IT in der Baubranche/Weltweites Planen via Internet in der Anfangsphase

Virtuelle Planungsgemeinschaften entwerfen Hochhäuser und Schlachthöfe

27.03.1998

Die zwei trapezförmigen Bürotürme der Shanghaier Bank entstehen in Teamarbeit: Das Frankfurter Architekturbüro ABB Scheid Schmidt und Partner erstellt den gesamten Entwurf. Das Münchener Ingenieurbüro Obermeier Planen + Beraten ist für Licht, Strom, Heizung und Klima - die gesamte Haustechnik - sowie die Statik zuständig. Chinesischen Vorschriften entsprechend liegen Werk- und Ausführungsplanung in den Händen des Shanghaier Partnerbüros East China Architecturial Design Institute (Ecadi). Es beschäftigt über 1000 Mitarbeiter für Architektur, Haustechnik und Statik.

Angesichts sehr enger Zeitvorgaben und der großen räumlichen Distanz wurde die Arbeitsteilung im globalen Datennetz für die Partner zur schlichten Notwendigkeit. Das imposante Bauwerk soll zur Jahrtausendwende, gerade mal vier Jahre nach Planungsbeginn, fertig sein - so die Bedingung des Bauherrn.

Um diese Vorgabe einhalten zu können, bedienten sich die Partner moderner Technik: Sie nutzten ISDN und das Internet, um so Pläne als DXF- oder DWG-Dateien nach China zu schicken. "Wir hängten die Plandaten als DWG-Dateien an E-Mails und schickten sie los. Der Versand über T-Online und den Microsoft Internet Explorer gestaltete sich weitgehend problemlos. Die Daten waren in wenigen Minuten in Shanghai. Änderungen koordinierten wir durch Datenaustausch oder per Fax", berichtet Christian Klohk, Leiter der CAD-Abteilung der Frankfurter Architekten über die "heiße Phase" des CAD-Datenaustauschs zwischen Frankfurt und Shanghai Ende 1996.

Das Architekturbüro nutzt die CAD-Software "Allplan" vom Münchner Softwarehaus Nemetschek. Einen zweiten Standort hat das Büro in Berlin. Großprojekte werden parallel in beiden Städten bearbeitet. Über das Programm "Teamlink" werden dafür Dateien via Drag and drop in den Browser verschoben und über ISDN verschickt. Voraussetzung ist allerdings, daß dieses Programm an beiden Standorten vorhanden ist.

Architekturplanung mit dem Computer ist heute in Deutschland Alltag. Erst durch den computergestützten Entwurf wird weltweite Teamarbeit möglich, da Ideen und Informationen praktisch uneingeschränkt ausgetauscht werden können. Pläne lassen sich zwar auch über Fax sehr schnell versenden, aufgrund des kleinen Formats und des statischen Zustands der Daten ist dieses Medium für eine Weiterbearbeitung aber weniger gut geeignet. Änderungen müssen vom Fax in das CAD-System übertragen werden. Liegen Entwurfs- und Konstruktionsdaten dagegen im CAD-Programm vor, können sie jederzeit verändert werden und sind für jeden Mitarbeiter im Team verfügbar. Jeder Anbieter von CAD-Software hat in der Regel ein eigenes Format für die Speicherung der CAD-Daten entwickelt. Beim Aufrufen von Daten aus CAD-Programmen ein und desselben Anbieters treten daher im Grunde keine Probleme auf. Die Schwierigkeiten beginnen beim Austausch von Plandaten zwischen CAD-Software verschiedener Hersteller.

Schon lange gibt es Bestrebungen, einen herstellerneutralen Standard zu entwickeln. Das derzeit aussichtsreichste und fortschrittlichste Projekt ist hier die Industrieallianz für Interoperabilität (IAI), in der sich unter anderem alle wichtigen CAD-Softwarehersteller zusammengeschlossen haben (vergleiche Seite 61). Ziel ist ein gemeinsamer objektorientierter Standard als plattform- und herstellerunabhängige Schnittstelle für den Datenaustausch.

Aktuell kann allerdings weiterhin das von Autodesk entwickelte DXF-Format als Quasistandard betrachtet werden. DXF übersetzt grundsätzlich alle Zeichnungsinformationen des internen Autocad-Formats ins externe Austauschformat. Der grundlegende Nachteil von DXF liegt darin, daß das Format nur die Funktionen unterstützt, die mit Autocad ausgeführt werden können. So überträgt DXF zum Beispiel Punkte, Linien und Kreise; Ellipsen jedoch nur teilweise, Symbole, Makros und 3D-Attribute gar nicht.

Häufig wird von Bauherren statt DXF das Original-Autocad-Format DWG verlangt. DWG ermöglicht eine Datenübergabe direkt in Autocad - ohne Umweg über einen Importfilter.

Da die chinesischen Bauherren DWG wünschten, verwendeten die Frankfurter Architekten dieses Austauschformat, obwohl sie bessere Erfahrungen mit DXF gemacht hatten. "Wir hatten dabei die üblichen DWG/DXF-Abstimmungsprobleme, also Konvertierung von Linientypen oder Farben. Dies war teilweise etwas kompliziert zu lesen", erinnert sich Klohk.

Die Schwierigkeiten mit DXF bestätigt auch der Landschaftsarchitekt Harald Urban, der ebenfalls mit CAD-Software und Internet arbeitet: "Der derzeitige technische Stand der CAD-Schnittstelle DXF ist nur der kleinste gemeinsame Nenner. Oft ist es problematisch, DXF-Dateien von anderen Systemen einzulesen. Das dauert mitunter mehrere Tage."

Ein weiteres Problem dieser Autocad-basierten Schnittstelle ist die Herkunft aus den Entwicklungslabors eines Unternehmens: Autodesk allein hat es in der Hand, mit jeder neuen Version seiner Software auch das DXF/ DWG-Format zu ändern und den Mitbewerb damit zu zwingen, seine DXF-Schnittstellen an die geänderte Fassung anzupassen. Solange Autodesk die Spezifikationen der Schnittstellen nicht veröffentlicht, hat die Softwareschmiede einen Wettbewerbsvorteil.

Anfang Februar dieses Jahres haben sich denn auch 14 Anwenderfirmen und CAD-Softwarehäuser in der Open DWG-Alliance zusammengetan, um sich für das DWG-Format als offenen Industriestandard einzusetzen.

Zu den Gründungsmitgliedern der Allianz gehören unter anderem Intergraph, Ketiv Technologies, Nemetschek, Parametric Technology Corporation, Robert McNeel, &amp, Associates und Solidworks Corp.

Kommunikation via Internet findet bei den Architekten und Ingenieuren Falkenstein aus Aulendorf bei Biberach nicht nur projektgebunden, sondern täglich zwischen dem Hauptsitz und den Filialen in Würzburg, Österreich und Brasilien statt. Das Büro hat sich auf Industriebau spezialisiert, insbesondere auf Schlachthöfe. Die Einführung von CAD geht bis ins Jahr 1987 zurück. Mit der aktuell eingesetzten Software "Archicad" von Graphisoft arbeitet das Büro seit 1995.

In Brasilien entsteht derzeit einer der größten Schlachthöfe der Welt. In knapp zwei Jahren sollen 3000 Mitarbeiter täglich 650 Tonnen Wurst herstellen. Bauplanung und -ausführung vollziehen sich in Kooperation zwischen Aulendorf und Brasilien. Für kleinere Pläne und den Schriftverkehr nutzt das Büro E-Mail, wobei die Plandateien an die Mail angehängt werden.

Die Zusammenarbeit über das Internet geschieht in enger Kooperation mit lokalen Internet-Service-Providern, die für den Zugang zum Internet und zuverlässigen Datenverkehr sorgen. Ab einer gewissen Datenmenge reicht das jedoch nicht mehr aus. Bei der Übertragung komplexer Pläne gehen leicht mehr als 10 MB auf die Reise. Das geschieht dann mittels File Transfer Protocol (FTP).

Trotz dieser Beispiele realer internationaler Bauplanung via Internet ist eine solche Arbeitsweise in Deutschland noch sehr selten. Ähnlich wie Anfang der 80er Jahre, als CAD ein Werkzeug des Architekten zu werden begann, herrscht auch heute Skepsis.

Viele Architekten wagen sich aus Respekt vor dem Unbekannten oder aus Angst vor dem Stau auf dem Daten-Highway nicht ins Netz der Netze. Andere scheuen die Kosten eines Internet-Anschlusses. Und manche wissen schlicht nichts vom großen Angebot im World Wide Web. So stellt die Firma Braas Dachsysteme Dachelemente mit DXF-Details zum Download bereit. Knauf präsentiert seine Produkte im Internet und nutzt seine Web-Seiten für die eigene interne Organisation. Der AVA-Anbieter Quadric bietet Kunden Online-Zugang zur Hotline, und Infos zur Haustechnik gibt es beispielsweise von Pitcup.

Der Austausch von Plandaten via E-Mail mit angehängten DXF- oder DWG-Dateien ist nur der Anfang von globaler Planung mit Hilfe des Internet. Richtig interessant wird es, wenn der Architekt aktuellste Informationen für die Teamarbeit in Zeichnungen einbinden oder sogar über die Benutzeroberfläche des Internet - den Web-Browser - CAD-Zeichnungen bearbeiten kann.

Hier bieten mittlerweile alle größeren CAD-Softwareschmieden Werkzeuge, die von Web Browser Plug-ins über Lösungen für die Teamarbeit via Internet bis hin zur direkten Integration von Internet-Tools in die CAD-Software reichen.

Nemetscheks CAD-Programm Allplan erlaubt beispielsweise die Einbindung von "Internet-Knöpfen" in CAD-Baupläne. Sie stellen über Internet-Adressen Verbindungen entweder zu Baustoffherstellern mit umfangreichen online verfügbaren Produktdatenbanken oder zu weiterführenden Planinformationen her. Planungsgemeinschaften erhalten damit ein sehr einfaches Hilfsmittel für den Zugriff auf aktuelle Daten.

Autodesks "Plug-In-Whip" verbindet Web-Browser mit CAD-Software für eine direkte Kombination beider Programme. Und "Archicad for Teamwork" soll als Ergänzungs-Tool eine reibungslose Zusammenarbeit mehrerer Partner rund um den Globus ermöglichen. Der Abgleich erfolgt dabei nach dem Client-Server-Prinzip: Lediglich die Änderungen werden an das Master-Projekt verschickt, auf Konflikte überprüft und aktualisiert.

Diese Werkzeuge sind zwar für sich genommen sicherlich schon heute sinnvoll, bedürfen aber gemeinsamer Standards, damit alle Beteiligten einer internationalen Zusammenarbeit via Internet "Software-unabhängig ihre Pläne bearbeiten können.

Planen via Internet

Das 1950 gegründete Architekturbüro ABB entwarf unter anderem das Hochhaus der Bundesbank, das Doppelhochhaus der Deutschen Bank und die Hauptverwaltung der Dresdner Bank - alle in Frankfurt. Seit Anfang der 90er Jahre unterhält das Büro auch in Berlin eine Niederlassung und ist verstärkt im Ausland vertreten. In Berlin und Frankfurt verfügt ABB über insgesamt zehn HP-Workstations, drei Windows-NT- und einen Silicon-Graphics-Rechner.

Das Architekturbüro Falkenstein hat im Stammhaus in Aulendorf und den drei Filialen in Würzburg, Schiefling/ Österreich und Blumenau/Brasilien insgesamt 50 feste Mitarbeiter. Das Büro beschäftigt sich vorwiegend mit Industriebau. Die DV-Ausstattung des Büros umfaßt in Stammhaus und Filialen insgesamt 15 Apple-Macintosh- und zwölf Windows-Rechner.

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Internationale Bauplanung via Internet steckt noch in den Anfängen. Einzelne Architekten praktizieren sie zwar bereits, beschränken sich dabei aber noch weitgehend auf das Austauschen von E-Mails mit angehängten Plandateien im DXF- oder DWG-Format. Gründe: Den Datenaustausch und die Interoperabilität der CAD-Software behindern immer noch unzureichende oder gänzlich fehlende Standards, und die große Mehrheit der Architekten ist dem neuen Medium gegenüber skeptisch. Trotzdem dürfte das Internet angesichts der Notwendigkeit, weltweite Planungsgemeinschaften zu bilden, mittelfristig ein wichtiges Werkzeug für diese Branche werden.

*Arno Laxy ist freier Journalist in München.