Videokonferenzen via IP auf dem Vormarsch

22.11.2001
Von Sabine Ranft
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Konjunkturbedingte Sparmaßnahmen und Zweifel an der Sicherheit von Flügen kurbeln die Nachfrage nach Videokonferenzsystemen an. Dabei zeigt sich, dass trotz technischer Fortschritte altbekannte Probleme nicht völlig ausgeräumt sind. Eine grundsätzliche Wende betrifft allerdings die Wahl der Übertragungstechnik: Immer mehr Firmen setzen auf IP statt auf ISDN.

Der Markt für Videokonferenzsysteme hat schon mehrere Krisen durchlitten. Als Geburtsstunde gilt das Jahr 1964, in dem AT&T sein "Videophone" vorstellte. "Das Produkt war nie besonders erfolgreich und ist es auch heute nicht. Aber die probieren es immer noch", bescheinigt Lou Latham, Analyst bei Gartner, dem Konzern zumindest Beharrlichkeit. Insbesondere in Deutschland war das Thema nie ein Renner - der persönliche Kontakt stand hier hoch im Kurs.

Schlagartig hat sich das seit den Terroranschlägen in Washington und New York geändert. Manager scheuen geschäftliche Flugreisen und suchen nach Alternativen. Nun wittern die teils gebeutelten Hersteller von Videokonferenzsystemen Morgenluft. Nach Angaben von Franz Karl, dem Vertriebsleiter Zentral Emea (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) von Polycom in Unterföhring, sind die Kundenanfragen um 30 bis 40 Prozent gestiegen. Andere bestätigen den Trend. Ob sich die Entwicklung auch in harten (Umsatz-)Zahlen niederschlägt, wird sich allerdings erst in zwei bis drei Monaten herauskristallisieren.

Strittig bleibt auch, ob das gestiegene Interesse ein Strohfeuer bleibt oder langfristige Auswirkungen hat. Einige Hersteller argumentieren, wer die Lösungen erst einmal getestet habe, werde sich im Laufe der Zeit daran gewöhnen und sie schließlich nicht mehr missen wollen. Manche Anbieter verweisen zudem darauf, dass bei ihnen die Nachfrage schon vor den Attentaten angezogen habe - als Reaktion auf einen gesteigerten Kostendruck in den Unternehmen.

Marktverhältnisse: Viele der ursprünglich am Markt vertretenen Player haben sich gegenseitig aufgekauft und firmieren unter anderem Namen. Jüngstes Beispiel ist Picturetel, das von Polycom übernommen wurde. Beide gemeinsam beherrschen laut Gartner-Analyst Lou Latham ungefähr drei Viertel des weltweit auf 800 Millionen Dollar geschätzten Marktes. An zweiter Stelle folgt der norwegische Hersteller Tandberg mit einem Anteil von 100 Millionen Dollar. Die übrigen Anbieter (wie VCON, Sony, Avaya oder Cisco)

teilen sich den verbleibenden Marktanteil. CU See Me und White Pine Software haben unter der Marke First Virtual Communications ein neues Zuhause gefunden.

Doch es gibt auch pessimistischere Stimmen. Robert Hess, zuständig für Marketing und Qualitätssicherung bei Vidsoft in Dresden, hält den Anstieg eher für ein kurzfristiges Phänomen. Zwar gebe es eine gewachsene Nachfrage, doch die Talfahrt der Börsen wirke sich ebenso auf die wirtschaftliche Situation der Hersteller aus und könne den Nachfrageeffekt leicht wieder aufheben. Zudem hätten die Kunden nicht mehr Geld zur Verfügung. "Es wird eine kurze Umsatzsteigerung geben, die dann aber wieder abkühlt", vermutet auch Gartner-Mann Latham. Langfristig rechnet er nur mit einem geringfügig höheren Level an Verkäufen.

Wer heute nicht mehr fliegen möchte oder sich aus anderen Gründen für die Videokonferenztechnik interessiert, hat die Qual der Wahl: Es existieren vielfältige Lösungen, angefangen von Desktop-Systemen mit einer Videokamera auf dem PC bis hin zu Hochleistungskonferenz-Servern für bis zu 600 Teilnehmer. Deren Administration ist ungefähr so aufwändig wie die Organisation einer großen Konferenz. In solchen Fällen muss es einen Verantwortlichen geben, der für den Betrieb derartiger Systeme geschult ist. Im Gegensatz dazu lassen sich kleine Lösungen, bei denen es ausschließlich darum geht, den schnellen Ton- und Bildkontakt zu einem Gesprächspartner herzustellen, per Knopfdruck bedienen. Sie erfordern lediglich die Eingabe einer Rufnummer, mit der die Verbindung aufgebaut wird.

Den kompletten Beitrag lesen Sie in der COMPUTERWOCHE 47/2001.