Voice over IP/Mehrwertfunktionen locken Anwender

VoIP bietet mehr als nur Telefonieren

26.04.2002
Lange Zeit argumentierten die Hersteller, mit VoIP ließen sich im Vergleich zur klassischen Telefonie vor allem Kosten einsparen. Dieses Argument ist inzwischen überholt. Der Mehrwert der Technik besteht unter anderem in der Möglichkeit, Sprache und Daten in neuen Anwendungen zu verknüpfen. Von Harald Bender*

Bei der Diskussion über den Einsatz von Voice over IP (VoIP) in Unternehmen standen bisher fast ausschließlich technologische und konzeptionelle Aspekte im Vordergrund. Auch die Kostenfrage von IP-basierter Sprachkommunikation war Gegenstand häufiger Diskussionen.

Dabei wurde jedoch zumeist die Zielgruppe aus den Augen verloren, die für die Akzeptanz einer neuen Technologie entscheidend ist: die Anwender. Denjenigen, die auf die Sprachkommunikation angewiesen sind, ist es letztendlich gleichgültig, welche Technik hinter dem Telefon steckt, ob für die Telefonie im Unternehmen ein weiteres physikalisches Netzwerk benötigt wird oder ob der gesamte Sprachverkehr über das LAN abgewickelt wird. Sie sind vielmehr daran interessiert, dass sich durch die Konvergenz von Sprache und Daten am Arbeitsplatz Vorteile für sie ergeben. Neben möglichen neuen Telefonieapplikationen, die ihnen das Arbeitsleben erleichtern könnten, wollen sie darüber hinaus wissen, ob der Einsatz von VoIP eine Umgewöhnung für sie bedeutet.

Beispielsweise sind viele Anwender der Meinung, dass die Einführung von VoIP gleichzeitig auch den Verlust des klassischen Tischtelefons zugunsten der PC-basierten Telefonie bedeutet. Das stimmt so nicht: Für Teilnehmer an einer IP-Telefonanlage besteht immer auch die Möglichkeit, weiterhin ein klassisches Tischtelefon als Endgerät zu verwenden.

Allerdings würde dies bedeuten, auf viele neue Komfortfunktionen zu verzichten, die erst in Verbindung mit einem PC möglich werden. Denn das klassische Systemtelefon ist in den Funktionsmöglichkeiten gegenüber dem PC erheblich eingeschränkt: kleines Display, festkodierte Funktionen, beschränkte Tastenzahl.

Bei der Nutzung des PCs zur Telefonie sind vor allem die mit der Sprachkommunikation verknüpften Applikationen und Features entscheidend. Nur sie sind es, die in den Augen der Anwender einen Umstieg rechtfertigen. Dabei reicht es selbstverständlich nicht aus, auf dem PC die Oberfläche eines klassischen Telefons nachzubilden. Dies wäre reine Ressourcenverschwendung, dem Anwender würde sich die Frage nach dem Nutzen und dem Mehrwert stellen.

VoIP ist viel flexibler als klassische TelefonieZur PC-Telefonie gehört eine Client-Software, mit der alle Telefoniefunktionen einfach und komfortabel auf dem PC konfiguriert und ausgeführt werden können. Die Akzeptanz dieser Software hängt in erster Linie von der Benutzerfreundlichkeit und der Anpassbarkeit an die persönlichen Telefoniegewohnheiten ab. So sollte man darauf achten, dass nicht nur die Anzahl der Kurzwahl- und Funktionsstasten, sondern auch das Aussehen, die Größe und das Design beliebig verändert werden können. Ziel ist es hierbei, alle Anforderungen vom einfachen Arbeitsplatz mit gelegentlichen Telefonaten bis hin zum Vermittlungs- oder Call-Center-Arbeitsplatz mit einer Software abzudecken.

Geht es um die Frage, wie einfach sich ein PC zum Telefonieren einsetzen lässt, verweisen Skeptiker gerne auf die einfache Bedienung eines klassischen Telefons. Dabei vergessen sie jedoch leicht, dass alles, was über ein simples Telefonat hinausgeht, auf klassischen Tischtelefonen eine sehr umständliche Bedienung erfordert. Funktionen wie das Programmieren der Namenstasten, das Weiterleiten von Anrufen oder das Abhören von Sprachnachrichten sind meist nur über komplizierte Tastenkombination zu bedienen.

Das setzt allerdings voraus, dass die vorhandene, klassische TK-Anlage überhaupt über solche fortgeschrittenen und in der Regel kostspieligen Features verfügt. Hier können mit softwarebasierenden IP-Telefonanlagen erhebliche Fortschritte in Leistungs- und Funktionsumfang realisiert werden, die dann wiederum den Anwendern als Mehrwert zur Verfügung stehen. Beispiele für solche Applikationen im Umfeld von VoIP sind Voicemail an jedem Arbeitsplatz, Intelligentes Call-Routing (ICR), Software Telephony Integration oder One Click Application Sharing.

Beim Einsatz IP-gestützter TK-Anlagen ist jeder Anwender sofort mit umfangreichen Voicemail-Funktionen ausgestattet, die es erlauben, individuelle Anrufbeantworter-Szenarien zu definieren. Erwähnenswert sind beispielsweise zeit- und datumsabhängige Umleitungen, mit denen auch außerhalb der Geschäftszeiten keine Anrufe unbeantwortet bleiben. Das Besondere dabei ist, dass die Voice-Mails nicht kompliziert per Tastenkombination am Tischtelefon abgefragt werden müssen, sondern einfach per E-Mail mit Attachment versendet werden und sich somit perfekt in die vorhandene Software (den E-Mail-Client) integriert.

Bei den Rufumleitungen über ICR kann bei der PC-Telefonie erstmals auch auf Daten im Terminkalender zurückgegriffen werden. Die IP-Telefonanlage erkennt automatisch, wann ein Teilnehmer aufgrund eines Termins nicht im Hause ist, und kann so beispielsweise alle Rufe entweder auf das Mobiltelefon oder an die Kollegen im Büro weiterleiten. Mithilfe von intelligenten Assistenten können schnell und einfach Regeln erstellt werden, nach denen eingehende Anrufe verarbeitet und weitergeleitet werden sollen.

Wird der PC zur Telefonie verwendet, müssen Adresskontakte mit Telefonnummern nicht mehr mehrfach verwaltet werden. Telefoniefunktionen lassen sich in Standardsoftware, etwa Personal Information Manager wie Microsoft Outlook, Kundendatenbanken, Warenwirtschafts- oder Customer-Relationship-Management- (CRM-)Systeme integrieren.

Gespeicherte Kontakte beziehungsweise Telefonnummern können direkt aus den Anwendungen heraus angewählt werden. Umgekehrt besteht auch die Möglichkeit, eingehende Rufe einfach mit bestehenden Daten zu verknüpfen: So kann bei Eingang eines Anrufes zum Beispiel automatisch der entsprechende Outlook-Kontakt geöffnet werden, der dem Anwender dann sofort zu Gesprächsbeginn Informationen zum Gesprächspartner liefert.

Die bestehende Telefonverbindung zwischen zwei Gesprächspartnern lässt sich darüber hinaus auch für neue, innovative Telefoniefunktionen nutzen. So ist es zum Beispiel möglich, während eines Telefonats mit einem Mausklick den Desktop für den Gesprächspartner freizugeben. Beide Gesprächspartner können so nicht nur gleichzeitig über ein Dokument am Telefon diskutieren, sondern dieses auch gleichzeitig bearbeiten.

Der Vorteil liegt hier in der einfachen Bedienbarkeit und der Nutzung der bereits bestehenden (IP-)Verbindung zwischen den beiden Teilnehmern. Es muss also nicht umständlich in eine andere Applikation gewechselt werden, um dann eine zusätzliche Verbindung aufzubauen. Neben der gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten können auf diese Weise auch Helpdesk-Szenarien realisiert werden. So ist beispielsweise ein Administrator während eines Telefonats sofort in der Lage, Änderungen am PC eines Mitarbeiters vorzunehmen, wenn dieser eine Freigabe erteilt hat.

Die genannten Anwendungsszenarien bilden nur einen kleinen Ausschnitt der Telefoniefunktionen, die auf Basis von VoIP einfach realisierbar und mit dem PC sinnvoll anzuwenden sind. Sie zeigen auch, dass mit modernen IP-Telefonanlagen Leistungsmerkmale zur Selbstverständlichkeit werden, die sich bisher entweder nicht realisieren ließen oder nur zu einem sehr hohen Preis ausschließlich Großunternehmen zur Verfügung standen. Damit stehen erstmals auch Highend-Funktionen wie Automatic Call Distribution (ACD) oder Interactive Voice Response (IVR) den Anwendern in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu einem akzeptablen Preis zur Verfügung. Dies betrifft sowohl die Anschaffungskosten als auch die Kosten für Inbetriebnahme und Wartung. Im Vergleich zu klassischen TK-Anlagen sind softwarebasierende IP-Telefonanlagen beliebig ausbaufähig und lassen sich in bereits bestehende TK-Infrastrukturen integrieren. Spezielle Funktionalitäten können einfach per Software-Update aufgespielt werden. Auch kleinere Unternehmen sind so in der Lage, ihre Wettbewerbsfähigkeit in puncto Erreichbarkeit und Produktivität zu sichern. (ave)

*Harald Bender ist Leiter Marketing bei Swyx Communications AG in Dortmund.

Vorteile von IP-Telefonanalagen im Überblick- Steigerung der Produktivität durch neue Telefonie-Komfortfunktionen, wie zum Beispiel Wählen direkt aus Microsoft Outlook, Namensauflösung eingehender Anrufe, Voicemail;

- Verbesserung der Erreichbarkeit für Kunden, zum Beispiel durch intelligente Umleitungsfunktionen (Call Routing Manager) oder Interactive Voice Response (IVR);

- Integration der TK-Administration in das IT-Management, Änderungen und Umstellungen an der Telefonanlage können intern abgewickelt werden;

- Investitionskosten für Infrastruktur werden gesenkt (zum Beispiel in neuen Gebäuden);

- einfache Skalierbarkeit: Neue Mitarbeiter können sofort freigeschaltet werden;

- einfache Erweiterbarkeit: Neue Zusatzfunktionen oder Features werden einfach als Software-Update aufgespielt;

- Unternehmen mit mehreren Standorten oder mit Mitarbeitern in Home Offices sparen Gesprächsgebühren durch Nutzung von IP-Verbindungen;

- keine aufwändigen Administratoren-Schulungen notwendig, da standardisierte Software zum Einsatz kommt, zum Beispiel Microsoft Management Console (MMC);

- Verwendung offener Standards;

- einfache Integration von Sprach-, Fax- und Mail-Diensten (Unified Messaging).