IT in Versicherungen/Ein Dokumenten-Management-System reichte nicht mehr aus

Victoria: Wissensverwaltung für 15000 Mitarbeiter

16.02.2001
Wer das gesamte Wissen der Organisation seinen Mitarbeitern einfach und effizient zur Verfügung stellen kann, agiert auch in der Versicherungsbranche schneller und erfolgreicher am Markt. Victoria setzt deshalb auf Wissens-Management. Von Marcus Ehrenwirth*

Der personenunabhängige Informationszugriff und -fluss stellt für Versicherungsunternehmen mit ihrer hohen Zahl an selbständigen Agenten im Außendienst eine besondere Herausforderung dar. Denn die bislang unvermeidlichen Medienbrüche ziehen unweigerlich auch Informationsbrüche nach sich, die dann wieder im persönlichen Gespräch, oft verbunden mit wiederholten Rückfragen, ausgeglichen werden müssen - ein Ärgernis für Kunde und Berater.

Beispiel für dieses Problem : Der einmal im Monat erscheinende vierseitige Newsletter der Versicherungsgruppe. Die "Außendienstinformation" wurde an die 10000 externen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschickt und enthielt wichtige Informationen wie Tarif- oder Leistungsänderungen, Informationen also, die das Kerngeschäft betreffen. Abgesehen von den Kosten führte die mit einem Printmedium immer verbundene Zeitverzögerung, bis die Informationen ihr Ziel erreichen, zu zusätzlichem Aufwand.

Zentrales Informations-Management gefordertErfuhr nämlich ein Versicherungsagent von einer Tarifänderung erst nach dem Datum ihrer Einführung, musste er schon vorbereitete Verträge wieder nachbearbeiten. Darüber hinaus gestaltete sich die Beschaffung von Hintergrundinformationen zu den im Newsletter veröffentlichten Neuigkeiten schwierig, denn diese Informationen waren in der Zentrale auf verschiedenen Systemen und Medien verteilt: auf dem Host-System, auf den Datei-Servern, im Messaging-System, aber auch klassisch in Papierform in Ordnern oder in den Köpfen der Menschen. Gleiches galt für den Erfahrungsaustausch, zum Beispiel darüber, welche Argumentationen sich für eine bestimmte Versicherungsart im Kundengespräch als am effektivsten erwiesen haben. Wer hier nicht wusste, wo er suchen beziehungsweise wen er ansprechen sollte, musste viel Mühe und Zeit aufwenden, bis er fündig wurde.

Ein zentrales Informations-Management war deshalb gefordert. "Wir waren uns bewusst, dass die Anforderungen an ein solches System sehr hoch sein würden", schildert Hans-Gerd Spehl, Projektleiter Intranet, die Ausgangssituation im Jahr 1998, als das Victoria-Management über die Einführung einer passenden Lösung nachdachte. Die Anforderungen gingen über die Funktionalitäten eines klassisches Dokumenten-Management-Systems weit hinaus. Funktionen zu Groupware und Workflow waren ebenfalls nötig. Die Mitarbeiter sollten in die Lage versetzt werden, mit ein und derselben Anwendung Informationsrecherchen durchzuführen, Diskussionen zu führen, virtuelle Teams zu bilden, Sitzungsräume zu buchen und mehrstufige Workflows zu definieren.

Neben diesen funktionalen Anforderungen gab es aber noch eine Reihe anderer, die technischer und finanzieller Natur waren. Dazu gehörte die Web-Basierung der einzusetzenden Lösung, um einen plattformunabhängigen Zugriff zu ermöglichen und damit die bisherigen IT-Investitionen zu schützen. Weiterhin zählte dazu eine dezentrale Benutzerrechteverwaltung, damit die Mitarbeiter selbst je nach Funktion und Rang ihren Kollegen Informationen, Wissen und Erfahrungen zur Verfügung stellen konnten. Zusätzlich Schnittstellen zu den im Unternehmen verwendeten Produkten Microsoft Exchange und Outlook, die Unterstützung der bestehenden Windows-NT- und SQL-Server, eine hohe Skalierbarkeit sowie Push-Technologien, um die Anwender über zu erledigende Aufgaben beziehungsweise für sie interessante Neuigkeiten zu informieren. Kurz: Die einzusetzende Lösung muss sich möglichst nahtlos in die bestehende IT-Landschaft integrieren lassen und so wenig wie möglich hausspezifische Anpassungen erfordern. Außerdem sollten sich die Investitionen in weniger als einem Jahr amortisieren.

Standardfunktionalitäten entscheidendMehrere Lösungen standen zur Auswahl; sie wurden von August 1999 bis Anfang Dezember 1999 umfangreichen Tests durch IT-Abteilung und künftige Anwender unterzogen. Dabei stellte sich das Wissens-Management-System Livelink von Open Text als das Produkt heraus. Eine spezifische Anpassung war nicht notwendig.

Von Januar 2000 bis Anfang März 2000 erfolgte dann das Design der Systemlandschaft, außerdem wurde ein Testsystem eingerichtet.

Am Ende dieser Phase stand eine Architektur, die hinsichtlich Verfügbarkeit und Geschwindigkeit noch optimiert wurde. Livelink wird auf insgesamt fünf NT-Servern mit jeweils vier CPUs und vier GB RAM bereitgestellt. Alle Server greifen auf eine zentrale Datenbank von Microsoft zu, die nur die Referenzen zu den Dokumenten enthält. Die Dokumente selbst sind in den verschiedenen Dateisystemen abgelegt. Dies hat den Vorteil, dass die Verweise darauf komplett in den großen Arbeitsspeichern der NT-Server vorgehalten werden können, was die Zugriffszeit auf die Quelldatei minimiert, vor allem dann, wenn diese zum wiederholten Male abgefragt wird und sich deshalb bereits im Livelink-Cache-Modul befindet.

Anpassungen waren nicht mehr notwendigDie Ergebnisse erwiesen sich als zufrieden stellend; weitere Anpassungen waren nicht mehr notwendig, der Produktivstart fiel auf den 1. Juli 2000. Dazu Spehl: "Medienbrüche gehören der Vergangenheit an. Die Mitarbeiter tauschen ihre Erfahrungen in virtuellen Räumen aus, die sie selbst eingerichtet haben, und bekommen eine E-Mail mit einer URL, die sie einfach anklicken, um den aktuellen Newsletter zu öffnen. Den ROI werden wir bis Ende des Jahres erreicht haben."

Zur Zeit arbeitet man an der Definition ein- und mehrstufiger Workflows, die das Kerngeschäft unterstützen. Dazu gehören Abläufe wie das Buchen eines Besprechungsraums oder die Planung und Durchführung von Umzügen ganzer Abteilungen. "Neben der Einrichtung dieser Workflows planen wir für das nächste Jahr die Aktualisierung auf die Version 9.0 sowie die Implementierung des entsprechenden Portals, damit unsere Mitarbeiter ihre Arbeitsumgebung ihren Vorlieben entsprechend gestalten können", blickt Spehl in die Zukunft.

* Marcus Ehrenwirth ist freier Journalist in Augsburg.

Die Victoria-GruppeMit Beitragseinnahmen von 10,6 Milliarden Mark im Jahr 1999 zählt die Victoria Versicherungsgruppe zu den größten deutschen Versicherungsgesellschaften. Zur Gruppe gehören die Vicoria Versicherung, die Haftpflicht-, Unfall- und Kraftfahrtversicherungen sowie verschiedene Zweige der Sach- und Transportversicherungen. Weitere zugehörige Gesellschaften sind die Lebensversicherung, die Krankenversicherung, die Rückversicherung AG, die Vorsorge Lebensversicherung, die Victoria Internationale für Beteiligungen sowie die D.A.S. (Deutscher Automobilschutz Allgemeine Rechtsschutz-Versicherung AG).

Durch den Zusammenschluss der deutschen Versicherer Victoria, Hamburg-Mannheimer, DKV und D.A.S. entstand 1997 die Ergo-Versicherungsgruppe. Mit über 15 Millionen Kunden und mehr als 25 Milliarden Mark Beitragsaufkommen ist sie die Nummer zwei im deutschen Erstversicherungsmarkt.

Abb: Zentrales Informations-Management

Im Mittelpunkt Informationsanbieter und interne -nachfrager; vor der Firewall zirka 10000 Außendienstmitarbeiter. Quelle: Victoria