VMworld-Zusammenfassung: Virtualisierung wird zur Norm – und preiswerter

16.09.2007
Anwender dürfen optimistisch sein: Wenn VMware und Citrix ihre dominante Stellung bei der x86-Virtualisierung beziehungsweise beim Server-based Computing verlieren, fallen die Preise.

Von Dennis Zimmer* und CW-Redakteur Ludger Schmitz

Die Preisschilder sind noch nicht umetikettiert, aber eins steht nach der VMworld in der zweiten September-Woche fest: Anwender können von deutlich sinkenden Kosten ausgehen. Denn mit VMware, Citrix samt seiner Neuerwerbung Xensource und Microsoft konkurrieren drei Anbieter um identische Märkte. Die mit fast 11.000 Besuchern weltgrößte Fachveranstaltung für Virtualisierung nutzte der Veranstalter VMware in San Francisco zu einem Feuerwerk neuer Produkte. Citrix und Microsoft überließen dem Konkurrenten allerdings nicht die Schlagzeilen.

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welche neuen Produkte VMware vorgestellt hat;

wie die Konkurrenz von Citrix und Microsoft reagiert;

was die Konsequenzen für den Markt sind;

ob den Partnerfirmen das Aus droht.

Zu viel Unruhe am Markt kann aber auch schaden. Deshalb hatte VMware vor der VMworld schon betont, der Markt sei riesig, die Analysten von IDC reden von zwei Milliarden Dollar im Jahr 2011. "Unser Interesse ist es, diesen Markt voranzutreiben. Er lässt genug Möglichkeiten für andere Hersteller, sich mit anderen Produkten und anderen Funktionen einzubringen", gab Martin Niemer, der Europa-Marketing-Leiter von VMware, die Parole aus der Unternehmenszentrale weiter. "Es ist keine Frage, dass wir uns im selben Markt wie Citrix und andere bewegen. Aber wir wollen niemandem die Butter vom Brot nehmen."

Das wird man bei Citrix kaum so sehen. Denn "Virtual Desktop Manager" (VDM) heißt ein neues Kernprodukt von VMware. Diese Schlüsselkomponente in der "VMware Virtual Desktop Infrastructure" (VDI) ist aus der Übernahme des britischen Anbieters Propero hervorgegangen. Technisch handelt es sich um einen so genannten Connection Broker, der dem Endanwender-Client eine (oder mehrere) virtuelle Maschinen (VMs) mit ihren Anwendungen vom Server verfügbar macht. Es handelt sich also um eine virtualisierte Variante des Server-based Computing – auf nichts anderes orientiert sich im Prinzip auch Citrix.

VMwares VDM befindet sich noch in der Betaphase; mit der Freigabe ist gegen Ende dieses Jahres zu rechnen. Erst danach werden Tests zeigen, welche Server-Ressourcen die Lösung zur Versorgung von wie vielen Benutzern benötigt. Auch über die Preisgestaltung möchte der Anbieter noch nichts verraten. Bekannt ist, das Produkt wird SSL-Verschlüsselung für die RDP-Verbindung, RSA-Secure-ID, Single-Sign-on, Smartcard-Integration und USB-Unterstützung bieten. Und VDM wird über die Management-Umgebung von VMware administriert.

Man darf bei dieser VMware-Attacke jedoch nicht vergessen, dass sich zuvor Citrix mit der Übernahme des VMware-Konkurrenten Xensource ebenfalls auf gegnerisches Terrain begeben hat. Denn Xen hat mit der Version 4 auf VMwares ESX aufgeholt. In der Konkurrenz zwischen Citrix und VMware mochte Microsoft, jeweils Wettbewerber in Sachen Virtualisierung wie Server-based Computing, nicht beiseitestehen: Aus Redmond kam die Pressemitteilung, im Januar nächsten Jahres erscheine eine Workgroup-Ausgabe des "Virtual Machine Manager 2007" (VMM) in Microsofts "System Center". Eine umfassendere Version gebe es ab dem ersten Quartal 2008 in einer Betaversion.

In Microsofts Ankündigung stecken zwei unschöne Nachrichten für VMware: Erstens wird VMM mit dem "Microsoft Operations Manager" (MOM) und mit dem "System Center Configuration Manager" – früher "Systems Management Server" (SMS) – eng verstrickt. Das heißt, mit VMM sollen Anwender auch virtuelle Maschinen steuern können, die aus VMware und Xen geschaffen wurden. Und darüber hinaus wird solch ein System dann außer den virtuellen auch noch die physikalischen Maschinen unter eine Management-Umgebung bringen. Das kann "VMware Virtual Center 2.0" nicht. Bei ihm bleibt die physikalische Umgebung Admin-Tools wie HPs "Openview" oder IBMs "Tivoli" beziehungsweise "Director" überlassen.

Zweitens dürften Microsofts Preisankündigungen VMware schockieren – und etliche Anwender in freudige Erwartung versetzen. VMM soll zu einem Preis von 499 Dollar pro physikalischen Server (unabhängig von der Zahl der virtuellen Maschinen, aber limitiert auf fünf Rechner) auf den Markt kommen. Eine einzige Lizenz von VMware Virtual Center kostet das Zehnfache. Außerdem will Microsoft ein Bundle aus VMM, Configuration Manager, MOM und anderen Produkten anbieten, das 860 Dollar pro Server kostet, allerdings wegen der notwendigen "Software Assurance" auf etwa den doppelten Preis kommen wird. Immer noch wenig im Vergleich zum VMware-Äquivalent "Infrastructure Enterprise Edition 3", das sich auf gut 6000 Dollar beläuft. Nicht nur der Preis dürfte für Anwender verlockend wirken, sondern viele werden auch über technische Defizite der Redmonder im Vergleich zu VMware oder Citrix hinwegschauen, weil sie mehr Wert auf eine einfach zu administrierende, homogene Microsoft-Umgebung legen.

Citrix hat derweil die Konkurrenz mit VMware noch um ein Zukunftsthema erweitert. Die Ankündigung von "XenExpress OEM Edition" war offenkundig ein Versuch, einem schon erwarteten Produkt von VMware zuvorzukommen. VMware präsentierte nämlich in San Francisco mit dem "ESX Server 3i" ein ähnliches Produkt zur Integration von Hypervisor-Technik in Server-Hardware. Dies ist nichts anderes als der Kernel von ESX Server, also das VMware-Hauptprodukt ohne die "Service Console". Der Kernel ist nur 32 MB groß. Ihn können Server-Hersteller in Lizenz nehmen, um VM-Treiber für die Komponenten ihrer Rechner erweitern, alles in einem Flash-Chip speichern und diesen schließlich in die Motherboards ihrer Server integrieren. Beim Booten startet zuerst das Bios, dann die virtuelle Umgebung, und der User kann danach Templates von der Festplatte laden.

Das beschleunigt die Virtualisierung. Der kleine Kernel ist darüber hinaus natürlich weniger Bug-anfällig als die große Lösung, ist Update-freundlicher und dürfte entsprechend bessere Verfügbarkeit bieten. "Bei Bedarf kann man mit solch einem Server sehr schnell die Rechenpower der virtuellen Umgebung erweitern: Man schaltet einen Server dazu und verteilt die Lasten auf mehr VMs", zählt VMware-Manager Niemer weitere Vorteile auf. Er bringt noch einen anderen Aspekt ins Spiel: "Diese Turn-key-Lösung ist im Prinzip auch für Server geeignet, die keine Festplatten haben, was in Richtung Energieeinsparung, Verfügbarkeit und Ausfallsicherheit sinnvoll sein könnte."

Die Embedded-Virtualisierungslösung 3i bietet die gleichen technischen Rahmenbedingungen wie der "große" ESX Server: Er ermöglicht vier virtuelle Prozessoren, die bis zu 16 MB virtuelles RAM in Anspruch nehmen können. Die Zahl der virtualisierten Maschinen ist nicht limitiert. Ähnlich sieht es übrigens beim Konkurrenzprodukt von Xensource aus: vier virtuelle CPUs und 16 MB RAM, begrenzt auf einen Server mit bis zu zwei Prozessorsockeln.

Prominente Auftritte von Topmanagern großer Hardwarepartner auf der VMworld sollten die breite Unterstützung für ESX 3i untermauern. Dell, Hewlett-Packard, Fujitsu und IBM werden ab November 2007 die ersten Systeme mit der Hardware-integrierten Virtualisierung "ESX Server 3i" anbieten. Big Blue, bisher schon ein bedeutender Codelieferant für die konkurrierende Open-Source-Lösung Xen, will außerdem die Embedded-Version XenExpress OEM von Xensource unterstützen.

Der klangvollen Namen nicht genug, schob VMware auch noch Softwaregrößen in den Vordergrund. Novell zeigte die Betaversion eines angepassten Linux-Kernels, die das Virtual Machine Interface (VMI) von VMware in zukünftige Versionen von Suse Linux Enterprise Server (SLES) integrieren wird. Weil VMware auch mit Red Hat und Ubuntu eng kooperiert, dürfen sich Anwender, die Linux in VMware-Umgebungen einsetzen, viel versprechen: Die Optimierung der Gast-Betriebssysteme und Applikationen für die Virtualisierungssoftware lässt noch erhebliche Leistungssteigerungen und Vereinfachungen der Systemsteuerung erwarten.

Die auf der VMworld erkennbare intensive Zusammenarbeit der großen Softwarehersteller schien die kleineren Anbieter nicht zu schrecken. Auch dass der enorme Funktionszuwachs der Virtualisierungslösungen von VMware die Produkte der Partner teilweise an Bedeutung verlieren lässt, wirkt kaum desorientierend. Die VMware-Partner sprachen überwiegend von künftigen Möglichkeiten und ließen querbeet eine zuversichtliche Einstellung erkennen. Zahlreiche innovative kleine Anbieter haben Übernahmeangebote vorliegen. Andere sind als Entwicklungspartner daran beteiligt, namhafte Produkte im Storage- und Sicherheitsumfeld auf virtuelle Infrastrukturen zu trimmen.

Auf der VMworld war zu spüren, dass ein Boom der Server-Virtualisierung angebrochen ist, dass die Anwender weltweit das Thema akzeptieren. Waren es bisher meist größere oder sehr innovative Unternehmen, die Virtualisierung produktiv einführten, wird nun allerorten daran gearbeitet. Dies wird sich weiter verstärken, wenn es den Virtualisierungsanbietern gelingt, durch innovative und anwenderfreundliche Produkte die Tür zum KMU-Markt vollends aufzustoßen.

Ein Zeichen dieses Booms ist der Besucherrekord. Laut VMware kamen zur diesjährigen VMworld 10.600 Besucher. Das ist rund ein Drittel mehr als 2006. Die Hausmesse platzt damit aus den Fugen. Daher wird es im nächsten Jahr zu einer Aufteilung kommen, die sich nach den Herkunftsländern der meisten Besucher richtet: Neben der VMworld in den USA wird es eine europäische VMworld geben. Als der Termin ist der 26. bis 28. Februar 2008, als Ort das südfranzösische Cannes festgelegt.

*Dennis Zimmer ist VMware-Consultant bei Pillar Data Systems in München und Betreiber der Website www.vmachine.de.

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