Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz löst den Host ab

Verwaltung des Weinanbaus fußt auf Management-Plattform

10.04.1998

In Bad Kreuznach machte man sich bereits 1995 Gedanken, dem Landesrechenzentrum in Mainz, das mittlerweile unter der Bezeichnung Daten- und Informationszentrum firmiert, samt dem externen IBM-Host und seiner inflexiblen, hierarchischen IMS-Datenbank den Rücken zu kehren. Statt dessen wollte man sich einer offenen Client-Server-Architektur mit einer relationalen Datenbank als zeitgemäßer Datenbasis zur Abwicklung aller Geschäftsprozesse zuwenden. Hauptzielsetzung der Migration war es, Änderungen der EU-, Bundes- und Landesgesetze sowie Landesverordnungen, die sich über die Zuständigkeitsbereiche der einzelnen Standorte vertei- len, schneller umzusetzen. Wichtig war zudem eine wirtschaft- liche Verwaltung der Weinbaukartei.

Im Zuge dieses Migrationsschrittes sollte das gesamte Netz, das neben der Zentrale in Bad Kreuznach die Niederlassungen in Alzey, Koblenz, Neustadt an der Weinstraße, Wittlich, Trier und Kaiserslautern umfaßt, komplett neu gestaltet werden. "Zunächst haben wir uns offenge- halten, das neue Client-Server-System in eigener Verantwortung oder durch das externe Daten- und Informationszentrum zu betreiben", so Bernhard Adam, DV-Leiter bei der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz. Hilfe suchte Adam bei einem neutralen Berater, der beide Alternativen einem Vergleich unterzog. Das Ergebnis der Studie fiel eindeutig aus: Über einen Zeitraum von fünf Jahren versprach der Consultant der Landwirtschaftskammer Einsparungen von rund 30 Prozent, wenn sie die Neu- entwicklung der Software sowie den Kauf und den Betrieb der Informations- und Kommunika- tionstechnik in eigene Hände nähme.

Sehr früh fiel die Entscheidung, für die dezentrale Datenhaltung das relationale Datenbank-Management-System von Oracle einzusetzen. Die europaweite Ausschreibung für die Entwicklung der Software zur Verwaltung der Weinbaukartei brachte fünf Kandidaten in die engere Wahl. Das Rennen machte schließlich BGS Systemplanung aus Mainz.

Anfang 1996 ging es darum, ein Konzept für die Client-Server-Architektur mit Leben zu erfüllen. Die Landwirtschaftskammer beauftragte das Beratungshaus Netix System Consulting in Wiesbaden mit dieser Aufgabe, das mit folgenden Fragen antrat:

- Welche LAN-Technik erfüllt am besten die Anforderungen der verteilten Verarbeitung?

- Auf welcher Server-Plattform soll die Oracle-Datenbank basieren?

- Über welches Netzwerk-Betriebssystem soll die Bürokommunikation inklusive unternehmensweiter E-Mail abgewickelt werden?

- Welche System-Management-Werkzeuge sind zur Überwachung und Verwaltung der verteilten Installation erforderlich?

- Welche Backup-Verfahren sollen für stets aktuelle Datenbestände im verteilten Netz zum Einsatz kommen?

- Welche Recovery-Verfahren können im Problemfall stets intakte Daten garantieren?

Den geringsten Planungsaufwand verursachte dabei die Auswahl der geeigneten Netzwerktechnik in den einzelnen Standorten. Hier hatte sich Adam gemeinsam mit den Beratern von Netix schnell auf Fast Ethernet geeinigt. Weitaus höheren Planungsaufwand erforderte hingegen die Konzeption des netzweiten Client-Server-Systems. In diesem Umfeld ist die Harmonie zwischen Betriebssystemen, verteiltem Datenpool, Weitverkehrsverfahren und Anwendungen wichtig. Außerdem müssen sich Backup- und Recovery-Verfahren sowie System-Management-Werkzeuge nahtlos einfügen.

Als Software für die Bürokommunikation wurde Microsofts "Office"-Paket und - um bei einem Hersteller zu bleiben - Windows NT als Netz-Betriebssystem auserkoren. Bei der Wahl der Server-Plattform für die verteilte Oracle-Datenbank zogen die Gates-Softwerker jedoch den kürzeren. Um die Gunst des Anwenders bewarben sich neben Windows NT auch Sun Solaris, HP-UX und IBM AIX. Letzteres Betriebssystem erhielt schließlich den Zuschlag, weil es das günstigste war und dennoch das grafische Informationssystem zur Ergänzung der Weinbaukartei mit den technisch-wissenschaftlichen sowie kommerziellen Anforderungen kombinieren konnte.

Den Nachteil, darüber keine Weitverkehrsverbindungen realisieren zu können, glichen die Verantwortlichen mit einem Multiprotokoll-Router von AVM aus. Für die Anbindung des externen IBM-Hosts im Daten- und Informationszentrum fiel die Entscheidung auf Netware für SAA; als Übertragungstechnik im WAN-Bereich sollten ISDN-Wählverbindungen zum Einsatz kommen. "Diesen asynchronen Verbindungsweg konnten wir gehen", betont Christian Lossa, Geschäftsführer der Netix System Consulting GmbH und Projektbetrauter, "weil sich die Oracle-Datenbank bei der Replikation von Datenbeständen mit Wählverbindungen begnügt. "Trotz verteilter Datenbank spart die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz somit erhebliche Weitverkehrsgebühren ein.

Ein Höchstmaß an Planung und Umsetzungsintelligenz wurde speziell der Überwachung, Verwaltung und Absicherung der Client-Server-Installation gewidmet. Das Ziel war ehrgeizig, denn der Ansatz sah nur zwei Personen für die Überwachung, Verwaltung und Sicherung der Abläufe vor. Die dünne Personaldecke erfordert konsequenterweise eine möglichst breite Automatisierung des Managements. Zur Auswahl standen die System-Management-Systeme "Unicenter TNG" von Computer Associates (CA), "TME 10" von der IBM-Tochter Tivoli, "IMS" von Bull sowie "Patrol" von BMC.

Die Entscheidung, die nicht unwesentlich vom Preis beeinflußt wurde, fiel letztlich auf das System-Management-Werkzeug von BMC Software. "Rund 70000 Mark mußten wir in ein netzumfassendes Datenhaltungs- und Betriebssystem-Management investieren, inklusive aller Lizenzen", so Adam. "Für die Implementierung der Werkzeuge fiel etwa das Dreifache dieses Betrages an. "

Seit Anfang Oktober 1997 ist die komplette Client-Server-Installation in Betrieb. Prozesse der verteilten Datenbank lassen sich auch ohne Konsole-Verbindung über die Weitverkehrsstrecken durch Patrol überwachen, indem die System-Management-Lösung Agenten in den zu kontrollierenden Ressourcen plaziert und die Daten bei aktiver Verbindung zur zentralen Station meldet. "Um diese Überwachungsmechanismen umzusetzen, waren keine Eingriffe in Oracle und AIX notwendig", erinnert Dirk Rauschenbach, System Engineer bei Netix und verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung des System-Managements.

Dabei griffen die Berater auf BMC-Voreinstellungen zurück, die es etwa erlauben, Oracle-Funktionen wie Reports und Datenbankbefehle in SQL von der Patrol-Konsole aus zu starten. Auch fehlgeschlagene Backups werden sofort an die Patrol-Konsole gemeldet. Das ist wichtig für die Landwirtschaftskammer, denn dort werden einmal täglich Online-Backups via Weitverkehrsnetz vorgenommen. Hinzu kommt einmal wöchentlich ein Offline-Backup. Alle Logs mit sämtlichen Transaktionen werden hingegen stündlich netzweit auf den aktuellen Stand gebracht. Damit muß im Problemfall die verteilte Datenbank maximal um eine Stunde zurückgesetzt werden.

In diesem Fall kann Adam auf kurze Anlaufzeiten bauen, weil alle Backups lokal auf einem dedizierten Platten-Tower liegen. Als Second-Level-Backup werden diese Daten von den lokalen Platten-Towern auf Band gespielt. "Diesen Ansatz haben wir auch deshalb gewählt, weil wir uns so in den Außenstellen den Einsatz von teurem Systempersonal sparen können", so Adam. Der Platten-Tower wird dabei losgelöst von der Oracle-Datenbank verwaltet. "Damit läßt sich die Datenbank bei Problemen jederzeit komplett restaurieren. "

Zur Überwachung der Clients setzt die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz "PC-Duo" ein, ein Produkt von PCI Ltd. Über PC-Duo erhält der Administrator volle Kontrolle über den entfernten Client, sofern der Benutzer dies gestattet. "Dieses Werkzeug ermöglicht uns, von der Zentrale aus sämtliche administrativen Aufgaben auf den entfernten PCs zu übernehmen", unterstreicht Adam. PC-Duo wird zudem zur Fernanweisung der Mitarbeiter im Fehlerfall genutzt, wobei die Ratschläge zur Fehlerbehebung per Telefon mitgeteilt werden. Nach der Eingabe eines Kommandos durch den entfernten Benutzer räumt der Anwender dem zentralen Helfer den gemeinsamen Zugriff auf den Bildschirm ein.

Summa summarum fünf Millionen Mark hat die komplette Installation - von der Infrastruktur bis hinauf zu den Anwendungen, inklusive der System-Management-Werkzeuge - die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz gekostet. Vor allem von den Investitionen ins System-Management, das rund ein Fünftel der Gesamtkosten verschlang, erhofft sich die Landwirtschaftkammer einige Einsparungen.

Hadi Stiel ist freier Journalist in Bad Camberg.