Mobilfunk kannibalisiert das Festnetz

Vodafone liebäugelt mit IT-Profis

16.07.2004
MÜNCHEN (pg) - Der weltweit größte Mobilfunkanbieter Vodafone feilt an seinem Image und sucht in einem schwierigen Markt nach Wachstumsfeldern. Eines ist die Mobilisierung der IT, die mit UMTS vorangetrieben werden soll.

Wenn Arun Sarin, CEO der Vodafone Group, über seine Ziele spricht, kokettiert er als Hauptsponsor von Ferrari gerne mit der Formel 1. "Die Marke Vodafone muss bekannter werden als Ferrari", wünscht sich Sarin. Doch vom Bekanntheitsgrad der italienischen Boliden ist der britische Mobilfunkkonzern noch weit entfernt, und die größte Parallele besteht derzeit wohl in der roten Markenfarbe.

Dabei ist das Unternehmen aus dem englischen Newbury kein Nobody. Mit über 133 Millionen direkten Kunden rangiert Vodafone unangefochten an Nummer eins vor Konkurrenten wie T-Mobile International oder Orange. Diese Teilnehmerzahl erreichen die Briten durch Beteiligungen an Mobilfunknetzbetreibern in 26 Ländern, in den meisten Fällen mehrheitlich. Damit ist Vodafone der Provider mit der weltweit größten Mobilfunkreichweite.

Integration statt Akquisition

Die starke internationale Präsenz ist das Ergebnis der Einkaufstour von Sarins Vorgänger Chris Gent. Er war es, der durch spektakuläre Übernahmen wie die von Airtouch und Mannesmann aus dem früheren Tochterunternehmen von Racal Electronics das vierzehntgrößte Unternehmen der Welt mit einer Marktkapitalisierung von 150 Milliarden Dollar formte. Doch die Größe hat ihren Preis. Gent hat nach seinem Rückzug vom Posten des CEO im April 2003 Nachfolger Sarin ein schweres Erbe hinterlassen. Ihm muss das Kunststück gelingen, die zahlreichen Landesgesellschaften auf eine einheitliche Linie zu bringen und für weiteres Wachstum des Konzerns zu sorgen.

Kein leichtes Unterfangen, denn Sarin agiert verglichen mit Gent in einem Markt, in dem mittlerweile andere Vorzeichen gelten. Zukäufe um jeden Preis, wie sie sein Vorgänger tätigte, sind den Investoren heute nicht mehr zu vermitteln. Darüber hinaus sind die Zeiten des grenzenlosen Wachstums vorbei. In Europa, Asien und Nordamerika sind die Märkte weitgehend gesättigt, und im Neukundengeschäft herrscht ein brutaler Verdrängungswettbewerb.

Langsame Umsatzentwicklung mit UMTS

Bislang erfüllte sich auch die Hoffnung nicht, das Konsumverhalten der Verbraucher durch ein größeres Angebot von Inhalten anzukurbeln. Im Gegenteil: Der durchschnittliche monatliche Kundenumsatz sank bei Vodafone im vergangenen Geschäftsjahr von 26,1 auf 25,8 Euro - und das trotz aufwändiger Marketing-Kampagnen und zunehmend mehr Kamera-Handys am Markt.

Als Flop erwies sich für Vodafone bisher auch die dritte Mobilfunkgeneration UMTS beziehungsweise 3G. "Es fehlt immer noch an Endgeräten", klagt Sarin. Das Geschäft werde sich deshalb stark auf Weihnachten konzentrieren. Bis dahin hofft er auf sechs vermarktungsfähige UMTS-Handys und dämpft die Erwartungen: "Mit 3G werden wir zunächst keine großen Umsätze erwirtschaften. Das Geschäft wird sich erst über die nächsten fünf Jahre entwickeln."

Erfreulich gestaltet sich laut Vodafone Deutschland immerhin die Nachfrage nach der "Mobile Connect Card UMTS", die Firmen zunehmend für die Notebooks ihrer mobilen Mitarbeiter ordern. Die Geschäftskunden sind es auch, die in Sarins Zukunftsplänen wegen der höheren Bandbreite in UMTS-Netzen eine wesentlich größere Rolle als bisher spielen. Neben dem traditionellen Sprachverkehr und Infotainment stellt der IT-Bereich die dritte Säule dar, mit der Vodafone weiter wachsen möchte. "Die Informationen und Applikationen, die heute auf dem Desktop lokalisiert sind, müssen mobil werden", sagt Sarin. Um Office-Tools und Softwareanwendungen zu mobilisieren und auf seinen 3G-Netzen zu integrieren, kooperiert Vodafone bereits mit IT-Playern wie Microsoft, IBM, Hewlett-Packard, Oracle oder Cisco.

Preisverfall im Mobilfunk

Neben dem lukrativen Datenverkehr der Unternehmenskunden sowie den voluminösen Infotainment-Diensten für Privatkunden sieht das Vodafone-Management nach wie vor in der Sprachkommunikation Wachstumspotenzial. In vielen Märkten, so die Analyse, entfallen nur 20 Prozent der Telefonminuten auf den Mobilfunk. "Wir müssen dem Festnetz Minuten abjagen", lautet deshalb das Credo von Sarin. Dabei ist sich der Vodafone-Boss der Tatsache durchaus bewusst, dass dieser Plan nur über den Preis realisierbar ist. "Die Tarife werden fallen und infolgedessen die Mobilfunkminuten wachsen", prognostiziert Sarin und erwartet diesen Trend in zwei bis fünf Jahren.

Diese Prognose wird durch die Marktforscher von Ovum gestützt. Sie rechnen bis zum Jahr 2008 mit einem Marktwachstum von 51 Prozent. Wie groß das Potenzial des Mobilfunks ist, beweist auch die Verbreitung des Handys. Einer Studie der Analysten von SRI Consulting Business Intelligence zufolge nutzen heute weltweit 1,3 Milliarden Menschen ein Mobiltelefon. Damit rangiert der Mobilfunk im internationalen Vergleich vor einer Milliarde E-Mail-Accounts, 700 Millionen PCs, 600 Millionen Internet-Nutzern sowie 80 Millionen Breitbandzugängen. Bei insgesamt sechs Milliarden Erdbewohnern sehen die Auguren für den Mobilfunk noch Luft nach oben.

Um möglichst viele und umsatzträchtige Kunden adressieren zu können, plant Sarin weitere Zukäufe, jedoch nicht um jeden Preis. Sein Augenmerk richtet sich dabei vor allem auf den osteuropäischen Markt. Nach dem im Frühjahr gescheiterten Versuch, AT&T Wireless zu kaufen, muss der Vodafone-Chef vorerst auch seine Pläne begraben, im US-Geschäft als eigenständiger Anbieter zu agieren, und ist in diesem Segment weiter auf die Minderheitsbeteiligung bei Verizon Wireless angewiesen.

Sarin ist das ein Dorn im Auge, denn ein Prinzip von Vodafone ist es, in allen Landesgesellschaften mindestens die Mehrheit anzustreben. Der Grund: Der Konzern möchte seine Marke und Dienste unabhängig von anderen Gesellschaftern weltweit einheitlich präsentieren. Deshalb läuft seit drei Jahren konzernintern das Projekt "One Vodafone" (siehe Kasten "One Vodafone"), das zum Ziel hat, die Organisation und Entwicklung effizienter zu gestalten sowie das Markenbewusstsein in den jeweiligen Landesgesellschaften wie auch beim Kunden zu schärfen. Ein Beispiel dafür ist die Umwandlung der deutschen Tochter von D2 in Vodafone. Angesichts der jüngst bekannt gewordenen Vodafone-Pläne, hierzulande 50 Milliarden Euro des Mannesmann-Kaufpreises als Verlust steuerlich abzuschreiben, wird Vodafone bei den Deutschen eine Menge Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis das Image Schumi- und Ferrari-Niveau hat.

One Vodafone

One Vodafone ist ein Projekt zur Neustrukturierung des Konzerns. Ziel ist es, weltweit eine einheitliche und effektive Organisation zu schaffen, in die sämtliche Landesgesellschaften integriert sind. Die Vodafone Group will damit verhindern, dass die jeweiligen Töchter ihr eigenes Süppchen kochen und Ressourcen verschwendet werden. So ist die Entwicklung von Diensten auf einzelne Länder verteilt. In der Obhut der deutschen Vodafone liegt beispielsweise das Portal "Vodafone Live". Die jeweiligen Entwicklungen müssen von den anderen Landesgesellschaften dann übernommen werden. Durch die Bündelung der Kräfte will Vodafone außerdem seine Marktmacht stärken und gegenüber den Herstellern von Netztechnik und Endgeräten bei der Standardisierung und Entwicklung von Produkten sowie im Einkauf geltend machen. Außerdem soll One Vodafone dazu beitragen, die einzelnen Landesmarken in die Dachmarke Vodafone zu überführen.

Abb: Wachstum gebremst

Die Marktsättigung hat das Wachstum des Mobilfunkkonzerns abgebremst. Quelle: Vodafone