CeBIT-Trends/Internet-Telefonie als gemanagter Dienst

VoIP: Neustart nach sanfter Landung

14.03.2003
Mangel an Sprachqualität und Geld werden als Gründe genannt, warum Voice over IP (VoIP) nicht in die Gänge zu kommen scheint. Analysten und Lösungsanbieter sehen weniger schwarz und bescheinigen gemanagten VoIP-Diensten wegen der besser kalkulierbaren Kosten gute Chancen. Von Kerstin Janke*

Der prognostizierte VoIP-Hype ist ausgeblieben. Vor wenigen Jahren noch als eine der Zukunftstechnologien gehandelt, ist VoIP mit der gesamten IT- und TK-Branche auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt. Doch war die Landung für VoIP eher sanft. Inzwischen gibt es in Deutschland eine langsam, aber stetig wachsende Zahl an VoIP-Installationen. Allein die Deutsche Telekom kann eigenen Angaben zufolge auf 120 VoIP-Projekte aus den letzten beiden Jahren verweisen.

"TK-Anlagen sind langfristige Investitionen", sagt Peter Scheer, Manager Consultant TK bei der Meta Group, "die können nicht von heute auf morgen abgeschrieben werden." Die wirtschaftliche Situation der Unternehmen sorgt zudem für Investitionsstopps in vielen Bereichen. "Wenn der Leidensdruck nicht groß genug ist, besteht für die Unternehmen oft keine dringende Notwendigkeit, in VoIP zu investieren", bestätigt Wolfgang Karbstein, Sales Manager Pervasive Computing und Voice Systems bei der IBM Deutschland.

Inzwischen ist die Technik ausgereift, IP-Endgeräte bieten alle Funktionen der herkömmlichen Telefone und darüber hinaus einige zusätzliche Features. Dennoch lassen die notwendigen Anfangsinvestitionen viele Unternehmen von einer VoIP-Lösung Abstand nehmen. Und ob VoIP sich schnell rentiert, ist oft schwer nachzuweisen. Deshalb ist immer öfter von "Sanfter Migration" und "Gemanagten Diensten" die Rede, also der Segmentierung in Teilprojekte oder der Übernahme von Teilen des Betriebs durch einen externen Dienstleister. Vorhandene TK-Anlagen und Endgeräte lassen sich einbinden und IP-Telefone sukzessive anschaffen. Neue Mitarbeiter können beispielsweise sofort mit VoIP ausgerüstet werden. Voraussetzung für die Technik ist ein IP Virtual Private Network (VPN), das Daten priorisieren kann.

Die Verantwortung teilen

Inzwischen bieten verschiedene Dienstleister VoIP als gemanagten Dienst an. Dies könnte der Technologie weiter auf die Sprünge helfen, denn der Dienstleister garantiert die Funktionsfähigkeit, und die Kosten sind transparent. Der Kunde mietet eine softwarebasierende TK-Anlage, die jeweils im LAN des Kunden installiert und mit dem IP VPN verbunden wird. Rüdiger Nagel vom Produkt-Management der Deutschen Telekom Network Projects & Services GmbH beschreibt eine weitere Möglichkeit: "Statt einer TK-Anlage vor Ort können Kunden sämtliche Telefonieleistungsmerkmale über das Unternehmensnetz von einem Carrier beziehen. Das IP-Telefon wird einfach in die Datensteckdose eingesteckt, und der Nutzer kann sofort mit den gewohnten Funktionen, wie Rückruf bei besetzt oder Umleitung telefonieren. Darüber hinaus stehen ihm Voice-Mail und Unified Messaging zur Verfügung. Nach der Installation fallen monatliche, fixe Gebühren an." Die Investition in eine klassische oder Soft-TK-Anlage kann sich der Kunde dann sparen, denn eine TK-Anlage wird an keinem Standort mehr benötigt. Lösungsanbieter wie die Deutsche Telekom oder Colt Telecom gewährleisten, dass Sprachdaten in gewohnter Telefonqualität übertragen werden. Der Dienstleister ist dafür verantwortlich, dass die für VoIP nötigen Standards eingehalten werden. So lässt sich transparenter kalkulieren und auch das Risiko, das ein VoIP-Projekt in Unzufriedenheit endet, wird geringer.

Outsourcing und Outtasking

Trotz all dieser Vorteile ist es nicht jedermanns Sache, die Verantwortung für die IT-Infrastruktur nach außen zu geben. Mangelndes Vertrauen in den Dienstleister ist nach einer Meta-Group-Studie vom vergangenen Jahr eines der wichtigsten Motive. Doch genau wie VoIP entwickelt sich der Outsourcing-Markt zwar langsamer als erwartet, aber dennoch stetig steigend. Niamh Spillane, IP-Expertin und Analystin bei Frost & Sullivan, erklärt die Bedenken einiger Unternehmen: "In den letzten Monaten hatten einige der großen Carrier immense finanzielle Probleme, manchmal bis hin zur Insolvenz. Das stärkt nicht gerade die Zuversicht potenzieller Kunden." Zudem gebe es oft interne Konflikte, weil IT-Leiter wegen Outsourcing um ihren Arbeitplatz fürchteten.

Vor allem bei Mittelständlern ist deshalb das Outtasking ein Trend. Dabei werden nur Teile der IT an ein anderes Unternehmen vergeben, als Unterstützung des IT-Leiters und nicht, um ihn zu ersetzten - eine gute Lösung, zumal heutige Technologien komplexer geworden sind und häufig aktuelles Spezialwissen erfordern.

"Gemanagte Dienste sind für die Zukunft auf jeden Fall interessant", meint Meta-Group-Mann Peter Scheer. "Beispielsweise können die Unternehmen einzelne Bereiche nach außen vergeben und dafür Verträge mit kürzeren Laufzeiten als bisher für TK-Anlagen üblich abschließen."

Der sanfte Einstieg in VoIP und Outsourcing wird immer mehr Unternehmen überzeugen. Sie binden sich nicht so vollständig und langjährig an einen Anbieter, können die neue Technologie aber preistransparent nutzen.

Dass VoIP langfristig erfolgreich sein wird, darin sind sich Analysten und Dienstleister einig. "Wenn TK-Anlagen sowieso ausgetauscht werden müssen, dann denken mittlerweile viele Unternehmen sofort an VoIP", so IBM-Mann Wolfgang Karbstein. Die von Big Blues Global Service gemanagten Lösungen steigern langsam, aber sicher ihren Umsatz. Stefan Wanke, Marketing-Manager DSL und Sprachservices bei Colt Telecom, sieht erst mittelfristig wachsenden Bedarf an gemanagten VoIP-Lösungen. Gemeinsam mit Partnern wird derzeit die virtuelle IP-Nebenstellenanlage in einigen Pilotprojekten getestet.

Auch auf der diesjährigen CeBIT in Hannover können sich Interessierte jede Menge Informationen zum Thema VoIP holen. Beispielsweise am Stand der Deutschen Telekom (Halle 26), im T-LAN-Bereich bei der T-Com, können Besucher VoIP live testen. Dazu stehen normale und schnurlose IP-Telefone bereit. Zudem werden Applikationen wie CTI (Computer Telephony Integration) und Unified Messaging demonstriert. IBM in Halle 1 zeigt ebenfalls konvergente Sprach- und Datenlösungen für Geschäftskunden. Das Unternehmen unterhält eine Partnerschaft mit Siemens, um Gesamtlösungen aus Hard- und Software sowie Services liefern zu können. Auch auf dem Messestand von Detewe sind VoIP-Lösungen ein zentrales Thema. Das Unternehmen bettet die Lösungen in seine Präsentationen und Live-Demonstrationen in den Bereich rund um "Intelligente Netze" ein. "In naher Zukunft wird IP für zahlreiche Anwendungen wichtig", sagt Michael Max, Network Consultant bei Detewe. "Unternehmen müssen sich mit ihren Netzwerken beschäftigen. Für VoIP, Video over IP und viele andere Anwendungen sind strukturierte Kommunikationsflüsse nötig. Das bedeutet, Intelligenz im Netzwerk abzubilden." (bi)

*Kerstin Janke ist Journalistin in Berlin.

Angeklickt

- IP-Endgeräte bieten alle Funktionen der herkömmlichen Telefone und darüber hinaus einige zusätzliche Features.

- Vorhandene TK-Anlagen und Endgeräte lassen sich in "Gemanagte Dienste" einbinden.

- Der sanfte Einstieg in Internet-Telefonie und Outsourcing wird für immer mehr Unternehmen interessant.