Work-Life-Balance

"Viele wachen erst auf, wenn die Scheidung droht"

03.04.2009
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

CW: Kann in einem so anstrengenden Job wie dem Beraterberuf, der ständiges Reisen erfordert, eine Work-Life-Balance überhaupt gelebt werden?

Eggelhöfer: Eine Work-Life-Balance ist weder für Beratungsunternehmen noch für Berater wirklich wichtig. Beratungsunternehmen nutzen die Bereitschaft aus, dass sich Berater in der Arbeit voll ausleben. Die Reisen, spannenden Projekte und die Chance, schnell Verantwortung zu übernehmen, machen den Beraterjob für ehrgeizige, zielstrebige und selbstbewusste Berufseinsteiger attraktiv. Wer aber länger in dem Beruf erfolgreich sein will, muss für sein Wohlergehen die Verantwortung übernehmen und sich bewusst Zeit nehmen für Ernährung, Freizeitaktivitäten und vor allem für Beziehungen. Auch der Rundum-Ereichbarkeit sollte man eine Absage erteilen und den Urlaub planen statt verfallen zu lassen.

CW: Was können Arbeitgeber tun, um eine Work-Life-Balance zu fördern?

Eggelhöfer: Immer mehr Unternehmen investieren in Gesundheitsangebote, beispielsweise ergonomische Arbeitsplätze, Sportangebote, Gesundheits-Checks, Stress-Management-Trainings. Einen hohen Stellenwert für Mitarbeiter hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das erfordert Angebote wie moderne Arbeitszeitmodelle, die Gleitzeit, Teilzeit oder Jahresarbeitszeiten ermöglichen. Ein wichtiger Punkt ist auch, den frühen beruflichen Wiedereinstieg nach einer Babypause zu fördern. Dabei sollten sich die Angebote nicht nur auf Frauen begrenzen, denn auch gut ausgebildete junge Väter wollen mehr für die Familie da sein. Da hilft es, wenn Mitarbeiter von zuhause aus arbeiten oder einen Teil der Arbeit im Home Office erledigen können. Familienfreundliche Unternehmen bieten auch eine Kinderbetreuung in Notsituationen an oder zahlen einen Zuschuss zur Kinderbetreuung. Eine entscheidende Rolle fällt jedoch den Führungskräften zu: Wichtig ist aufmerksam zu sein, wenn bei Mitarbeitern Fehlzeiten oder Belastungsanzeichen zunehmen und gemeinsam mit den Mitarbeitern nach Lösung suchen. Ein Zeichen für Vertrauen und Wertschätzung ist eine Ergebniskultur zu schaffen statt einer Anwesenheitskultur.

Sandra Eggelhöfer leitet die Beratung Talent Management Service und ist Gründungsmitglied des Netzwerkes Gender in Balance.