VMware verteidigt Marktdominanz

29.02.2008
Von 
Jan Schulze ist freier Autor in Erding bei München.
Der Wettbewerb im Virtualisierungsgeschäft wird rauer. Mit vorinstallierter Technik will VMware seine führende Position gegenüber Microsoft sichern.

VMware versucht Microsoft auf Abstand zu halten. Erst kürzlich hatten die Redmonder mit den in Windows Server 2008 enthaltenen Virtualisierungsmechanismen und dem angekündigten Hypervisor "Hyper-V" deutlich gemacht, dass sie sich in diesem Segment stärker engagieren werden. VMware kontert mit Omnipräsenz: "ESX Server 3i" ist ein in Hardware integrierter ESX-Server, der über OEM-Partnerschaf-ten mit den Rechnern ausgeliefert wird. Für die im Dezember vergangenen Jahres vorgestellte Lösung gab es nun auf der Kundenkonferenz VMworld in Cannes konkrete Ankündigungen.

Neues Konzeptfür Sicherheit

Zu den Neuheiten auf der VMworld gehörte ein Sicherheitskonzept für virtuelle Maschinen, das unter dem Namen "VMsafe" vorgestellt wurde. Dahinter verbirgt sich zunächst ein Satz an Schnittstellen zu den Gastsystemen, über die Security-Anbieter ihre Lösun-gen in die virtuelle Infrastruktur einbinden können. VMware-CTO Rosenblum erläuterte in Cannes die Funktion: Über die APIs können Sicherheitsprodukte in Echtzeit über den Hypervisor auf Hardwarekomponenten wie Prozessor, Speicher oder Netz-Interfaces des Gastsystems zugreifen und so Schadprogramme erkennen. Zahlreiche Security-Anbieter wie McAfee oder Symantec wollen entsprechende Produkte auf den Markt bringen.

Verbesserte Management-Tools

Neuerungen wurden auf der VMworld vor allem bei den Management-Tools in Aussicht gestellt, die den Betrieb des virtualisierten Rechenzentrums automatisieren sollen.

"Lifecycle Manager" wird es ermöglichen, einen durchgängigen und weitgehend automatischen Prozess für die Stufen im Lebenszyklus der virtuellen Maschinen zu implementieren.

"Lab Manager" richtet sich an Entwickler, Qualitätssicherungs-Ingenieure und deren IT-Teams. Er stellt einen schnellen Zugriff auf virtuelle Multi-Tier-Infrastrukturen bereit.

"Stage Manager" ist für Applikationsadministratoren gedacht, die neue Anwendungen in produktive Umgebungen integrieren müssen. Er soll die Abläufe vom Testing bis hin zum Produktivbetrieb unterstützen und vereinfachen.

Für den Bereich Business Continuity wurde der "Site Recovery Manager" vorgestellt. Er soll die Datenrettung beschleunigen und vereinfachen, indem der Vorgang zum größten Teil automatisiert wird. Das Werkzeug basiert auf mobilen virtuellen Maschinen und ist damit unabhängig von der eingesetzten Hard- und Software.

An Partnern mangelt es nicht

Zahlreiche Hardwarehersteller haben sich auf der Veranstaltung zum ESX Server 3i bekannt und entsprechende Produkte in Aussicht gestellt. Der Server wird dabei in der Regel über eine interne USB-Schnittstelle an das Mainboard angeschlossen. Dell, Fujitsu-Siemens, Hewlett-Pa-ckard, IBM und Sun Microsystems werden innerhalb der kommenden zwei Monate vorinstallierte Hypervisoren auf ihrer Hardware anbieten. In der ersten Startreihe steht Fujitsu-Siemens. Der Hersteller hat anlässlich der VMworld bekannt gegeben, ab sofort Primergy-Server mit dem integrier-ten, nur 32 MB großen Hypervisor auszuliefern. Es soll auch schon erste Kundenprojekte geben. Die Preise sind recht moderat: Midrange-Server mit integriertem Hypervisor sind ab 2300 Euro erhältlich. HP will ab dem 31. März zehn Modelle seiner Proliant-Server mit ESX Server 3i ausstatten.

Der Ansatz des integrierten Servers - der im Wesentlichen einen Hypervisor mit Schnittstellen zu den VMware-Management-Tools darstellt - gibt einiges an Automatisierungsspielraum im Rechenzentrum, wie VMware-CTO Mendel Rosenblum in seiner Keynote warb. ESX Server 3i soll es ermöglichen, über die Anbindung an den Resource-Manager von VMware neue Hardware ohne Konfigurationsaufwand in eine virtuelle Infrastruktur zu integrieren.

Der Integrationsspezialist Bechtle erwartet vom vorinstallierten VMware-Server einige Marktimpulse. "Mit dem ESX Ser-ver 3i wird Virtualisierung überall verfügbar sein. Das bedingt dann neue Services in diesem Umfeld", so Bechtle-Geschäftsführer Roland König. "In den vergangenen Jahren war die Implementierung des Hypervisors das Hauptthema. Da viele Kunden den Hypervisor künftig bereits in ihren Servern haben, werden sie Virtualisierung eher nutzen." Die Herausforderung liegt dann aus Königs Sicht in der Umsetzung der darauf basierenden Dienste wie Hochverfügbarkeit oder Client-Virtualisierung.

Wachstumspotenzial durch den integrierten Virtualisierungs-Server sieht König unter anderem im Mittelstand: "Die Automatisierung des Rechenzentrums wird zunehmend auch in mittelständischen Unternehmen ein Thema. Ebenso gewinnt die Verbesserung der Verfügbarkeit an Gewicht." So hätten Kunden aus mittleren Unternehmen bislang aus Kosten- und Ressourcengründen kein Ausweichrechenzentrum unterhalten, da dazu komplexe Software nötig war. Durch Virtualisierung sei es jedoch möglich, ein virtuelles zwei-tes Rechenzentrum zu akzeptablen Kosten zu betreiben und so die Verfügbarkeit der IT anzuheben. Die entsprechenden Tools im Unternehmen zu integrieren ist laut König eine Aufgabe für IT-Dienstleister. Bechtle plant, hier sowohl mit vorkonfigurierten Lösungspaketen als auch mit bedarfsorientierten Produkten auf den Markt zu kommen.

Ein weiteres zentrales Thema der Konferenz war die Virtualisierung des Desktops mit Hilfe der "Virtual Desktop Infrastructure" (VDI). Auch hier gilt: Der Ansatz ist nicht ganz neu, wurde aber nun ernsthaft diskutiert. Die Infrastruktur besteht aus der "VMware Infrastructure 3" als Backend und dem "Virtual Desktop Manager 2" (VDM), der die virtuellen PCs verwaltet und bereitstellt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Thin-Client-Ansätzen, bei denen die Anwender zentral über einen Terminal-Service auf das Betriebssystem und die Anwendungen zugreifen, stehen den Benutzern bei VDI eigene virtuelle Maschinen zur Verfügung.

Skepsis beim Virtual Desktop Der Zugriff ist sowohl über normale PCs als auch via Thin Clients möglich. Die Verbindung zwischen Client und Server erfolgt wie bei den Terminal-Services über das Remote Desktop Protocol (RDP). Einschränkungen, wie sie beim Terminal-Service bestehen, soll es bei VDI nicht geben: Die Benutzer können hier - entsprechende Rech-te vorausgesetzt - wie vom normalen PC gewohnt Anwendungen installieren. Mobilen Anwendern ist es möglich, die virtuelle Maschine lokal zu replizieren und so auch unterwegs damit zu arbeiten. Anlässlich der VMworld hat zum Beispiel der Thin-Client-Anbieter Wyse bekannt gegeben, von nun an einen Teil seiner Produkte VDI-fähig auszuliefern.

Dem virtuellen Desktop sieht Chris Ingle, Research and Consulting Director Systems beim Marktforschungsunternehmen IDC, allerdings eher skeptisch entgegen. Die Lösung sei sehr komplex und erfordere hohe Investitionen in die Infrastruktur. Der Kostenvorteil, die höhere Sicherheit und einfachere Administration müssten vom Hersteller erst noch deutlich gemacht werden. Zudem eigne sich der Ansatz aus seiner Sicht als "General Purpose Desktop". Ingle rechnet mit einer langsamen Marktdurchdringung, was laut VMware-CTO Rosenblum auch der Einschätzung des Herstellers entspricht. Für Ingle kommt der virtuelle Desktop vor allem in Bereichen in Frage, die besondere Anforderungen an die Sicherheit stellen.

Beim ESX Server 3i stellt sich für Ingle die Frage, welche Zielgruppe der Hersteller damit erreichen möchte: "Wird das Produkt die Marktdurchdringung von VMware bei kleinen und mittleren Unternehmen ausweiten oder die Implementierung in großen Unternehmen erleichtern, die bereits das Virtual Center einsetzen?" Für den IDC-Mann steht außer Frage, dass VMware mit der Hardwareinte-gration vor allem Microsoft den Markt streitig machen will, und dies überwiegend in kleinen und mittleren Unternehmen, wo die Redmonder gut verwurzelt sind. Er erwarte nicht, dass bestehende VMware-Kunden ihre bisherigen Investitionen abschreiben und auf Microsofts angekündigte Virtualisierungslösung wechseln. Wahrscheinlicher sei in Zukunft ein Nebeneinander beider Techniken im Rechenzentrum.

Ähnlich beurteilt Wolfgang Schwab, Senior Advisor der Experton Group, den Markteinfluss des integrierten ESX Servers: "Das ist eine nette Sache, aber wird es signifikante Auswirkungen haben? Die Unternehmen, die Virtualisierung wollen, haben auch virtualisiert. Und den anderen nützt es nichts." Aber im Prinzip sei der Ansatz richtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass Anwender VMware-Produkte nutzen, sei deutlich höher, wenn sie die Lösung gleich im Server enthalten hätten. Virtualisierung ist laut Schwab eine schiere Notwendigkeit, doch adressiert der eingebettete Hypervisor nicht die wirklichen Lücken innerhalb der virtuellen Infrastruktur. "Es fehlt ein Konzept, das die Heterogenität des Rechenzentrums widerspiegelt", so der Experton-Berater. So gebe es keine übergreifenden Management-Layer, mit denen plattformunabhängig die virtuellen Infrastrukturen verwaltet werden können.

Auch beim Thema Desktop-Virtualisierung ist Schwab zurückhaltend. Er rechnet nicht vor 2009 oder 2010 mit relevanten VDI-Umsätzen. Schwab sieht vor allem Akzeptanzprobleme bei den Benutzern und Administratoren. Ein ähnlicher Widerstand, wie ihn heutige Thin Clients erfahren. "Die IT muss hier umdenken und anders arbeiten", so Schwab. Vor allem den Einsatz virtueller Clients bei Notebooks sieht er als problematisch an.

Interessant ist aus Sicht des Experten zudem der kürzlich angekündigte Markt-eintritt Microsofts. Die Redmonder planen, den neuen Windows Server 2008 mit einer kompletten Virtualisierungslösung auszustatten sowie mit "Hyper-V" einen Hypervisor zur direkten Integration in die Server-Hardware anzubieten. "Microsoft hat in diesem Markt sicher gute Karten. Sie haben viel angekündigt. Nun muss man jedoch erst einmal abwarten, was sie dann wirklich liefern", so Schwab. (ue)