Benutzerfreundliche Software entscheidend:

Viel Markt beim Mittelstand

23.03.1979

KREIENSEN (CW) - Von den 300 000 potentiellen mittelständischen Anwendern auf dem deutschen Markt haben sich erst neun Prozent eine EDV-Anlage zugelegt und "fahren" auf ihr ein kommerzielles Softwarepaket. Nach durchschnittlich neun Monaten sind 40 Prozent der Erstausstattung an Software bereits überholt. Diese Zahlen nennt das private Forschungsinstitut für mikro-ökonomische Strukturen (MOS), Kreiensen, in seiner Studie "Mittelstands-Software".

Das Gesamt-Marktvolumen für mittelständische "Commerz-Minis" (MOS-Jargon) steigt nach der gleichen Studie nochmals um 20 000 potentielle Anwender, wenn man dezentralisierende Groß-EDV-Anwender hinzurechnet. Als typische Commerz-Modelle gelten:

- IBM /32, /34

- Nixdorf 8870-1

- Kienzle 6100 - 8

- NCR 8200

- Honeywell-Bull 61, 62, 64.

Die Standard-Konfiguration besteht aus Zentraleinheit und Arbeitsspeicher: 64 KB; Magnetplatten: 10 MB; Bildschirm (24 x 80 Zeichen): 1; Drucker (300 Zeichen pro Sekunde): 1.

Der Kaufpreis liegt zwischen 75 000 und 100 000 Mark. Wie MOS feststellt machen neuerdings Commerz-Minis mit 2 x 1,1 MB-Floppies (anstelle von 2 x 5 MB-Fest-/Wechselplatten) und Preisen um 50 000 Mark als Einstiegsmodelle den Standardsystemen Konkurrenz.

Daß der Einsatz von EDV auch kaufmännischen Anwendungen mit relativ kleinem Datenanfall keine Kostenprobleme mehr bereitet, führt die MOS-Studie darauf zurück, daß im Hardware-Bereich eine entsprechende förderliche Entwicklung stattgefunden hat.

Softwaremäßig sei es zwar auch vorwärtsgegangen, doch gebe es auf dem Gebiet der hardwarenahen Systemsoftware (Wireware, Workware, Data-Manager, Compiler) noch vieles zu verbessern, um ein einfaches und sicheres Computer-Handling auch durch einen "Laien-Operator" zu gewährleisten.

Von entscheidender Bedeutung - und mit dieser Ansicht steht das Institut gewiß nicht allein - sind Qualität und Kosten der Anwendungssoftware. Geprägt ist die Situation durch die grundsätzlich manuelle Anfertigung von Software. Hierdurch verteuern sich die "Schaltungen für Abrechnungs- oder Informationsarbeiten per Computer" nicht nur erheblich, sondern es treten unverhinderbar auch hohe Risiken in der Vorkalkulation von Zeit und Kosten ein.

Dieser Situation begegnen Computerhersteller und Softwarehäuser durch Standard- und Modularprogramme. Der Anwender akzeptiert diese Kategorie von Software, denn:

þEine Lohnabrechnung und eine Finanzbuchhaltung (inklusive Debitoren- und Kreditoren-Abrechnung) besitzen eine grundsätzliche branchenunabhängige, endliche und überschaubare Menge von Funktionen (unter der - allerdings unabdingbaren - Voraussetzung, daß eine optimale Schnittstelle zu der Kostenrechnung strukturell gewährleistet ist).

þEin EDV-Einsteiger erhält mit einer Branchenlösung meistens mehr Informationen, als er durch manuelle Abrechnungen gewinnen konnte.

Die Umfragen haben eindeutig ergeben, daß etwa 40 Prozent der Erstausstattung an Software nach durchschnittlich neun Monaten überholt ist.

In dieser "Inkubationszeit" hat der Einsteiger als (ehemaliger ?) EDV-Laie gelernt, einerseits was er seinem Commerz-Mini abverlangen kann, und andererseits, welche Lösungen er benötigt und nicht hat. Die Horizontal-Software LOHN und FIBU bleibt meistens unverändert.

Im Durchschnitt werden zwölf individuelle Einzelprogramme benötigt zum Zeitpunkt der ersten Reorganisation. Diese Individualsoftware muß jederzeit grundsätzlich manuell angefertigt werden. Wegen der zu hohen Kosten wird jedoch dann meist auf eine Informationsverbesserung durch entsprechende Software verzichtet.

Definitionen zum abgebildeten Schema:

Ein Paket wird aus durchschnittlich 30 Einzelprogrammen bestehend veranschlagt. Es umfaßt auch die erforderlichen Daten-Hantierungs-Programme.

Ein Einzelprogramm ist eine Arbeit mit einem separaten visuellen Out-put (Druck und/oder Bildschirm).

Ein Daten-Hantierungs-Programm besteht aus

Dateien (ebenso Satz- und Feld-) -Erfassung, -Prüfung, -Löschung, -Änderung, -Anschauen, -Andrucken.

Aus dieser Kostensituation und anderen der Studie zugrunde liegenden Erkenntnissen leiten die Verfasser einige Direktiven ab:

þDer Anwender bestimmt die Menge aller Arbeiten (= Einzelprogramme) und die Menge aller geforderten Zielfelder unabhängig von angebotener Standard oder Modular-Software.

þDer Anwender wählt sehr kompromißfreudig für die Erstausstattung so viel - allerdings erstklassig strukturierte - Modularsoftware wie nur vertretbar.

þMit einem wesentlich höheren Erkenntnisstand wird (nach neun Monaten) die Nicht-LOHN-/FIBU-Software ohnehin schrittweise durch Individualsoftware ersetzt. Als "Trainingsinstrument" ist Standardsoftware nicht zu teuer.

þHorizontalsoftware (etwa LOHN und FIBU) wie auch Vertikalsoftware (Branchenpaket) muß entweder detailliert übersichtlich und kompakt total laienverständlich dokumentiert oder direkt aus der Natursprache automatisch in Software transformiert sein. Nur dann ist es möglich, den Anwender alle Spezifikationen innerhalb eines Modularpaketes (nämlich Änderungen in vorhandenen Einzelprogrammen oder Einfügen neuer Einzelprogramme) selbst vollziehen zu lassen.

Bei der Frage, wie es um die Realisierungschancen des aufgezeigten Forderungkatalogs steht, sind die MOS-Leute guten Muts. Ihrer Ansicht nach ist "die Software-Situation für den mittelständischen Anwender durch Innovationen auf dem Gebiete der Software-Herstellungs-Methoden und -Werkzeuge durchaus positiv zu bewerten".