Virtuelle Desktops rechnen sich langfristig

16.02.2011
Die Server-Virtualisierung hat bereits in vielen Unternehmen Einzug gehalten. Nun interessieren sich mehr und mehr Firmen für die nächste Entwicklungsstufe: Sie wollen den Desktop virtualisieren.

Statt Arbeitsplatzrechner immer wieder für neue Betriebssystem-Versionen zu aktualisieren, was häufig auch mit neuer Hardware verbunden ist, bietet sich ein zentralisiertes Modell an, bei dem die Desktops virtualisiert im Rechenzentrum gehostet werden. So raten Experten, im Rahmen einer Windows-7-Umstellung die gesamte Desktop- beziehungsweise PC-Strategie im Unternehmen zu überdenken. Der Umstieg von physische auf virtuelle Desktops kann eine echte Alternative sein, die sich allerdings zumeist nur langfristig als sinnvolle Investition erweisen wird.

Laut Bitkom wächst der Markt für Desktop-Virtualisierung in Deutschland in diesem Jahr um rund 13 Prozent. Die Analys- ten von Gartner prognostizieren für das Jahr 2013 ein weltweites Marktvolumen von 65 Milliarden Dollar für PC-Virtualisierung - das wären 40 Prozent des Marktes für professionell genutzte PCs. Nicht umsonst gehört die Desktop-Virtualisierung neben dem Cloud Computing damit zu den wichtigsten IT-Trends im Jahr 2011.

Die verschiedenen Konzepte

Desktop-Virtualisierung wird heutzutage oft gleichgesetzt mit VDI (Virtual Desktop Infrastructure). Dieser Ansatz verlagert PC-Desktops in virtuelle Maschinen auf einigen wenigen Servern, wo sie zentralisiert betrieben werden. Damit vereinfacht VDI das Management, erhöht die Sicherheit und die Verfügbarkeit der Sys- teme und spart Kosten für Betrieb und Hardware. Zudem verbessert sich die Flexibilität der gesamten IT, indem neue Desktops in Sekundenschnelle bereitgestellt werden können, wenn Mitarbeiter eingestellt werden oder kurzfristig besondere Aufgaben erledigen müssen.

Virtuelle Desktops gibt es schon lange. Der gute alte Terminal-Server ermöglicht seit Jahren den entfernten Zugriff auf zentrale Server-Desktops, die meist in Farmen betrieben werden. So hat etwa Citrix mit XenApp die entsprechenden Remote-Techniken verbessert. Diese Art der Zentralisierung hat allerdings den entscheidenden Nachteil, dass Desktops und Applikationen mit anderen Benutzern geteilt werden müssen. Treten Probleme auf, können sie sich auf andere Anwender auswirken. Eine individuelle Umgebung lässt sich nicht oder nur in engen Grenzen bereitstellen.

VDI räumt mit diesen Nachteilen weitgehend auf, indem sie die Client-Installation in virtuelle Maschinen auf dem Server verlagert. Der Benutzer greift von einem Thin Client oder PC via Remote Display Protocol (RDP) auf seinen virtuellen Desktop zu. Zu den wichtigsten Protokollen zählen neben RDP von Microsoft auch ICA von Citrix, ALP von Sun sowie PCoIP (PC-over-IP). Neben der Interaktion mit dem entfernten Desktop gehören zudem ein Hypervisor, ein Connection Broker sowie Management-Werkzeuge zu einer vollständigen VDI-Lösung.

Gegenüber anderen Varianten der Desktop-Virtualisierung wie etwa dem Terminal-Server hat VDI den großen Vorteil, dass sich individuelle Arbeitsumgebungen besser abbilden lassen, da jeder Mitarbeiter seine eigene Installation in Form einer separaten und privaten Virtual Machine (VM) erhält, die sich im Wesentlichen wie ein physischer Desktop verhält.

Probleme gibt es inklusive

Oft ist die praktische Umsetzung von VDI jedoch aufwendig und bleibt daher noch den großen Unternehmen vorbehalten. Die wesentlichen Hindernisse sind:

- Hohe Anfangskosten: Vor allem der benötigte zentrale Netzwerkspeicher (SAN) mit den zugehörigen Hochleistungsnetzen ist ein Kostentreiber. Allein der Aufwand hierfür kann 50 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Analysten gehen davon aus, dass in vielen Fällen mit einer Rentabilität erst nach mindestens drei Jahren zu rechnen ist. Forrester Research hat ermittelt, dass Unternehmen etwa 605 Euro pro Anwender für ein Desktop-Virtualisierungsprojekt ausgeben. In vielen Fällen ist VDI daher für kleine und mittelständische Unternehmen noch zu teuer beziehungsweise unwirtschaftlich.

- Hohe Komplexität: In der Regel bedarf es einer Fülle von Komponenten und Diensten, um eine VDI-Umgebung aufzusetzen. Dazu gehören Shared Storage, Load Balancing, Hochverfügbarkeit, Connection Broker und anderes.

- Benutzererfahrung: Viele der verwendeten Protokolle schränken die Anwendungsmöglichkeiten für Benutzer ein. Multimedia-lastige Anwendungen oder der Einsatz von VoIP an virtuellen Arbeitsplätzen scheiden zum Teil aus. Ein weiterer Nachteil ist die fehlende Möglichkeit zur Offline-Nutzung des virtuellen Desktops.

Manchmal verursachen virtualisierte Desktops sogar höhere Kosten als die Fat Clients, vor allem wenn die Probleme der konventionellen Desktop-Umgebung ins Data Center verlagert werden. Zu bedenken ist, dass eine Desktop-VM fast vollständig einem physischen Client entspricht und wie dieser Virenschutz, Updates und Wartung benötigt. Auch Standardanwendungen können Ärger machen, wenn sie etwa zwar Windows-7-fähig sind, jedoch nicht (optimal) über ein Remote-Protokoll funktionieren.

Auf den ersten Blick profitieren von dem Konzept also größere Unternehmen, die viele ähnliche Arbeitsplätze haben und deren Mitarbeiter mehr oder weniger die gleichen Anwendungen nutzen. Als Lösungen bieten sich hier an:

- VMware View: Software für Server Hosted Virtual Desktops (SHVD);

- Citrix XenDesktop: Komplettpaket aus XenServer, Delivery Controller und Provisioning Server;

- Microsoft VDI (Standard Suite, Premium Suite): Komplettpaket aus Hyper-V, Management-Tools (unter anderem SCVMM), MDOP mit App-V und Remote Desktop Services (RDS).

Doch auch Mittelständler sollten sich dieser Technik nicht verschließen, auch für sie gibt es passende Produkte wie

- Quest vWorkspace: leichtgewichtige Alternative zu VMware und Citrix;

- Red Hat mit RHEV 2.2 und SPICE als eigenem Remote-Protokoll;

- Kaviza VDI-in-a-Box als Lösung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU);

- Ericom PowerTerm WebConnect ist ebenfalls eine KMU-Lösung;

- MokaFive richtet sich an KMUs, die virtuelle Desktops zentral verwalten und lokal ausführen wollen.

Schlanke Alternativen

Diese VDI-Lösungen sind gezielt mit Blick auf die Bedürfnisse von kleineren Betrieben geschaffen worden. Sie sind kostengünstiger, deutlich weniger komplex und hardwareseitig nicht so anspruchsvoll wie die großen Wettbewerber. Kaviza VDI-out-of-the-Box ist ein solches Programm. Es ist genügsam, was die Server- und Storage-Ausstattung betrifft, und bietet dennoch eine angemessene Hochverfügbarkeit. Da die Anfangskosten vergleichsweise gering sind, rechnet sich der Einsatz laut Hersteller bereits ab etwa 25 Anwendern. Allerdings stellt die Lösung trotz allem recht hohe Ansprüche an die Administratoren, da sie erst einmal die Server-Virtualisierung als Basisinfrastruktur auf Grundlage von Citrix XenServer oder VMware ESX(i) meistern müssen.

Virtualisierte Desktops bringen erst dann einen wirtschaftlichen Nutzen, wenn die Applikations- und Benutzerverwaltungs-Infrastruktur flexibilisiert und vom eigentlichen Desktop entkoppelt gespeichert und verwaltet wird. Denn virtuelle Desktops werden auf Basis zentraler Images erzeugt und bereitgestellt, die für die meisten Anwender identisch sind. Da empfiehlt es sich, neben den Applikationen auch die Benutzerdaten unabhängig zu speichern und zentral zur Verfügung zu stellen.

Die Virtualisierung von Desktop-Anwendungen vereinfacht die Administration, weil sich Migrationen wie etwa auf Windows 7 sicher gestalten lassen. Auch die Softwareverteilung fällt leichter, denn Applikationen müssen nicht dezentral installiert werden. Das vermeidet Konflikte mit anderer Software und Treibern sowie Inkompatibilitäten mit unterschiedlichen Betriebssystem-Versionen. Anwendungen werden in einem virtuellen Container auf dem Client-PC ausgeführt, womit die Applikation gegenüber dem Betriebssystem abgeschottet wird. Desktops werden dafür nur mit einem standardisierten Betriebssystem-Image sowie einem Agent für die virtualisierte Softwarebereitstellung versehen.

Der Vorgang ist für den Anwender völlig transparent: Sobald sich der Benutzer anmeldet, werden automatisch sämtliche Verknüpfungen zu allen für ihn vorgesehenen Applikationen eingerichtet. Beim ersten Start einer solchen Anwendung wird sie vom Server gestreamt. Wird die zentral gehostete Applikation aktualisiert, hält der Benutzer-PC automatisch das entsprechende Update.

Windows 7 als Initialzündung

Im Server-Umfeld ist die Zeit zur Virtualisierung auch in mittelständischen Unternehmen inzwischen mehr als reif. Entsprechende Projekte sollten stets eine Storage-Virtualisierung einschließen. Steht in Unternehmen zudem eine Migration auf Windows 7 an, sollten die IT-Verantwortlichen zumindest untersuchen, welche Chancen und Risiken ihnen eine Desktop-Virtualisierung bringen würde. Bei der Analyse des Vorhabens sollten sich alle darüber im Klaren sein, dass ein solches Projekt erst langfristig Vorteile schafft.

In der Phase der Entscheidungsfindung gibt es für kleine und mittelständische Unternehmen Sinn, sich nicht von den mächtigen Virtualisierungslösungen abschrecken zu lassen. Inzwischen existieren einige leichtgewichtige und kostengünstige Produkte am Markt, so dass sich zumindest bestimmten Anwendergruppen flexible Lösungen bereitstellen lassen. Mittelständler sind in jedem Fall gut beraten, für eine durchgängige Virtualisierung mit automatisierten Prozessen und modularen Desktops zu sorgen, um im Hinblick auf Cloud-Computing-Strategien gut aufgestellt zu sein. (jha)

Fünf Thesen zur Virtualisierung

Gebetsmühlenhaft weisen Experten auf die Vorteile der Virtualisierung hin. Zwar haben viele Anwender entsprechende Techniken im Einsatz, doch sie reizen die Installationen hinsichtlich Einsparmöglichkeiten, Effizienz und Flexibilität noch nicht aus. Fünf Thesen helfen, die gegenwärtigen Möglichkeiten der Virtualisierungstechniken einzuordnen.

These 1: Die große Virtualisierungswelle steht noch bevor

Gerade Server-Virtualisierung bietet ein hohes Rationalisierungspotenzial. Anwender können Hardware-, Raum- und Energiekosten sparen und Server-Ressourcen flexibler nutzen. Dennoch steht die flächendeckende Einführung bislang noch aus. Angesichts der Vorteile der Technik, die inzwischen allgemein akzeptiert werden, ist eine große Virtualisierungswelle zu erwarten.

These 2: Ein Hypervisor macht noch keine moderne IT-Umgebung

Ausgereifte Virtualisierungsprodukte gibt es schon seit längerem. Doch Unternehmen zögern, weil der bloße Einsatz von Hypervisoren noch keine Kosten spart. Gefragt sind intelligente Lösungen zum Verwalten und Automatisieren der virtualisierten Umgebung sowie entsprechend optimierten Prozesse und Policies. Auch die Notwendigkeit, in zusätzliche Storage-Systeme zu investieren, stellt für kostenbewusste Anwender eine Hürde dar.

These 3: Storage-Virtualisierung ist der nächste logische Schritt

Die Server-Virtualisierung stellt besondere Anforderungen an die Speicher-umgebung, die sich nur mit Storage-Virtualisierung erfüllen lassen. Indem sie eine systemübergreifende Abstraktionsschicht ggenüber der zugrunde liegenden Hardware einzieht, erlaubt sie Anwendern ein flexibles Management und die Installation einer heterogenen Speicherlandschaft.

These 4: Desktop-Virtualisierung rechnet sich spät

Die in vielen Firmen anstehende Windows-7-Migration schafft enormes Inter- esse an der Desktop-Virtualisierung. Zwar verspricht das Konzept Flexibilität und Einsparungen, doch zunächst kommen auf Unternehmen hohe Investitionen zu. Entlastung bringen neue, auf die Bedürfnisse und finanziellen Möglichkeiten kleinerer und mittlerer Unternehmen ausgerichtete Lösungen, die derzeit auf den Markt gelangen.

These 5: Die Cloud braucht noch Zeit

IT wird irgendwann als allzeit verfügbarer, verbrauchsabhängiger und skalierbarer Service für Unternehmen jeder Größe bereitstehen. Für den Mittelstand gestalten sich die Projekte schwierig. Zu unwägbar sind noch die Probleme hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit. Dennoch sind Unternehmen gut beraten, ihre Prozesse zu automatisieren und ihre Anwendungen, Benutzerdaten und Server-Ressourcen stärker zu modularisieren, um für künftige Cloud-Strategien gewappnet zu sein.

Sonderform virtualisierter Client-Desktop

Einige Hersteller setzen bei ihren Lösungen auf einen Client-zentrierten Ansatz. Dabei wird die virtuelle Maschine mit dem Desktop-System auf Basis eines Baremetal-Hypervisors auf dem Endgerät ausgeführt. Die Virtualisierungsschicht setzt direkt auf der Hardware auf, so dass eine hohe Performance möglich wird und eine sehr sichere Separierung der einzelnen virtuellen Maschinen (VM) garantiert ist. Das Verfahren wird als Typ-1-Virtualisierung bezeichnet. Typ-2-Lösungen laufen als Applikation im Betriebssystem.

Der eigentliche Clou in der Typ-1-Ausführung liegt darin, virtuelle Maschinen auf den mobilen Clients auch offline betreiben zu können - im Gegensatz also zu klassischen VDI-Szenarien, die eine permanente Online-Verbindung voraussetzen. Dieses Konzept ist vornehmlich für Laptop-User in größeren Unternehmen gedacht. Geschäfts- und private VMs können zum Beispiel mit Citrix XenClient oder VMware View Local Mode (Hypervisor Typ 2) völlig isoliert voneinander auf ein und demselben Gerät laufen.

Applikationsvirtualisierung

Folgende Produkte unterstützen die Virtualisierung von Applikationen:

- VMware ThinApp;

- Microsoft App-V;

- Symantec Altiris SVS.