Newcomer prägen den Markt für tragbare Systeme:

Viele Anbieter wollen nur das schnelle Geld

02.09.1983

HANNOVER (rs) - Mit etwa 200 Herstellern ist der Bereich stationäre Mikrocomputer völlig überbesetzt. Damit gibt es keine Chance für ein deutsches Unternehmen. gegen die unmittelbare Konkurrenz der internationalen Großkonzerne zu bestehen. Völlig anders

ist die Situation bei den tragbaren Systemen. Hier wird von der Hardware eine möglichst maßgeschneiderte Anpassung an den Außeneinsatz gefordert. Das verlangt Flexibilität bezüglich Massenspeichern, Schnittstellen und DFÜ-Prozeduren, die nicht in das Großseriendenken der führenden Mikroanbieter paßt. So treten bei professionellen tragbaren Systemen auch im wesentlichen Newcomer als Hersteller auf.

Allerdings ist der nicht einmal drei Jahre alte Markt der tragbaren Systeme inzwischen ebenso unübersichtlich wie das Angebot stationärer Mikrocomputer. Obwohl beide Systemrichtungen völlig unabhängig voneinander gesehen werden müssen, haben sie

doch eines gemeinsam: das miserable Marketing. Daß davon selbst Großkonzerne nicht ausgeschlossen sind, zeigt die Verleihung der "Marketing-Zitrone" an Philips für die völlig mißglückte Strategie des Mikrocomputers P 2000.

Bei den Tragbaren gibt es inzwischen zwei grundsätzliche Richtungen. Die eine verfolgt die Nachahmung des zuerst erschienenen amerikanischen Anbieters Osborne. Die andere (weitaus größere) versucht sich bis zur Selbstaufgabe kompatibel zu IBM zu

machen. Das bedeutet den totalen Verzicht euf eine eigene Produktstrategie. Hier wird nicht mehr im Markt agiert, sondern nur noch auf IBM reagiert.

Da IBM bisher nur stationäre PCs anbietet, können diese "Kompatiblen" nichts anderes als einfache Ableitungen von stationären Mikrocomputern sein. Die speziellen Anforderungen eines Computers für den Außeneinsatz erfüllen sie alle nicht. Es ist zu vermuten, daß die meisten Anbieter lediglich auf "schnelles Geld" und kaum auf langfristiges kontinuierliches Wachstum aus sind. Die Marktbereinigung ist vorgezeichnet.

Dreigeteiltes Angebot

Abgesehen von der konzeptbedingten Schwäche der meisten Mitbewerber, mit über Diskette ladbarer Intelligenz zu arbeiten, zeigt sich inzwischen, daß mit Geräten von "Osborne & Co." die differenzierten Bedürfnisse des Marktes nicht voll abzudecken

sind. So helfen selbst Preisnachlässe nicht mehr, diese fast identischen Produkte abzusetzen. Somit hat sich, angepaßt an die Bedarfsstruktur, ein dreigeteiltes Angebot von tragbaren Systemen entwickelt:

1. Hand-held-Computer

2. Transportable Computersysteme

3. Aktenkoffer-Computersysteme

Hand-held-Computer sind meistens "getunte" Taschenrechner. Inzwischen bieten insbesondere Japaner Modelle an, die miniaturisiert Personal Computer sind, Marktführer ist dabei Epson mit dem Am Beispiel dieses Spitzenreiters lassen sich die prinzipiellen N dieser Kategorie erkennen:

Nicht dialogfähig:

LDC-Display mit geringem Zeichenumfang

Kein separater Rechenblock:

Umständliche Zifferneingabe Eingeschränkte Speichermöglichkeiten:

Sehr langsames Bandlaufwerk ohne Direktzugriff (zum E Führen von Dateien unzumutbar) Eingeschänkte Druckmöglichkeiten: Matrixdrucker von nur 20 Zeichen Breite

Mangelhafte Kompatibilität:

Schnittstellen nicht normgerecht Kein TV-Anschluß:

TV/Monitoradapter wird vom Hersteller nicht angeboten.

Obwohl der HX-20 der leistungsstärkste unter den Hand-held-Computern ist, zeigt die beispielhafte Aufstellung, daß die kleinsten tragbaren Systeme wegen ihrer ungenügenden EVA (Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe) nur mit erheblichen Einschränkungen als Computer gelten können.

Hauptanbieter von Hand-held-Systemen sind Epson, Hewlett-Packard, Sharp, Casio, Toshiba, Canon, Panasonic, Tandy und Texas Instruments. Zu beispielhaften Einsatzgebieten dieser Rechner zählen Kalkulation, technisch-wissenschaftliche Berechnungen, Meßdatenerfassung, Energiesteuerung, Terminplanung, Bestandsaufnahme, Flugnavigation, Adreßdatei, Aufmaßberechnung, Regeltechnik, Texterfassung, Fahrtenbuch sowie Reisekostenabechnung.

Gewicht begrenzt Mobilität

In die Gruppe transportabler Computer fällt ebenfalls der Osborne und seine Nachahmer nebst den IBM-PC-Kompatiblen. Diese Systeme spielen eine gute Rolle beim wechselnden stationären und mobilen Einsatz, wobei jedoch der stationäre überwiegt. Gegen die uneingeschränkte mobile Anwendung spricht neben dem Gewicht auch die Größe. Oft fehlt der Drucker als wesentliches Ausgabeelement. Beim Bildschirm herrschen die selbst für 1000-Zeichen-(40 Zeichen mal 25 Zeilen)Darstellung kaum ausreichenden Größen fünf bis sieben Zoll vor. Hinzu kommt das umständliche Disketten-Handling der vorherrschenden CP/M-Betriebssysteme. In der Wahl dieses inzwischen schon fast zehn Jahre alten und ausschließlich für stationäre Systeme gedachten Betriebsystems liegt auch die eigentliche Schwäche: CP/M ist abhängig von Disketten.

Von Ausnahmen abgesehen bieten alle anderen Wettbewerber 5?-Zoll-Floppy-Disks, die keine MIL-Spezifikationen besitzen. Diese militärische Prüfnorm sollte jedoch der Maßstab für Mikrocomputer im Außeneinsatz sein. Zu enge Arbeitstemperaturbereiche, geringe Schockresistenz der Schreib-/Leseköpfe, Empfindlichkeit gegen relativ hohe Luftfeuchtigkeit, Schwitzwasserkondensat bei starken Temperaturschwankungen sind hier als Gründe für mangelnde Tauglichkeit zu nennen.

Portabel wie Koffernähmaschinen

Diese erheblichen Mängel sind nur deshalb nicht existenzbedrohlich für die "Tragbaren", weil die meisten Anwender gar keinen uneingeschränkt mobilen Computer suchen, sondern mehr einen Portable im Sinne von Kofferradios oder Koffernähmaschinen. Im Vordergrund der Kaufentscheidung steht die kompakte "Alles-in-einem-Lösung". Erfahrungen aus Amerika zeigen, daß sich die Mobilität auf das Tragen von einem zum anderen Arbeitsplatz oder vom Büro in die Wohnung bezieht.

So ist es nur selbstverständlich, daß Commodore ab 1984 auch den Heimcomputermarkt mit einem "Portable" erschließen will. Das angekündigte Modell "64 exekutive" ist deshalb auf den Consumer-Markt und nicht auf den professionellen Einsatz ausgerichtet.

Hauptanwendungen transportabler Computer (beispielhaft für wechselnden Einsatz):

- industrielle Datenerfassung und -verarbeitung,

- Erfassung und Kontierung von FiBu-Daten beim Klienten von Steuerberatern,

- Kredit- und Finanzberatung bei Kreditinstituten, Maklern und Bausparkassen,

- Wettkampfauswertung,

- Tourenplanung, Kundenkarteien und Auftragsabwicklung bei Handelsvertretern,

- Manuskripterfassung von Korrespondenten in Außenstellen,

- Schulunterricht und Unterrichtsvorbereitung zu Hause,

- Baustellenabrechnung,

- Niederlassungsvernetzung,

- Verwaltung von Versicherungs- und Verkaufsagenturen.

In die Kategorie Aktenkoffer-Computer fallen alle Computer, die als uneingeschränktes alle Komponenten für EVA (Eingabe-Verarbeitung-Ausgabe) und DFÜ (Datenfernübertragung) enthalten.

Diese Forderungen erfüllt derzeit fast niemand. Einige Anbieter bieten lediglich Teillösungen, die eine autarke vollständige Datenverarbeitung im Außeneinsatz nicht zulassen.

Aktenkoffer-Computer kommen der Forderung von DV-intensiven Branchen entgegen, die einerseits die zentrale EDV durch Datenvorverarbeitung entlasten und andererseits den Außendienst mit der DV effektiver organisieren wollen.