Augmented Reality

Virtuelle Infos erweitern die Realität

07.08.2013
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Schwerpunkte? Keine - er interessiert sich vielmehr für (fast) alles, was mit IT, PC, Smartphone und Elektronik zu tun hat. Dabei geht es aber meist nicht um die Technik nur um der Technik willen, vielmehr stehen Nutzen und sinnvolle Anwendung im Vordergrund.
Erweiterte oder auch angereicherte Realität, so lässt sich der englische Fachausdruck „Augmented Reality“ am besten übersetzen.

Abseits oder nicht? Die Frage, ob ein Fußballspieler nun regelwidrig stand oder nicht, lässt sich nachträglich in der Zeitlupe auf dem Fernseher einfach mit einer eingeblendeten virtuellen Linie beantworten. Genauso ist das Anzeigen der von den bisher von den Konkurrenten erreichten Höchstweite beim Skispringen oder die bisherige Bestmarke bei Schwimmwettbewerben beim Fernsehsport längst Standard.

Foto: lassedesignen - Fotolia.com

Drei Beispiele aus dem Alltag, die das Prinzip von Augmented Reality, oft einfach mit AR abgekürzt, verdeutlichen. Es geht darum, die reale Welt mit zusätzlichen Informationen anzureichern, die in aller Regel über das Internet eingespielt werden.

Die besten AR-Apps auf dem Smartphone

Für uns als Verbraucher ist die AR-Technik vor allem auf dem Smartphone und Tablet-PC interessant. Denn die Geräte bringen mit ihren Sensoren (GPS, Kompass und Gyroskop) sowie Internet-Anbindung und der Kombination aus Kamera und Display geradezu ideale Voraussetzungen mit.

Googles Bilderdienst Panoramio in der AR-App Wikitude World Browser: Da, hinter den Häusern, muss die gesuchte Kirche sein! Einen ersten Eindruck vermittelt das gezeigte Foto.
Googles Bilderdienst Panoramio in der AR-App Wikitude World Browser: Da, hinter den Häusern, muss die gesuchte Kirche sein! Einen ersten Eindruck vermittelt das gezeigte Foto.

So wurde in den vergangenen Jahren bereits eine beachtliche Anzahl von AR-Apps vor allem für die Mobilbetriebssysteme Android und iOS entwickelt. Universell sind Browser wie der Acrossair Augmented Reality Browser (nur iOS), der Layar Browser, der Wikitude World Browser oder der Junaio Augmented Reality Browser: Sie zeigen allerlei Zusatzinfos vom nächsten Schnellrestaurant, über den Nahverkehr oder Supermärkte bis zu touristischen Attraktionen auf dem Display. Dazu genügt es, die App zu starten, die gewünschte Rubrik zu wählen und das Handy in die gewünschte Richtung zu halten.

So allgemein die AR-Browser sind, so speziell lassen sich die Apps auf einen konkreten Zweck zuschneiden. Mal lässt sich der Schwerpunkt auf den Reiseführeraspekt (z.B. mtrip) legen, mal auf freie Wohnungen (z.B. Immonet für iOS), auf den öffentlichen Nahverkehr (z.B. BVG in Berlin für iOS), auf die landschaftliche Umgebung (z.B. Peak AR für Android), das Sternenbild (z.B. Google Sky Map) oder sonst etwas. So zeigen die vielen Car-Finder-Applikationen selbst auf riesigen Parkplätzen den Standort des eigenen Autos in der reellen Umgebung – sofern man ihn zuvor per Knopfdruck via GPS gespeichert hat. Auch die Bildererkennung Google Goggles basiert auf Augmented Reality.

Eine weitere praktische Anwendung stellt SnapShop Showroom dar: In dieser App für iPhone und iPad lassen sich Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gezielt in den eigenen vier Wänden platzieren – natürlich nur auf dem Display, das aber wieder über das Bild der Kamera die reelle Umgebung abbildet. Ähnlich mit Ikea-Möbeln und -Inventar arbeitet die iOS-App Furnish. Und der Elektronik-Hersteller Sharp hat eine AR-App entwickelt, mit der sich die richtige Bildschirmgröße des neuen Fernsehers schon vor dem Kauf daheim am Handy-Display aussuchen lässt.

Noch ist genügend Abstand, doch die AR-App iOnRoad Augmented Driving warnt, wenn man geschwindigkeitsabhängig zu nah auf das vorausfahrende Fahrzeug auffährt.
Noch ist genügend Abstand, doch die AR-App iOnRoad Augmented Driving warnt, wenn man geschwindigkeitsabhängig zu nah auf das vorausfahrende Fahrzeug auffährt.

Die auf dem Smartphone im Auto installierte AR-App iOnRoad Augmented Driving warnt deutlich, wenn man zu nah auf das vorausfahrende Auto auffährt. Wie die Kombination von Navigation und Augmented Reality bei Wikitude Drive funktioniert, schauen Sie sich am besten im YouTube-Video an. Eine Karte ist da obsolet, denn über die auf dem Display gezeigte reelle Außenansicht legt die App die zu fahrende Route. Gemeinsam ist all diesen Beispielen das eingangs erklärte Prinzip: virtuelle Informationen werden zusätzlich über die tatsächliche Umgebung gelegt.

Weitere AR-Anwendungen aus der Praxis

Schätzen Sie einmal die jährliche, Auflage des Ikea-Katalogs! Na gut, das ist schwierig: Weltweit sind es mehr als 210 Millionen Exemplare, in Deutschland immerhin 26 Millionen Stück. Diese sind seit Herbst des letzten Jahres erstmals mit AR-Funktionen ausgestattet. Über die Katalog-App lassen sich auf insgesamt 44 Seiten die statischen Abbildungen dynamisch erweitern: mit Blicken in geschlossene Schränke, Videos oder neuen Funktionen in der Küche.

Statischer Playboy-Titel, doch mit der passenden Smartphone-App räkeln sich die drei Damen auf dem Display.
Statischer Playboy-Titel, doch mit der passenden Smartphone-App räkeln sich die drei Damen auf dem Display.
Foto: Layar

Ähnliche AR-Konzepte haben einige Zeitschriftenverlage punktuell verfolgt. So gab es im Jahr 2010 ein Magazin der Süddeutschen Zeitung, das mit der zugehörigen AR-App neue Inhalte zeigte (Video). Und die holländische Ausgabe des Playboy ließ erstmals Anfang 2013 die Mädels vom Titel auf dem Smartphone-Display sich räkeln.

Abseits solcher Gimmicks bietet Augmented Reality viel praktischen Nutzen. Stellen Sie sich vor, der Toner ihres Druckers im Büro ist leer. Sie haben zwar schon Ersatz, doch diesen in modernes, fast manngroßes Multifunktionsgerät einzusetzen, ist nicht ganz einfach. Statt also auf den Servicetechniker zu warten oder mühsam die Anleitung zu studieren, ist eine AR-App in der Lage, vor dem Drucker jeden einzelnen Schritt genau zu illustrieren, während Sie vor dem Drucker stehen: also erste diese Klappe öffnen, dann … und so weiter.

Das gleiche Prinzip nutzt als professionelle Reparaturanleitung auch Werkstattpersonal, das damit nicht jeden Schritt für jedes Gerät auswendig kennen muss, sondern sich mit AR leiten lässt. Audi nutzt die Technik seit kurzem beim Modell A1 sogar als interaktive Bedienungsanleitung. Wer wissen möchte, wofür ein bestimmtes Bedienelement im Wagen dient und wie es funktioniert, startet die iOS-App von Audi und hält sein iPhone einfach auf den fraglichen Knopf oder Schalter am Armaturenbrett. Ein Video zeigt, wie es funktioniert.

Google Glass und AR-Datenbrille Vuzix M100

Praktisch alle bisher vorgestellten AR-Anwendungen und -Szenarien laufen über das Smartphone. Da liegt ja der nächste Schritt, nämlich die erweiterte Realität gleich in neue Datenbrille von Google zu integrieren, auf der Hand. Warum noch das Handy in die Hand nehmen, wenn man die Infos mit Google Glass doch im wahrsten Sinn vor Augen hat?

Zwar hat der Hersteller Anfang Juni 2013 erklärt, die automatische Gesichtserkennung über die Brille zu unterbinden beziehungsweise zu verbieten. Doch es scheint mehr eine Frage der Zeit, bis sich die ersten Erkennungs-Apps doch installieren lassen – ein Paradeeinsatz für Augmented Reality.

Weniger Bedenken hat da offenbar die amerikanische Firma Vuzix, als sie ihre Datenbrille M100 auf der Branchenmesse Augmented World Expo in Kalifornien als ausdrücklich „AR Ready Smart Glasses “ vorstellte

Augmented Reality als Spiel: Google Ingress

Haben schon einmal von Google Ingress gehört? Falls nicht, halb so wild. Denn obwohl das „Spiel“ noch nicht einmal ein Jahr alt ist und die Android-App schon mehr als eine Million Mal installiert wurde, ist die Ingress-Gemeinde exklusiv. Nach wie vor benötigt man einen Zugangscode, entweder von einem anderen erfahrenen Spieler oder – nach längerer Wartezeit – von Google selbst.

Nach wie vor in der Beta-Phase und damit auf elitären Kreis beschränkt: Wer bei Google Ingress mitmachen möchte, braucht einen Zugangscode und damit eine Einladung.
Nach wie vor in der Beta-Phase und damit auf elitären Kreis beschränkt: Wer bei Google Ingress mitmachen möchte, braucht einen Zugangscode und damit eine Einladung.
Foto: Google

Das Spiel findet übrigens nicht nur auf dem Smartphone, sondern „richtig draußen“ statt. Dort wird in zwei Fraktionen um die Weltherrschaft gekämpft, das Spielbrett ist also die gesamte Welt und Ingress eine Strategiekombination aus Augmented Reality und Geocaching, also elektronischer Schnitzeljagd. Eine ausführliche, mehr als 50seitige Anleitung in deutscher Sprache finden Sie als PDF-Datei im Internet .

Datenschützer sehen das Ganze überaus kritisch, weil Google über Ingress nicht nur Bewegungsprofile und Aktivitätszeiten, sondern sogar Verhaltensmuster von jedem einzelnen und manches mehr erfährt.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation PC-Welt. (mhr)