Wegen sinkender Preise und zunehmender Standardisierung

Videokonferenzen sollen jetzt ganz groß herauskommen

06.06.1997

Seit der legendären Videophon-Vorführung auf der Weltausstellung 1964 vergeht kaum ein Jahr, in dem Videokonferencing nicht als die Killeranwendung gefeiert worden wäre. Branchenkenner sind jedoch zuversichtlich, daß die Technologie 1997 wirklich den Durchbruch schaffen kann.

Möglich werden soll dies zum einen durch sinkende Preise für entsprechende Lösungen, aber auch durch die fortschreitende Standardisierung der Technologie. Letztes Jahr beispielsweise hat die International Telecommunication Union (ITU) in der Norm H.323 festgelegt, wie Audio-, Video- und sonstige Daten über TCP/IP, Ethernet LANs und über das Internet übertragen werden sollen.

Preise sind gefallen

Entsprechend regelt der Standard H.324 die Übertragung via analoge Telefonleitungen. Diese und andere Standards schaffen wiederum Bedarf nach Lösungen, die auf dieser Basis arbeiten, also auch Interoperabilität von Lösungen verschiedener Hersteller erlauben.

Horrende Preise galten lange als Haupthürde für Videokonferenz-Lösungen. Raumsysteme wie beispielsweise "Swiftsite" von Picturetel Corp. sind mittlerweile jedoch schon unter 10 000 Dollar zu haben, Desktop-Videokonferenz-Software wie etwa "Netmeeting" gibt es sogar gratis. Jack O'Neil, Marketing Manager bei Videoserver Inc., beschreibt den Preisverfall: "In diesem Jahr wird Videokonferencing zu etwas, das der Anwender zum Preis von nur 200 Dollar - dem Preis für eine Kamera - einem modernen PC hinzufügen kann."

ATM fördert Videokonferenzen

Als weiteren Grund, warum Videokonferenzen sich dieses Jahr etablieren sollen, sehen Insider, daß derzeit eine Reihe von Unternehmen ihre Netzwerke ausbaut, damit diese höhere Bandbreiten liefern. Dies wiederum ermöglicht die Übertragung von Videodaten. Jeannine Lehan, Projekt-Managerin bei Sage Research Inc., beobachtet: "ATM wird vor allem von solchen Unternehmen implementiert, die Videokonferenz-Systeme benutzen oder dies planen."

Beide Technologien würden sich daher gegenseitig vorantreiben. Schließlich fördert nach Meinung von Branchenkennern auch das Geschäftsinteresse der Branchenriesen Microsoft und Intel den Einsatz von Videokonferenz-Lösungen. "Wenn diese Applikationen beispielsweise den Absatz von Pentium-CPUs fördern, dann wird Intel wiederum auch alles tun, um den Einsatz von Videokonferenz-Lösungen zu pushen", so Jack O'Neil.

Dennoch gehören Videokonferenzen noch lange nicht zum Büro-Standard. Bis sie so selbstverständlich eingesetzt werden wie beispielsweise Faxgerät oder PC, müssen noch einige Hürden genommen werden.

Dabei zeigt momentan auch der Generationenunterschied seine Auswirkungen. Viele ältere Anwender stehen der neuen Technik noch immer feindlich gegenüber, wohingegen nach Meinung von Experten die jüngere Generation Videokonferenzen schon bald genauso selbstverständlich benutzen wird wie bereits jetzt beispielsweise Chat-Angebote im Internet.