sind die Mitarbeiter immer und überall über ein und dieselbe Telefonnummer erreichbar. Im Agentenmodus können sich Mitarbeiter auch unter einer anderen Durchwahl am System anmelden. Die Standortkopplung ist dabei sowohl über ISDN als auch via IP möglich.

Für die Vermittlung von Gesprächen ist bei Avaya die Soft Console zuständig. Das leistungsfähige Tool stellt alle Gesprächsaktivitäten in vier Hauptfenstern auf einen Blick dar. Unter anderem ist sofort zu erkennen, wer wen zu erreichen versucht. Die Gespräche lassen sich einfach per Drag-and-Drop zu den richtigen Ansprechpartnern vermitteln. Des Weiteren zeigt die Soft Console für alle Mitarbeiter nach Abteilungen gruppiert an, wer gerade erreichbar ist. Die untere Fensterhälfte gibt Auskunft über den Status der Warteschlange, deren Einstellungen sich ändern lassen. Die Soft Console ist zudem in der Lage, zwei Konferenzräume mit bis zu 64 Teilnehmern zu ver- walten. Allerdings muss jeder Teilnehmer einzeln hinzugeholt werden. Gleiches gilt für Konferenzen, die ein Benutzer über den Phone Manager mit der Schaltfläche "Vermitteln" einberufen kann. Werden regelmäßig größere Konferenzen abgehalten, so ist das "Avaya Conferencing Center" die bessere Alternative.

Telefon- und Web-Konferenzen

Bei Swyxware handelt es sich um eine Software-PBX, die auf Windows-Servern läuft.
Bei Swyxware handelt es sich um eine Software-PBX, die auf Windows-Servern läuft.

Mit dem Web-basierenden Conferencing Center lassen sich Konferenzen über eine einfach zu bedienende grafische Oberfläche planen. Der Einladende kann zudem Dokumente auswählen, die für die Konferenz benötigt werden. Das System wandelt sie automatisch in HTML-Seiten um. Zu Beginn der Konferenz ruft es die Teilnehmer an oder benachrichtigt sie per E-Mail. Im Test wurden zwei Personen zu einer Besprechung mit automatischer Benachrichtigung eingeladen. Die beiden Testbenutzer erhielten darauf- hin vom Konferenzsystem eine E-Mail mit den Einwähldaten, der ID und der PIN für die Einwahl. Bei der Anmeldung for- dert das System den Nutzer auf, seinen Namen zu sagen, und loggt ihn dann in die Konferenz ein.

Für die Voice-over-IP-Kommunikation spielt SIP eine immer wichtigere Rolle. Avaya unterstützt dieses Protokoll in der Softwareversion 4.0. Für unseren Test stellte Avaya eine Vorabversion von IP Office 4.0 zur Verfügung. Damit war es noch nicht möglich, die IP-Office-Anlage über den Provider Sipgate mit dem Internet zu verbinden.

Swyxware 6

Der deutsche VoIP-Anbieter Swyx hat mit Swyxware eine Software entwickelt, die aus Standard-Windows-Servern eine vollständige TK-Anlage macht. Die Verbindung mit dem ISDN-Netz wird dabei über Steckkarten im Telefonie-Server hergestellt. Zum Test trat die Version "Swyxware Professional 6" an. In diesem Paket sind die sechs gängigsten der insgesamt neun Optionspakete bereits enthalten. Für sehr kleine Firmen mit maximal zehn Mitarbeitern ist "Swxyware Compact" gedacht, das sich aber nicht auf die höheren Versionen aufrüsten lässt.

Für den Test lieferte Swyx eine Vier-Port-ISDN-Karte mit, die in den Windows-2003-Test-Server eingebaut wurde. Wenn mehr als acht B-Kanäle benötigt werden, lassen sich auch S2M-Karten mit 30 B-Kanälen einsetzen. Das mitgelieferte Diagnose-Tool zeigte, dass die ISDN-Verbindung über die Vier-Port-Karte fehlerfrei aufgebaut werden konnte.

Vor- und Nachteile

Avaya

Positiv

  • Umfassende Telefoniefunktionen mit leistungsfähiger Vermittlungssoftware und Konferenzlösung;

  • grafisches Voice-Mail-Tool für einfache Implementierung komplexer Regeln;

  • hohe Flexibilität durch modularen Aufbau;

  • Support für standortübergreifenden Betrieb;

  • Unterstützung von 14 Sprachen.

Negativ

  • Unterschiedliche Tools für die Verwaltung nötig.

Swyx

Positiv

  • Umfangreiche Telefoniefunktionen, die sich flexibel nutzen lassen;

  • gute Integration mit Outlook/Exchange;

  • Benutzer lassen sich aus dem Active Directory übernehmen;

  • übersichtliche und intuitiv zu bedienende Verwaltungsoberfläche (Snap-in für MMC);

  • auch standortübergreifender Betrieb möglich.

Negativ

  • Beschränkte Conferencing- und Call-Center-Funktionen.

Die Software-PBX lässt sich auch gemeinsam mit einer vorhandenen TK-Anlage einsetzen. Hierfür unterstützt Swyxware drei Optionen:

Die Software-PBX kann als Master fungieren und eine untergeordnete Anlage steuern, oder Swyxware wird als untergeordnete TK-Anlage eingerichtet. Ebenso ist es möglich, beide Systeme parallel zu betreiben, wobei jedes über eigene Verbindungen zu externen Netzen verfügt.

Vorarbeiten

Vor der Installation des Swyxware-Servers hat der Administrator einige Hausaufgaben zu erledigen. Unter anderem muss er auf dem Swyxware-Server einen Outlook-2003-Client installieren, um ein MAPI-Profil einzurichten. Dieses wird für die Kommunikation mit dem Exchange-Server benötigt. Für die Kommunikation mit dem klassischen Telefonnetz sorgt die Komponente Swyxgate. Des Weiteren wurden der Konferenz-Manager und das Swyxphone-Modul zur Anbindung der IP- Telefone aufgespielt. Wenn WAN-Verbindungen zu anderen Swyxware-Servern oder zu einem SIP-Provider hergestellt werden sollen, muss ferner der Link-Manager installiert werden. Swyx bietet auch ein Text-to-Speech-Modul an, mit dem sich bei Anrufen aus einem Skript heraus automatische Ansagen erzeugen lassen.

Außerdem spielten wir den Swyx-Fax-Client und das Voice-Mail-Modul auf den XP-Rechner auf. Mit ECR bietet Swyxware ein Add-on-Modul an, das es ermöglicht, die Regeln für die Rufbehandlung über eine grafische Oberfläche zu konfigurieren.

Der Swyx-Monitor ist zudem in der Lage, Gespräche permanent mitzuschneiden. Die Installation des Eventlog-Monitors scheiterte zunächst mit der Fehlermeldung, dass der zugehörige Dienst nicht starten konnte. Nach Rückfrage beim Swyx-Support wurde eine neuere Version dieses Tools zur Verfügung gestellt. Sie ließ sich problemlos in Betrieb nehmen und meldete anschließend wichtige Events automatisch per E-Mail an den Administrator.

Für hochverfügbare Konfigurationen offeriert Swyx einen Standby-Server. Fällt der primäre Server aus, übernimmt das Ersatzsystem sämtliche Funktionen. Die Konfiguration des primären Systems wird dabei fortlaufend auf den Standby-Rechner gespiegelt. Sollte ein Swyxware-System an seine Leistungsgrenzen geraten, kann der Administrator einzelne Swyxware-Dienste auf dedizierten Servern einrichten und so die Performance skalieren.

Freie Wahl bei IP-Telefonen

Nachdem die Trunk-Verbindungen eingerichtet worden waren, ging es daran, die für den Test mitgelieferten IP-Telefone "L420S" und "L540" in Betrieb zu nehmen. Swyx bietet unterschiedliche Modelle an, die von kostengünstigen Geräten bis zu Komforttelefonen reichen. Das Telefonieren per Headset oder per USB-Handset "P250" ist mit dem Softphone "Swyxit" möglich. Diese Software wurde auf einem Windows-XP-Rechner installiert. Im CTI-Modus lässt sich das Softphone auch gemeinsam mit einem Tischtelefon verwenden. Der Benutzer steuert das IP-Telefon über den Software-Client und kann dabei CTI-Funktionen wie Voice-Mail oder Telefonieren aus dem Outlook-Adressbuch heraus nutzen.

Damit sich der Benutzer an einem IP-Telefon anmelden kann, muss er zuvor in der Swyxware-Datenbank angelegt worden sein. Einen Teil der Arbeit erspart sich der Administrator, wenn er die Basisdaten aus dem Active Directory importiert. Er muss den Benutzern dann noch Rufnummer, Endgerät, PIN, Voice-Mail-Settings und Rechte zuweisen. Bei den Tischtelefonen ist für die Anmeldung lediglich die Eingabe der PIN erforderlich. Das Softphone benötigt kein eigenes Login, sondern verwendet automatisch den Benutzer, der sich am PC angemeldet hat.

Integrierte Kommunikation

Durch die Kombination von CTI und Voice-Mail lässt sich Swyxware flexibel einsetzen. Beim ersten Start des Softphones öffnet sich ein Assistent, um eine Voice-Mail-Ansage aufzunehmen. Der Benutzer kann mehrere Ansagen konfigurieren und zeitgesteuert einsetzen. Voice-Mails und Faxe stellt Swyxware im Outlook- oder Lotus-Notes-Postfach zu. Bei Sprachnachrichten enthält die E-Mail einen Rückruf- und einen E-Mail-Antwort-Button, wenn die Person dem System bekannt ist. Im Test bekam der auf dem XP-Client angemeldete Benutzer seine Sprachnachrichten per Outlook.

Darüber hinaus unterstützt Swyxware ein terminbezogenes Anruf-Management, bei dem die Benutzer eingehende Anrufe anhand ihres Outlook-Terminkalenders umleiten können. Neben Outlook/Exchange ist auch eine Integration mit Lotus Domino/ Notes möglich. Für "Konferenzen" mit mehr als drei Teilnehmern ist das Modul Konferenzmanager erforderlich. Damit lassen sich auch größere Telefonkonferenzen abhalten. Der Administrator legt mit Hilfe des Call Routing Manager fest, wie lange eine Konferenz dauert und wer an ihr teilnehmen darf.

Fazit

Beide getesteten VoIP-Lösungen stellen kleineren und mittelgroßen Unternehmen alle wichtigen Telefoniefunktionen zur Verfügung, so dass kaum Wünsche offen bleiben. Ob eine Hybrid-TK-Anlage wie IP Office von Avaya oder eine rein softwarebasierende Lösung wie Swyxware 6 von Swyx die bessere Wahl ist, hängt in erster Linie davon ab, ob ein Unternehmen auf eine klassische (ISDN-) TK-Anlage zumindest vorerst noch nicht verzichten will oder relativ zügig auf VoIP umgestellt werden soll. Wobei auch Swyxware einen sanften Migrationspfad eröffnet, indem sich das System als Unteranlage an einer vorhandenen TK-Anlage betreiben lässt.

Während Avaya Preise nur auf Anfrage mitteilt, liegt der Basispreis für die Swyxware Essential 6 inklusive Fünf-User-Lizenz bei 875 Euro. In der Professional-Variante mit 50-User-Lizenz, zehn Sprachkanälen und Vier-Port-ISDN-Karte kostet das Produkt um die 14 000 Euro.