Wer kann mit wem?

Videokonferenzsystem meets Collaboration-Tool

29.01.2015
Von  und Rolf Bergfeld
Marc Herzmann ist Lead Consultant im Bereich Consulting Services für Unified Communication & Collaboration bei Computacenter.

Interoperabilität zwischen Cisco, Microsoft und Polycom

Kernstück der Real-Presence-Plattform von Polycom - und somit oft schon Bestandteil einer existierenden Polycom-Architektur - ist die Distributed Media Application (DMA). Neben der Funktion als Management-Instanz und Registrar für Videoendpunkte ermöglicht die DMA die Interoperabilität mit Cisco-UC-Systemen und die Videoverbindung zwischen Cisco-Jabber-Clients und Polycom-Raumsystemen. Auch für Microsoft-Produkte bietet Polycom zahlreiche kompatible Lösungen an. Mit RealConnect etwa können Lync-Nutzer von der Microsoft-Umgebung aus per Tastendruck an HD-Audio- und Videokonferenzen mit den Polycom-Systemen teilnehmen, ohne eine neue Bedienung erlernen zu müssen - Gleiches gilt für die Planung und Einladung einer Konferenz mit Teilnehmern auf unterschiedlichen Technologieplattformen.

Besteht die Videokonferenzumgebung dagegen aus Cisco-Lösungen und sind diese in Microsofts Lync-Client zu integrieren, so übernimmt der Video-Conferencing-Server (VCS) von Cisco die Gateway-Funktion. Der VCS ist eine zentrale Komponente der Cisco-Architektur und unterstützt seit Version 8 die Interoperabilität zu Microsoft. Technisch basiert dies auf der beidseitigen Unterstützung des Standards H.264 SVC.

Die großen Hersteller öffnen sich zunehmend für eine einfachere Anbindung externer Lösungen.
Die großen Hersteller öffnen sich zunehmend für eine einfachere Anbindung externer Lösungen.
Foto: Computacenter

Content Sharing: Die großen Anbieter öffnen sich stärker

Die eigentliche Videokonferenz ist aber nur eine Seite der Medaille. Als ebenso relevant gilt inzwischen das Thema Content Sharing, also die Einbindung und gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten während der Videokonferenz. Sowohl die Raumsysteme als auch die Collaboration-Clients bieten entsprechende Funktionen. Auch hier ist eine Verknüpfung sinnvoll, wenn auch etwas komplexer als die reine Video-/Audio-Verbindung.

Vergleichsweise einfach gestaltet sie sich zwischen den Systemen von Polycom und Cisco, da beide Hersteller das in RFC 4582 beschriebene Binary Floor Control Protocol (BFCP) für den Austausch von Content innerhalb einer Videosession unterstützen. Die Integration von Microsoft-Technologien erfordert dagegen eine Erweiterung der Architektur um ein entsprechendes Gateway, da der Hersteller ausschließlich das proprietäre Remote-Desktop-Protokoll (RDP) einsetzt. Polycom bietet hierfür eine Content-Sharing-Suite als Modul an, um so eine bidirektionale Nutzung der Dokumentenfreigabe zu ermöglichen.

Cisco unterstützt RDP derzeit noch nicht, hat aber bereits angekündigt, den Austausch von Inhalten mit Microsoft-Lösungen zukünftig zu ermöglichen. Microsoft selbst hat bereits auf der Lync Conference 2014 einen Video Interoperability Server (VIS) angekündigt, der mit Cisco-Raumsystemen funktioniert. Man kann also davon ausgehen, dass in zukünftigen Versionen der Hersteller die Interoperabilität ermöglicht und weiter verbessert wird. Ob dies auch auf den Lync-Nachfolger Skype for Business zutrifft, gilt es abzuwarten, da noch keine technischen Details zum Thema Interoperabilität bekannt sind.

Flüssige Übertragung gewährleisten

Eine noch größere Herausforderung als die rein technische Verknüpfung der Systeme stellt meist die Gewährleistung einer hohen Qualität und einer einfachen Bedienung dar. Zum Beispiel müssen die verschiedenen Videokonferenzlösungen an die aktuellen Bedingungen angepasst werden, um aus vorhandener Bandbreite, Rechnerperformance, Qualität der Kamera und Lichtverhältnissen eine flüssige Übertragung zu realisieren.

In der Regel steigt der Aufwand, je mehr Systeme und Clients genutzt werden, je mehr Niederlassungen in unterschiedlichen Ländern und Kontinenten in die Struktur einzubinden sind und je mehr Funktionen gewünscht werden. Zudem hängt er davon ab, welche Ausgangssysteme ein Unternehmen einsetzt und wie flexibel die Netzwerkinfrastruktur ist. Weitere Punkte sind die bestehenden Netz- und Übertragungskapazitäten sowie die gewünschte Skalierbarkeit. Schließlich sind Videodaten sehr viel größer und zeitkritischer beim Datentransfer als zum Beispiel E-Mail-Anhänge oder Chats.

Neue Möglichkeiten durch neue Geräteklassen, H.265 und WebRTC

Die technologische Entwicklung bleibt natürlich nicht stehen. So hat zum Beispiel Cisco vor kurzem die Android-basierten Desktop-Collaboration-Lösungen Cisco DX70 und Cisco DX80 vorgestellt, die per Touchscreen HD-Video, High-End-Audio, Webkonferenzen, integrierte Business-Anwendungen und Internet-Browser bieten.

Außerdem reduziert der neue Videokompressionsstandard H.265 die benötigte Bandbreite um 50 Prozent. Und der offene Standard WebRTC ermöglicht Echtzeitkommunikation innerhalb eines Webbrowsers ohne weitere Client-Software. Entsprechend ist es denkbar, dass in Zukunft der normale Webbrowser die Basis für Videokonferenzen mit 4K-Video- und HD-Audio-Qualität in Echtzeit inklusive Content Sharing bildet. Damit wäre Interoperabilität kein Problem mehr, doch bis dahin werden noch ein paar Jahre vergehen. (mb)