Voice over DSL: Sparbüchse oder Sackgasse?

20.12.2001
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Mit Voice over DSL - kurz VoDSL - kommt eine Technologie aus den USA auf den deutschen Markt, die Anwendern und Carriern enormes Sparpotenzial verspricht: breitbandige Datenübertragung und Telefonie über ein einziges Kupferkabel. Auch der Administrationsaufwand soll geringer sein als mit den bisherigen Lösungen.

Bereits bei der Frage nach dem Return on Investment scheiden sich in der VoDSL-Diskussion - das nicht mit ADSL, sondern den höherbitratigen, symmetrischen DSL-Verfahren zum Einsatz kommt - die Geister. So wirbt Colt Telecom, einer der ersten bundesweiten Anbieter dieses Verfahrens, damit, dass VoDSL um rund 30 Prozent günstiger ist als ein vergleichbarer ISDN-Primärmultiplexanschluss (S2M). Andere dagegen, etwa Steffen Richter vom TK-Anlagenbauer Tenovis, vertreten die Meinung, dass sich VoDSL als Ersatz für einen S2M-Anschluss nicht etablieren wird. Er sieht als typische Verwendungsbereiche Agenturen und Filialen mit einer kleineren Belegschaft.

Pro Voice over DSL:

günstiger als klassische Telefonleitung,

nur noch eine Leitung für Daten und Sprache,

flexibel und skalierbar,

geringe Investitionskosten,

als Layer-2-Technologie auch in Verbindung mit herkömmlichen TK-Anlagen zu nutzen,

einfache Administration.

Carsten Queisser, Business Development Manager bei Cisco, argumentiert allerdings: "DSL ist eine Access-Technologie des Consumer-Marktes, im Business-Umfeld wird sich 10 Gigabit Ethernet durchsetzen. Deshalb hat VoDSL nur Übergangscharakter." Vergleicht man die verschiedenen Meinungen zu VoDSL, so erinnern die Antworten an Radio Eriwan, "Im Prizip ja, aber...".

Einen Erklärungsansatz für die unterschiedlichen Aussagen zum Thema VoDSL liefern die Ausführungen von Siemens-Manager Hermann Rodler. Er sieht die VoDSL-Thematik vor allem bei den Datennetzbetreibern angesiedelt, die mit dem reinen Internet-Access kein profitables Geschäftsmodell hätten. Mit VoDSL seien diese Provider in der Lage, über die gleiche Infrastruktur die Sprachtelefonie billig als Zusatzprodukt anzubieten. "Ein Business-Szenario, von dem auch der Anwender profitiert, da die Tarife sicher günstiger sind als bei der Anschaltung über eine S2M-Leitung", so Rodler.

Kontra Voice over DSL:

junge Technologie, Praxiserfahrungen fehlen,

DSL macht im Regelbetrieb bei den Carriern noch Probleme,

Fragen der Quality of Service (QoS), besonders in Bezug auf Latenzzeit, sind noch ungelöst,

heute noch kaum Anbieter,

Zukunft von DSL im Business-Umfeld ungewiss.