Bei Netzwerkbetriebssystem-Anbietern lichten sich die Reihen:

"Viererbande" beherrscht den LAN-Markt

06.11.1987

MÜNCHEN - Die Individualität auf dem Markt der Netzwerkbetriebssysteme ist dahin: Boten vor rund drei Jahren noch etwa 15 Network-Companies zu ihren Karten eigene System-Software an, so bestimmen heute nur noch vier Unternehmen das Angebot In diesem Bereich: IBM, Novell, 3Com und Banyan. Ihre Produkte unterscheiden sich allerdings Inzwischen lediglich durch "technische Leckerbissen", meint Helmut Holighaus, Geschäftsführer der Münchner Adcomp Datensysteme GmbH.

Seit Netzwerkspezialisten wie Novell und 3Com ihre Software-Pakete modular gestalten, lassen sich nicht nur die. eigenen Protokolle unterstützen, sondern auch die anderer Hersteller. So wird beispielsweise der US-Anbieter Novell zwar weiterhin seine Netware als Standard für Vernetzungs-Ssoftware proklamieren. Darüber hinaus wolle man jedoch Netware-Anwendern auch den Einsatz von OS/2 und LAN-Manager ermöglichen, erklärte Jonathan Whitley, Director of European Marketing.

Das Microsoft-Betriebssystem OS/2 wird kommen - und ehe mögliche Konvertiten auf den OS/2-Zug springen, leitet man diesen Zug auf Netware-Gleise, deutete Whitley an. "Die Konkurrenz wird sich in jedem Fall beleben." Dies, so der Marketing-Chef, sei nicht allein für den Netzwerk-Pionier aus Utah interessant, sondern auch für die Benutzer. Denn die Ansprüche der Anwender haben sich während des letzten Jahres gewandelt. Die Unternehmen haben jetzt lokale Netze akzeptiert, bescheinigt der europäische Novell-Marketingchef denn auch seinen Kunden. Konsequenterweise ergebe sich daraus aber auch die Forderung, nicht mehr nur Personal Computer miteinander zu vernetzen; vielmehr müssen diese PC-Netze jetzt auch in die bereits bestehende DV-Welt der Unternehmen integriert werden.

Um die User bei der Realisierung ihrer angestrebten dezentralen Konzepte zu unterstützen, fährt Novell die Strategie der "Universal Network Architecture (UNA)", die LAN-Anpassungen auf Betriebssystem-Ebene vorsieht. Damit habe man möglicherweise einen gezielteren Ansatz gefunden als der IBM-Hoflieferant Microsoft, formulierte Jonathan Whiteley.

Eine andere Firmenpolitik verfolgt dagegen die im Bereich OS/2 mit Microsoft eng zusammenarbeitende 3Com Corp., die sich in der Bundesrepublik von der Münchner Computer 2000 vertreten läßt: Gemeinsam mit Microsoft will 3Com die Multitasking-fähige System-Software OS/2 als Standardprodukt generieren, ohne Arbeitsstationen, die unter DOS im Netz verbunden sind, zu vernachlässigen. Man könne nicht davon ausgehen, so Hermann Klein, 3Com-Produkt-Manager bei Computer 2000, daß DOS-Applikationen in den Hintergrund gerieten. Für Textverarbeitung beispielsweise benötige der User kein OS/2. Nur bei großen Informationsmengen ist es laut Hermann Klein sinnvoll, die Daten auf dem Server zu halten, um die Zugriffszeit zu verkürzen. Das Microsoft-Produkt sei daher das Netzwerk-Betriebssystem der Zukunft schlechthin.

Die immensen Entwicklungskosten werden für eine Selektierung bei den LAN-Herstellern sorgen, kommentiert der 3Com-Fachmann. Ähnlich wie im Software-Bereich wird auch hier der finanzielle Aufwand die Zahl der Netzwerk-Häuser reduzieren. Sowohl für die Anbieter als auch für die Anwender dürfte die Einführung des "Betriebssystems der Zukunft" teuer werden. Auf der Applikationsseite werde die Software bei der offiziellen OS/2-Einführung Mitte 198 8 auch "noch nicht viel Unterstützung finden", so Klein. "In etwa

zwei Jahren werden OS/2-Anwendungen laufen."

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist OS/2 zwar in aller Munde - implementiert wurde es indes noch nicht. Dies hatte denn auch 3Com bewogen, "nichts derart Großartiges" auf der Systems zu zeigen. Ein OS/2-Provisorium sollte es nicht geben. Statt dessen ließ das US-Unternehmen durch Computer 2000 seinen AT-kompatiblen Netzwerk-Arbeitsrechner "Three-Station" zeigen, eine Vernetzungskombination aus Glasfaser und Ethernet sowie ein Gateway für IBM-Host-Anbindungen.

Größere Präsentationen ließ Schneider-&-Koch-Geschäftsführer Peter Ganser auf der Messe realisieren. Rund 20 Personal Computer heterogener Hersteller, eine Sun-Workstation sowie IBM-Systeme der Serie /2 Modell 50 und 60 hatte das Unternehmen vernetzt. "Neben Novell Netware fahren wir jetzt erstmals auch TCP/IP", gab Ganser bei der offiziellen Premiere bekannt. Für die Karlsruher Netzwerk-Spezialisten ist Netware der Standard, "heute und in Zukunft".

Dennoch beobachte man den Markt mit großer Aufmerksamkeit, meint der S&K-Chef. Insbesondere im unteren Segment, also bei Netzen mit nur vier bis fünf Rechnern, schließt Ganser "leistungsfähige und preisgünstige Alternativen zu Netware" nicht aus. Aber daß sich die Netzwerker von Schneider & Koch künftig neben Novell und IBM noch auf ein drittes Standbein stützen wollen, ist im Augenblick für Peter Ganser nicht in Sicht. Sind bei kleinen Netzen immerhin andere Betriebssysteme wie beispielsweise LanManager vorstellbar, gibt er bei Netzen mit 5 bis 500 angeschlossenen Stationen "anderen Betriebssystem-Anbietern außer Novell keine Chance".