CA-Chef Scheil im Interview

"Viele IT-Jobs wird es nicht mehr geben"

08.12.2009
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Wenn Cloud Computing die Zukunft ist, sind dann Softwarehäuser nur noch Zulieferer der Cloud-Dienstleister? Das wollten wir von Helge Scheil wissen, dem Geschäftsführer der CA Deutschland GmbH in Darmstadt.

CW: Cloud Computing ist wahrscheinlich das IT-Buzzword des Jahres 2009. Dabei sind wichtige Themen in Bereichen wie Sicherheit, Authentifizierung oder Governance ungeklärt.

Scheil: Noch. Ich erwarte, dass Cloud-Management 2010 oder 2011 richtig anziehen wird. Alle zehn bis 15 Jahre gibt es größere Umwälzungen in der IT. Mainframe, Minicomputer, Client-Server, Internet - wir stehen jetzt vor der nächsten Umwälzung in Richtung IT als Service, und das wird explodieren. Begriffe wie SOA, Web-Services etc., das war nur das Vorgeplänkel. Jetzt geht es um interne und externe Clouds, um Virtualisierung von Netzwerken, Storage und Servern. Die VMwares waren die Vorreiter, doch jetzt hat das ganze echten Drive bekommen.

CW: Ist das für CA nicht ein Problem? Es wird wenige, hoch optimierte und äußerst sparsame Dienstleistungrechenzentren geben, die nach allen Regeln der Kunst gemanagt sein werden. Bei Google und Amazon kann man heute schon erkennen, wie so etwas aussehen wird. Wo sind Ihre Geschäftsperspektiven?

"Wir virtualisieren ja nicht nur die Systeme und Netzwerke, sondern auch die Mitarbeiter. Das ist ein Nebeneffekt der Industrialisierung", sagt CA-Chef Helge Scheil
"Wir virtualisieren ja nicht nur die Systeme und Netzwerke, sondern auch die Mitarbeiter. Das ist ein Nebeneffekt der Industrialisierung", sagt CA-Chef Helge Scheil
Foto: CA technologies

Scheil: Bedrohlich würde ich diesen Industrialisierungsprozess nicht unbedingt nennen. Ich sehe eher die Chance, mit einem variierten Geschäftsmodell davon zu profitieren. Nehmen wir das Thema Cloud-Management. Wir werden verstärkt mit Managed-Service-Providern kooperieren. Das ist schon heute der Fall: Wir arbeiten eng mit T-Systems, IBM und HP zusammen. Aber es wird auch weiter große Firmen geben, die ihre IT selbst managen wollen. Klar, es werden weniger. Für uns ist aber entscheidend, dass sich unser Geschäftsmodell anpasst.

Firmen gehen ja nicht nackt in die Cloud und fragen sich, was kaufe ich denn jetzt für Klamotten. Die bringen viel von ihrem bisherigen Bestand an Management-Lösungen mit, die zum Teil von CA kommen. Das muss erst einmal überführt werden. Wir positionieren uns verstärkt bei den großen Playern, um von diesem großen Kuchen etwas abzubekommen. Die Konsolidierung der Rechenzentren vor dem Hintergrund von Cloud Computing wird komplex, zum Beispiel hinsichtlich Abrechnungssystem oder auch Netzwerkvirtualisierung. Und da sind wir historisch gesehen ein erfolgreicher Anbieter. Das wird ein verstärkter und konsolidierter Kampf werden, für den wir uns aber gut aufgestellt fühlen.

CW: Wie wird sich die IT-Organisation in den Unternehmen ändern?

Scheil: Die Gruppe, die wir bisher angesprochen haben, muss retooled und reskilled werden. Viele IT-Jobs, so traurig das ist, wird es nicht mehr geben. Wir virtualisieren ja nicht nur die Systeme und Netzwerke, sondern auch die Mitarbeiter. Das ist ein Nebeneffekt der Industrialisierung. Auch das IT-Management wird sich ändern. Wenn Sie mit Vorständen im Unternehmen zu tun haben, und das wird der Fall sein, sind Themen wie Netzwerk-Monitoring oder Virtualisierung weniger interessant. Dann geht es um Vendor-Management, Finance-Management, Asset-Management und Procurement. Risk- und Compliance-Management werden zu Kernthemen.

IT-Manager werden zu Business-Managern. Sie müssen koordinieren und sich mit Themen wie Finanzen, Abschreibungen etc. beschäftigen. Der neueste Patch der Oracle-Datenbank ist dann kein Thema mehr. Die Zahl der Techniker wird schrumpfen, weil Virtualisierung und Zentralisierung nur noch den Outsourcer beschäftigen. Netzwerke, Systeme, Applikationen, Business-Prozesse - allmählich wandern diese Themen zum Provider. Damit wird die IT in der Unternehmenshierarchie nach oben geschubst.

Wenn ich heute zum Beispiel Datenbankadministrator wäre, dann würde ich mich schnell umsehen, wie mein Job in diesem Bereich bei einer IBM oder, in der zweiten Reihe, bei Colt oder Computacenter aussehen könnte. Bei den großen Anwendern geht es künftig primär um das Vendor-Management, das ist heute schon spürbar.

Zur Person

Helge Scheil

  • Helge Scheil ist seit dem 1. April 2009 Geschäftsführer und Senior Vice President Area Sales Germany von CA in Deutschland. Davor war er General Manager für die Geschäftseinheit Projekt- und Portfolio-Management (PPM) und verantwortete die Bereiche CA Clarity PPM, Produktneuentwicklung und Professional Services Automation.

  • Scheil studierte Wirtschafts- und Informatik-Wissenschaften an der Wirtschaftsakademie Kiel. Nach drei Jahren bei der Philips Medical Systems Deutschland wechselte er an den Hauptsitz von Oracle (USA) und kam 2005 mit der Akquisition von Niku zu CA. Bei Niku, dem Anbieter von IT-Management- und Governance-Lösungen, war Scheil für die Forschung und Entwicklung des Flaggschiffs Clarity verantwortlich.

CW: Ihr Szenario ist nicht weit weg von Nicholas Carrs Vision der IT aus der Steckdose. Es gibt aber immer noch den Anspruch der IT, im Unternehmen etwas zu bewirken, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Wenn CA sich ausschließlich auf den Betrieb besinnt, werden Sie unter Preis- und Wettbewerbsdruck geraten. Sie brauchen doch den direkten Kontakt zum Kunden, und dort sollten Sie den Innovationsprozess mit vorantreiben. (Für Scheils Antwort bitte zur folgenden Seite springen…)