Verzerrter Wettbewerb

06.10.1978

Im Bauwesen hat die EDV noch nicht die Bedeutung, die sie in Wirtschaft und Verwaltung erreicht hat, obgleich der Bau die größte Branche der bundesdeutschen Volkswirtschaft darstellt.

Bei einem Anteil des Bauvolumens von rund 15 Prozent am Bruttosozialprodukt muß es überraschen, daß von den im Jahre 1975 fast 25 000 installierten Rechenanlagen

nur 1101 Anlagen in der bauausführenden Wirtschaft installiert waren. In dieser Summe sind neben den Bauunternehmungen auch Ingenieurbüros, Institute, Fertigteilhersteller und Sonstige erfaßt. Sie alle verfügen nur über 4,4 Prozent der in der Bundesrepublik eingesetzten Rechenanlagen, obwohl sie mit 15 Prozent am Bruttosozialprodukt beteiligt sind.

Diese Relation dürfte sich bis heute nicht verbessert haben. Ich meine, wir können auch im Bauwesen ohne Rationalisierung, Automation und Datenverarbeitung der allgemeinen und internationalen Entwicklung nicht mehr folgen.

Wir können dabei auf das Hilfsmittel der Datenverarbeitung ebensowenig verzichten wie auf Hilfsmittel, die wir schon seit langem verwenden, um die traditionsreichen und traditionsbeladenen Aufgaben des Bauens in seiner Vielfalt zu lösen. Die EDV darf bei alledem keinesfalls an den wirtschaftlichen Strukturen der freien Marktwirtschaft vorbeigehen. Sie muß allen Betrieben und Unternehmungen der Bauwirtschaft dienstbar sein, dem kleinen Handwerksbetrieb ebenso wie dem Großunternehmen der Bauindustrie. Ihre schrittweise und behutsame Einführung kann die Arbeit erleichtern und von zeitraubender Routine befreien; sie eröffnet Zeit für besser vorbereitete und durchdachte, damit für wirtschaftlichere Entscheidungen, ist sie doch in der Lage, umfangreiche Datenmengen schnell aufzubereiten.

Das Software-Angebot für anwendungsorientierte Bereiche des Bauwesens ist umfangreich. Es umfaßt Programme und Programmsysteme für Geometrie, Statik, Straßenbau, Bauablauf, Bauausführung. Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, Betriebswirtschaft, Dokumentation und Statistik. Bestandsaufnahmen und Auflistungen über weitere Programmwünsche sind eingeleitet. Dabei sollen auch Schritt für Schritt die internationalen Programmentwicklungen registriert werden, und ein Programmaustausch soll dort erfolgen, wo er möglich ist.

Was liegt uns vor?

- Die Anwendungsprogramme für die Datenverarbeitung im Bauwesen müssen noch um die Bereiche der Nutzen-Kosten-Untersuchungen, besonders bei Baunutzungskosten in Abhängigkeit von Investitionskosten, ergänzt werden.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

- Sie scheinen mir in den Möglichkeiten zu liegen, von den Angeboten der EDV Gebrauch zu machen. Die am Bauen Beteiligten, Bauherr und Architekt, Statiker und Fachingenieur, die bauausführenden Firmen und die Auftraggeber werden sich besonders mit den organisatorischen Problemen, zum Beispiel denen des Datenflusses, auseinandersetzen müssen. Hier gibt es noch keine Patentrezepte.

- Aber führt die Anwendung von Kostenkennwerten und Kostenrichtwerten, führen die dazu notwendigen Dateien nicht zu unerwünschten Ergebnissen? Nämlich dazu, daß sich Preise nicht mehr autonom und individuell auf dem freien Markt, sondern aufgrund ermittelter Kostenrichtwerte und Kostenkennwerte bilden, so zu verzerrten Wettbewerbssituationen führen und damit die soziale Marktwirtschaft gefährden?

Ich teile diese Bedenken nicht. Denn:

- Die Anwendung von Kostenkennwerten und Kostenrichtwerten entbindet jedenfalls die öffentlichen, Auftraggeber nicht von dar Pflicht, die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) anzuwenden. Die Verpflichtung zur Vergabe von Bauleistungen im Wettbewerb kann also nicht unterlaufen werden.

Ein Verzicht auf die neue Technologie der EDV würde die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft beeinträchtigen; bei einem Verlust an Wirtschaftswachstum würden Arbeitsplätze in weit größerem Maße gefährdet, als solche durch die Einführung der EDV eingespart werden könnten. Sicher, gibt es Anpassungsprobleme. Wir müssen uns auf diese einstellen. In einer immer komplexer und unübersichtlicher werdenden Wirtschaft benötigen wir - auch im Bauwesen - ein funktionierendes System der EDV, um der gerade heute aktuellen Feststellung Goethes gerecht zu werden, mit der Masse des Stoffes und seiner Daten gerecht zu werden.

- Die Hardware befindet sich in einer Entwicklung, die bei starker Kostensenkung eine Leistungssteigerung erkennen läßt. Wir müssen davon ausgehen daß zu den in den letzten Jahren in der Bundesrepublik neu installierten rund 100 000 Rechnern und Terminals aufgrund des sehr günstigen Angebots der EDV-Industrie eine Vielzahl neuer Rechenanlagen in sämtlichen Wirtschaftszweigen hinzukommt. Diese Entwicklungen werden von der Bundesregierung gestützt, sei es im innovationsbetonten Teil des Zukunftsinvestitionsprogramms oder speziell in dem baubezogenen Teil des CAD-(Computer-aided-design-)Programms für rechnerunterstütztes Entwickeln, Konstruieren und Fertigen aus dem 3. DV-Programm der Bundesregierung.