Pat Gelsinger im Interview

VMware setzt "Cross-Cloud-Umgebungen" oben auf die Agenda

30.08.2016
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
VMware-CEO Pat Gelsinger sieht "Cross-Cloud-Architekturen" als das ganz große Thema für die Zukunft. Im Vorfeld der VMworld 2016 US stand er unseren US-Kollegen Brandon Butler, Network World, und John Gallant, Chief Content Officer von IDG, Rede und Antwort. Lesen Sie das Interview hier in Auszügen.

CW: Was ist die große Message von VMware in diesem Jahr?

Gelsinger: Ganz klar die Idee einer Cross-Cloud-Architektur, die unseren Kunden Freiheit, Kontrolle und Einfachheit bei der Nutzung von Cloud-Umgebungen verschafft. In dem Zusammenhang machen wir zwei große Ankündigungen: Eine ist die "VMware Cloud Foundation", die alle Kerntechnologien zusammenfasst, um Cloud-Umgebungen einfach aufzubauen und zu betreiben. Hinzu kommt ein neues Set an Cross-Cloud-Services, das im Wesentlichen auf den Möglichkeiten von "NSX und vRealize" aufsetzt. Es befähigt unsere Kunden, Workloads auf jeder Cloud laufen zu lassen und zu verwalten. Das trifft auch auf große Public-Cloud-Umgebungen zu, die nicht mit VMware-Technologie gebaut sind, etwa Amazon Web Services oder Microsoft Azure. Das ist in diesem Jahr unsere Headline: Wir verändern die Art, wie Menschen Vorteile aus der Cloud ziehen können werden.

VMware Cloud Foundation ist eine Software-Defined-Data-Center-Plattform -(SDDC) die wir gemeinsam mit IBM ankündigen. IBM ist der erste Kunde, der diese Cloud-Technologie benutzt, um damit eigene Cloud-Angebote zu bauen und schnell herauszubringen. Es ist eine Erweiterung dessen, was wir bereits früher mit IBM zusammen gemacht haben. IBM mit seiner SoftLayer-Cloud-Umgebung wird seinen Kunden die Möglichkeit geben, eine volle VMware-SDDC-Umgebung binnen Minuten zu installieren, was sonst Tage dauerte.

Auf der VMworld wird es außerdem Updates für NSX, unsere Speicherlösungen sowie für die Produkte VxRail und VxRack zu sehen geben. Wir werden Michael Dell hier haben, der sein Commitment zu unserem Ökosystem und den vCloud-Foundation-Produkten bekräftigen wird. Außerdem werden wir unser VMware-integriertes Container-Angebot ausrollen. Es wird Container-Technologien in VMware-Umgebungen zu einem großen Thema machen. Container-Entwicklung in VMware-Umgebungen wird einfach, robust, sicher und simpel zu managen sein. Das sind unsere großen Messages in diesem Jahr.

VMware-CEO Pat Gelsinger: " Mit VMware Cloud Foundation führen wie alle Kerntechnologien zusammenfasst, um verschiedenartige Cloud-Umgebungen einfach aufzubauen und zu betreiben."
VMware-CEO Pat Gelsinger: " Mit VMware Cloud Foundation führen wie alle Kerntechnologien zusammenfasst, um verschiedenartige Cloud-Umgebungen einfach aufzubauen und zu betreiben."
Foto: VMware

CW: Was steckt hinter dem Cloud-Foundation-Produkt? Das Eingeständnis, dass Ihre Kunden Probleme damit haben, Private-Cloud-Umgebungen aufzubauen?

Gelsinger: Es geht darum, Private Clouds einfach einzurichten. Cloud ist vom Prinzip her simpel, aber eben nur dann, wenn man einfache Dinge damit tun will. Beginnt man damit, komplexe Netzwerke aufzusetzen, Security-Domänen, und alte Anwendungen mit neuen zu verknüpfen, dann wird es komplizierter. VMware Cloud Foundation bringt alle Bestandteile zusammen, um es an Tag eins und auch an Tag zwei einfacher zu machen. Lifecycle-Management des gesamten Stacks, Patching, Upgrades etc. Die Cloud-Foundation-Technik steht für öffentliche und On-Premise-Umgebungen zur Verfügung.

Wie ich schon erwähnt habe, wird Michael Dell erklären, wie er die Technik in die Dell/EMC-Familie der Rack-Produkte integriert. Und es wird die Grundlage der IBM-Cloud-Technik sein, um ihr Service-Offering auf diesem SDDC-Stack anzubieten. IBM nutzt VMware Cloud Foundation als Kernelement, um VMware-SDDC-Angebote über SoftLayer anzubieten.

Wenn Sie in der IT arbeiten und Ihre komplexen Anwendungen in einer VMware-Umgebung laufen, können sie jetzt mit denselben Services sowie Netzwerk-, Sicherheits-, Management-Funktionen etc. in ein anderes Rechenzentrum wechseln und die Hardware eines anderen nutzen. Wow! Da ist ein mächtiges neues Set an flexiblen Wahlmöglichkeiten entstanden. Das bezeichnen wir als "Cloud-Freiheit", bei weiterhin voller Kontrolle. Egal ob Private oder Public Cloud, Kunden haben die Freiheit und dieselben kontrollierten Management-Sicherheitsmechanismen, die sie von VMware schon seit mehr als einem Jahr kennen.

CW: Wir reden schon seit ein paar Jahren vom Konzept des Software-defined Data Center. Wie weit sind wir heute noch von dieser Vision entfernt?

Gelsinger: Ich würde sagen, sie ist schon vor zwei Jahren wahr geworden. Zwei unserer Chefentwickler haben das SDDC vor ziemlich genau fünf Jahren erstmals beschrieben. Wir brauchten anschließend drei Jahre, um die nötigen Bestandteile zusammenzubringen. Inzwischen sind wir angekommen, denn erste Kunden installieren ganze SDDC-Umgebungen. Einige davon werden auf der VMworld sein. Sie werden beschreiben wie sie durch Reduzierung von Patches, von Incidence-Tickets etc. immense Kosten und Hunderte von Mannjahren einsparen.

CW: Sie sagen tatsächlich, dass VMware alles liefern kann, was Kunden brauchen, um ein echtes Software-defined Data Center inklusive Rechen-, Speicher- und Netzwerkressourcen aufzusetzen?

Gelsinger: Eindeutig ja. Ich habe Hunderte von Kunden, die diese Technik im großen Maßstab einsetzen und wir haben auch einige namhafte Referenzkunden, die das auf der VMworld zeigen werden. Lassen Sie uns zurückblicken: vShpere ist längst da. NSX haben wir vor rund drei Jahren ausgeliefert. Es hat etwas gedauert, bis wir es robust und skalierbar hingekriegt haben. Aber jetzt haben wir über 1700 Kunden, die es gekauft haben, bei einigen Hundert von ihnen ist diese Technologie schon produktiv im Einsatz. vSAN ist eine weitere Schlüsselkomponente. Seit dem letzten Quartal zählen wir mehr als 5000 Kunden dafür. Tausende von Kunden nutzen auch vRealization Autotmation und Operation. Damit haben wir ein paar Hundert Kunden, die den vollen SDDC-Stack nutzen und das im großen Maßstab. (…)

Die VMware Cross-Cloud Architecture im Detail.
Die VMware Cross-Cloud Architecture im Detail.
Foto: VMware

CW: Was bedeutet der Zusammenschluss von Dell und der VMware-Mutter EMC für Ihr Unternehmen?

Gelsinger: Michael wird auf der Bühne stehen und sagen: Ich liebe das lebendige Ökosystem von VMware und unterstütze es. VMware wird ein Wachstumsmotor meines Geschäfts sein und ich bekenne mich zu Pat und dem VMware-Team, in der Hoffnung, dass VMware schneller wächst als die Firma insgesamt. Dell wird die Zusammenarbeit mit VMware und seinem großen Ökosystem nach Kräften unterstützen und dessen Unabhängigkeit wahren. Gleichzeitig werden wir uns gegenseitig helfen und unsere Geschäfte antreiben.

CW: Wie kann das beispielsweise aussehen?

Gelsinger: Wir haben bereits über die Produktlinie VxRail gesprochen (es handelt sich um die Hyperconverged Infrastructure von der EMC-Tochter VCE, Anmerkung der Redaktion). Sie haben hier einen unglaublich starken Channel und große Chancen in der Vermarktung. Hier können wir aufspringen und VMware-Technologien in lokale Märkte bringen, zum Beispiel nach China, wo sie stärker sind als wir, aber auch in vertikale Märkte, etwa im Behörden- und Ausbildungsmarkt. Dell hat bekanntlich auch ein sehr starkes PC-Geschäft. Einer der Use Cases für AirWatch (die Enterprise-Mobility-Management-Lösung von VMware, Anmerkung der Redaktion) ist das Management von Windows-10-Geräten - eine große Chance für uns. Das sind nur wenige Beispiele, aber jedes hat einen besonderen Business Case und eine Vertriebsperspektive, die wir gemeinsam gestalten wollen.

CW: Ist es richtig, dass sich für Kunden nichts daran ändert, wie sie mit VMware zusammenarbeiten und Ihre Produkte kaufen?

Gelsinger: Korrekt, wir werden weiter supporten und so mit ihnen zusammenarbeiten wie in der Vergangenheit. Einige werden sich sicher dafür entscheiden, eine tiefere Partnerschaft mit Dell, EMC und VMware einzugehen. Ich kenne große Dell-Kunden, die mir sagten: Wow, ich werde künftig mehr VMware-Technologien vorinstalliert in Dell-Lösungen haben. Das gefällt mir.

CW: Offenheit war stets ein Erfolgsrezept für VMware. Können Sie Ihren Kunden garantieren, dass die offene Zusammenarbeit mit vielen Partnern im IT-Markt Bestand haben wird und dass Sie nicht Deals mit Dell/EMC favorisieren werden?

Gelsinger: Ganz sicher! Das ist einer der Gründe dafür, warum Michael Dell auf der Bühne stehen und dies aus erster Hand garantieren wird. Wenn nicht ich, sondern Michael das sagt, hat das ein anderes Gewicht. Außerdem haben wir beispielsweise unsere Partner Exchange Conference am Tag vor der VMworld. Michael wird dort tausenden von Partnern dieselbe Botschaft übermitteln. Einige Partner dort haben Dell, EMC und VMware gemeinsam, andere sind reine VMware-Partner, aber Konkurrenten der anderen beiden. Sie sitzen im Publikum und werden in Workshops Gelegenheit haben, mit Michael zu reden.

CW: Wie hat sich die Dell-Übernahme der VMware-Mutter EMC auf Ihr Unternehmen ausgewirkt? Werden Sie von Kunden anders wahrgenommen? Hat es vielleicht sogar die Moral im Unternehmen angegriffen?

Gelsinger: Im Oktober, als der Deal angekündigt wurde, war wohl jeder überrascht und irgendwie auch geschockt. Ich meine, das war der größte Deal in der Geschichte der IT! (…) Irgendwann haben es die Leute dann verstanden und sind zu ihrer Arbeit zurückgekehrt. Unser viertes Quartal 2015 war solide, die ersten beiden Quartale 2016 waren sogar richtig gut, auch die Aktienkurse haben sich wieder beruhigt. Was zu Beginn Schock und Sorge war, hat sich in Optimismus und Vertrauen gewandelt - insbesondere hinsichtlich unseres Ökosystems, das intakt bleiben wird, und des Wachstums unseres Geschäfts. Wir sind jetzt in einer Phase, in der die Leute sagen, lasst uns den Deal hinter uns bringen, damit wir bereit sind in eine neue Phase der Industrie einzutreten.

Für VMware ist die Zukunft nun gesichert. So viele Firmen werden dieser Tage verschmolzen, umgebaut oder an Private-Equity-Firmen verkauft. Wir leben in einer Phase dramatischer Disruption. Wir sind zuversichtlich was die langfristige Positionierung und Rolle im Markt, das Wachstum sowie die Bilanz und Gesamtstruktur unseres Unternehmens angeht. (…) Kultur und Werte unseres Unternehmens ändern sich nicht. (…)

CW: Wenn ich ein VMware-Kunde wäre, welchen einen Aspekt an der Dell-EMC-Fusion sollte ich dann besonders spannend finden?

Gelsinger: Ich würde sagen: Wow, VMware hat jetzt ein Turbo-Ladegerät auf dem Rücken! Ich kann jetzt noch mehr als früher darauf vertrauen und erwarten, dass sie liefern! Wohl jeder CIO erlebt gerade eine schwierige Phase in seiner Karriere. Er kontrolliert weniger von der IT-Infrastruktur, und die Sicherheitsbedrohung wächst ständig. Er hat die Chance, aber auch die Rolle, das Geschäft in ein digitales Business zu transformieren und er muss manche harte Entscheidung treffen, was Technologie und Auswahl der Partner angeht, um seine Mission zu erfüllen. Auf VMware kann er vor diesem Hintergrund mit noch mehr Vertrauen blicken.

Pat Gelinger: "Unser Ziel ist es, jede Cloud zu integrieren. Hier kommt der Cross-Cloud-Service zum Tragen."
Pat Gelinger: "Unser Ziel ist es, jede Cloud zu integrieren. Hier kommt der Cross-Cloud-Service zum Tragen."
Foto: VMware

CW: Sprechen wir über die Partnerschaft mit IBM. Welche Erwartungen knüpfen Sie daran?

Gelsinger: Lassen Sie mich kurz von einem großen Healthcare-Unternehmen erzählen. Vor der Ankündigung der IBM-Kooperation im Februar habe ich mich mit dessen CTO getroffen. Wir saßen in seinem Büro und haben über Cloud Computing gesprochen und darüber, was sie in der Public Cloud und der Private Cloud tun wollen. Wir sprachen über Amazon, Azure, vCloud Air, IBM SoftLayer etc. Ich schaut den CTO an und sagte: ich will Ihnen ein Geheimnis erzählen - und ich habe ihm den bevorstehenden IBM-Deal beschrieben. Ich brauchte nur 90 Sekunden, um ihm zu erzählen, was wir vorhaben, und er warf die Arme in die Luft und rief: Touchdown!

Für klassische Unternehmenskunden ist das ein "Winning Deal", weil sie meistens irgendwelche Hosting-Beziehungen zu IBM und gleichzeitig große VMware-Footprints haben. Sie wollen mehr Flexibilität und weniger Notwendigkeit, selbst Rechenzentren zu betreiben. Doch hier geht es um den Kern der Kerne der IT, sie brauchen jede Menge Abkommen, Verträge, Supportvereinbarungen und was auch immer. Einen globalen Weltklasse-Anbieter wie IBM mit dem weit verbreiteten, stark virtualisierten VMware-Stack zusammenzubringen ist eine zwingende Kombination für jeden Enterprise-Kunden. Wir werden Kunden auf der VMware-Bühne haben, die das bestätigen. (…)

CW: Ist VMware noch ein Public-Cloud-Provider? Sie haben Ihre Strategie doch im vergangenen Jahr angepasst…

Gelsinger: Uns geht es in erster Linie um die Private Cloud. Wir wollen Firmen helfen, ihre eigene Private Cloud aufzubauen und diese gegebenenfalls in die Public Cloud auszuweiten. Dazu dienen vCloud Air und vCloud Air Network. vCloud Air ist dabei fokussiert auf wenige Use Cases. Es ist quasi unsere Petrischale, in der wir das ausprobieren, von dem wir möchten, dass es später unser vCloud-Air-Netzwerk mit seinen mehr als 4000 Partnern umsetzt.

Unser Ziel ist es außerdem, jede Cloud zu integrieren. Hier kommt der Cross-Cloud-Service zum Tragen. Wir sagen: Kunde, wenn Du einen Teil Deines Workloads in der Azure-Cloud laufen lassen willst - großartig! Wir werden helfen, das zu managen und sicher umzusetzen. Man braucht dazu einen umfassenden Blick, die meisten Unternehmen haben traditionelle IT, Private Clouds und einzelne, auf VMware basierende Services, die sie in ein anderes Rechenzentrum schieben möchten, und sie haben neue Apps, die in der Public Cloud entwickelt wurden. Es geht also darum, Private Cloud, SDDC und Public Cloud in einer Cross-Cloud-Umgebung optimal zu managen.